Wolfgang Röhl / 23.06.2019 / 06:10 / Foto: Tim Maxeiner / 25 / Seite ausdrucken

Sie sind Viele. Nur nicht in der Kunsthalle

Wer im Frühjahr die ehrwürdige Hamburger Kunsthalle besuchte, stieß hinter dem Eingang auf eine Stelltafel mit der „Hamburger Erklärung der Vielen“. Dabei handelt es sich um eine Kriegserklärung grüner, linker und linksradikaler Kulturschaffender an die Adresse der Rechtspopulisten. Im Prinzip zielt sie auf alle, denen der unkontrollierte Zustrom von Menschen nach Deutschland Bauchschmerzen bereitet und die das gelegentlich kundtun. 

Die Erklärung, so ähnlich auch in anderen Städten verbreitet, steht in nahezu allen Kultureinrichtungen Hamburgs. Sie nicht aufzustellen hieße, sich selber in den Verdacht von „Rassismus, Diskriminierung und Ausgrenzung“ zu bringen. Oh, so was bringt Ärger! Die Kulturschickeria kennt in solchen Fällen keinen Spaß.

Inzwischen ist die Tafel etwas an den Rand gerückt worden. Möglicherweise haben Proteste von Museumsbesuchern, darunter auch fördernde „Freunde der Kunsthalle“, dafür gesorgt. Oder ist die dezente Abseitsstellung einer Einsicht der Direktion geschuldet, dass zu viel denn doch zu viel sein kann? Neben der „Erklärung“ bietet die Kunsthalle nämlich seit Ende März noch ein weiteres, schwer gen Backbord krängendes Spektakel auf. 

Die Ausstellung „Korrektur der Nationalfarben“ widmet sich dem Werk des emsigen Agitprop-Produzenten KP Brehmer (1938 – 1997). Er gilt als „einer der großen Unbekannten der jüngeren deutschen Kunst“, wie der ihm herzlich zugeneigte NDR glaubt. Tatsächlich ist Brehmer außerhalb der altlinken Kunstblase ein No-Name. Seine künstlerischen Anstrengungen in Sachen „Kapitalistischer Realismus“ haben kaum jemanden inspiriert. 

Leider gebricht es dem Haus sehr an Zulauf

Nicht, dass er unbegabter gewesen wäre als etwa der Heartfield-Epigone Klaus Staeck. Doch verfolgte Brehmer das Pech, dass niemand sich über seine Werke künstlich erregte oder sie gar wutentbrannt von den Wänden einer Parlamentarischen Gesellschaft gerissen hätte. Ein Fortschrittler, dem die Rückschrittler nicht ans Leder wollen, hat es halt immer schwer.

Zunächst noch ein Wort zur Kunsthalle. Das Museum zwischen Alster und Hauptbahnhof, vor 150 Jahren im italienischen Renaissancestil erbaut, beherbergt viele Schätze, unter anderem Bilder von C. D. Friedrich, Cézanne, Degas, Gauguin, Toulouse-Lautrec, Menzel, Liebermann, Runge, Corinth, Böcklin. Ein backsteinernes Dementi der gängigen Vorstellung, die Hamburger seien von jeher „Pfeffersäcke“ gewesen; Kunstbanausen, immer bloß an Geld, nie an Erhabenem interessiert. In Wahrheit wurde der Kunsthallenbau hauptsächlich von Bürgern finanziert, und die Kosten für eine großangelegte Renovierung im Jahre 2013 übernahm in der Hauptsache – immerhin 15 Millionen Euro – eine Stiftung der Versandhausdynastie Otto. 

Leider gebricht es dem Haus sehr an Zulauf, obwohl Hamburg sich in der vergangenen Dekade zu einem regelrechten Touristenmagneten gemausert hat. 2013, noch vor der Renovierung, kamen 380.000 Besucher, 2018 nur mehr 310.000. Was wohl auch daran liegt, dass der Kunsthalle in den letzten Jahren kaum eine Ausstellung gelang, die über längere Zeit für Schlangen an der Kasse gesorgt hätte. Dafür gibt es unterschiedliche Gründe, finanzielle wie personelle. Die „Zeit“ meint, das Museum sei „zu leise“.

In dieser Lage ausgerechnet mit einer Gestalt wie KP Brehmer punkten zu wollen, grenzt an Sabotage. Brehmers verkopfte Art der Agitation, deren „ironische Unterwanderung der vorherrschenden politischen, medialen und kommerziellen Bildsprache der Bundesrepublik Deutschland“ (so der Einführungstext zur Schau) sich vorzugsweise in verfremdeten Diagrammen und auf den Kopf gestellten Vermögensverteilungs-Torten äußert, gern mit gegen den Strich gebürsteten Schautafeln und Tabellen operiert, sie ist vor allem eines: zum Fürchten langweilig. 

Selbst hartgesottene Kapitalismusverächter werden vergrault

Und die über eine ganze lange Wand gezogenen, aus dubiosen Quellen irgendeiner Sozialforschung gespeisten Kalenderstatistiken, welche „Seele und Gefühl eines Arbeiters“ (so der ernstgemeinte Titel der Darbietung) verdeutlichen sollen, vergraulen selbst hartgesottene Kapitalismusverächter. Kunst könne zum „sinnlichen Instrument emanzipatorischen Bewusstwerdens“ (KP Brehmer) taugen? Keiner widerlegt das so überzeugend wie KP Brehmer, ein Meister des Unsinnlichen. 

Dass ihm kein beifallsumtoster Auftritt im Zirkus Hau-den-Westen beschieden sein würde, dürfte er früh geahnt haben. Klaus Peter Brehmer, der seine Vornamen aus Sympathie zur verbotenen KPD abkürzte, aber schlauerweise nicht in deren Nachfolgepartei DKP eintrat, ergatterte 1971 gerade noch rechtzeitig (der „Radikalenerlass“ war schon in der Pipeline) eine Professur an der Hochschule für bildende Künste in Hamburg. Dort blieb er, großzügig alimentiert, bis an sein Lebensende. 

So wuchs zusammen, was zusammengehörte. Seit den frühen 1970ern ist die HfbK ja wie kaum eine andere deutsche Kunstschule ein warmes Nest für Staatsverdrossene, welche Staatsknete mitnichten verdrießt. Das sogenannte Lerchenfeld war auch langjähriger Ernährer von Bazon Brock, der Kloppo der höheren Geschwätzwissenschaften („Neuronale Ästhetik“).

Dass man mit KP Brehmers Masche von Kultur-, Konsum- und Gesellschaftskritik, die bereits beim Entstehen etwas ranzig roch, auch heutzutage keine Besucherhorden locken kann, hat die Kunsthalle nun, am Ende der Schau, schwarz auf weiß. Zu dumm, der Ansturm hielt sich durchaus in Grenzen. Warum nur? Einer wie der weltoffene KP hätte die „Erklärung der Vielen“ doch subito erstunterzeichnet! Sind die Vielen am Ende gar nicht soviele?

Foto: Tim Maxeiner

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Daniel Oehler / 23.06.2019

Es ist schon auffällig, dass der deutsche Antifaschismus umso “mutiger” ist, je länger der Hitler tot ist. Die deutsche Künstler-Szene hat es nie verwunden, dass einer der ihren von 1939-1945 große Teile Europas in Trümmer gelegt hat. Im Flüsterwitz gab es die sarkastische Parole “Pinsel erwache”. Und Hamburg? Da fragte man 1944 was Hamburg als Kunstwerk betrachtet sei. Die Antwort: Eine Radierung Churchills nach Ideen von Hitler. (Hitler hatte gedroht Englands Städte auszuradieren) Ansonsten gilt für das linke Künstlerbiotop in Hamburg wie für jedes andere Wolkenkuckucksheim: Es wird durch das Geld ermöglicht, das andere Menschen verdienen. Mein Vorschlag wäre daher: Schickt die Aktionskünstler in die Produktion. Das vollbringen realer Leistungen bringt die meisten Visionäre schnell in die Realität zurück. Alle Subventionen streichen! Die “Künstler” dürfen tagsüber den Spießer geben und Geld für den Lebensunterhalt verdienen. Wenn sie Abends als Hobby Aktionskunst machen, ist das ihre Sache, ihre selbst finanzierte Sache wohlgemerkt.

Dr. Ralph Buitoni / 23.06.2019

Aber Hallo Herr Röhl! Mit dem Namen Bazon Brock als Reverenz für das hamburger intellektuelle Desaster haben Sie aber schwer in der Einschätzung danebengegriffen! Bazon Brock war nie ein Blöder, und Sie sollten sich mal die Interviews der letzten Jahre mit ihm anhören! Etwas treffenderes an echter Zeitgeistkritik - und auf höchstem Niveau - werden Sie nirgends bekommen! Übrigens: Hamburger - und das Hamburger Bürgertum - waren immer schon geistige Pfeffersäcke, da ändern auch Kunsthallen und Elbphilharmonien nix daran - in Hamburg hat man sich immer gerne die Renommierkunst eingekauft, dabei geht es nur ums Schaulaufen und Angeben (“guckt mal, wir können auch was anderes als Geld scheffeln!”) - das ist ganz genau so wie wenn Hamburger demonstrativ guten Wein konsumieren - tieferes Verständnis für den Gegenstand Fehlanzeige (“der schmeckt lecker!”). Deshalb fristete die Kunsthalle trotz ihrer prominenten Lage schon immer ein Schattendasein. Übrigens: die angeblichen “Geschwätzwissenschaften” sind tatsächlich empirische Wissenschaften, sie wurden erst in den letzten 20 Jahren durch die massenhafte Zulassung Nichtstudierfähiger zu postmodern-feministischen Geschwätzdisziplinen.

von Kullmann / 23.06.2019

Die Kosten der Kunsthalle bitte in die Integration umleiten. Die Vielen, Bunte und Linke wollen endlich integriert werden. Damit ihr Stuss Kultur wird.

Dr. Gerhard Giesemann / 23.06.2019

@Volker im Café: War das der, der gar nicht so viel konnte wie er wollte?? Geht mir seit Jahren so, tschjort wazmí - hol’s der Kalabautermann.

H.Milde / 23.06.2019

Die sog. “Kulturschaffenden*innen*diverse” entarten so ua. dyskonforme Kollegen, Journalisten/Schriftsteller, Musiker,  und darstellende und bildende Künstler. Joseph, was hast du nur für gelehrige Schüler?

Sanne Weisner / 23.06.2019

Niemand ist heutzutage unfreier als der “Künstler” und “Kultur”-Bespaßer. Und es ist auch niemand rückgratloser. Seien es die staatsalimantierten Clownsmaskenträger der Unterhaltungsindustrie oder der bohemienistische Solo"Kunst"schaffende. Alle miauen und schnurren um die Beine derer, die das Geld in den Kunstbetrieb schmeißen und dafür erwarten, dass man sie unterhält und dabei keine Widerworte gibt. Jede Professionelle vom Straßenstrich verbreitet mehr Würde bei ihrem Job als die Sing-, Zappel-, Geschwätz- und Schmier-Arbeiter, welche sich bei den typischen Events die Nase auf dem Fußboden plattdrücken beim Versuch den Bückling ja nur noch tiefer als die Konkurrenz hinzubekommen. Und das nicht nur in sogenannten Kulturzentren sondern noch im kleinsten Kuhkaff, solange es da nur eine Kulturförderverein gibt.

Volker Kleinophorst / 23.06.2019

War früher in Hamburg viel im Museen und Theater. Sind leider zu volkspädagogischen Einrichtungen verkommen. Die Sammlung der Kunsthalle bleibt alerdings einzigartig wie auch das wiedereröffnete Cafe Liebermann. Die letzte wirklich spektakuläre Ausstellung, an die ich mich erinnere: Giacometti. Schon ein Weilchen her.

Jürgen Behm / 23.06.2019

Diese Erklärung der Vielen wurde von fast allen Hamburger Kultureinrichtungen und den vielen weiteren unterzeichnet, die auch noch von Senat der Stadt Hamburg als solche angesehen und daher hoch subventioniert werden. Auffällig sind da eher die Hamburger Institution, die die Erklärung nicht unterzeichnet haben, so das Altonaer Theater und die Bucerius-Kunststiftung. Diejenigen in dieser Stiftung haben sich, gelobt sei es, an das Vermächtnis ihres Stifters Gerd Bucerius erinnert. Dieser großartige Zeitungs-Unternehmer und Mäzen hätte nämlich diejenigen, die mit dem Ansinnen, die Erklärung mitzuunterzeichnen, zu ihm gekommen wären, ziemlich schnell abserviert und mit der Bemerkung rausgeworfen, dass er sich für die medial-politische Inszenierung eines Popanzes zu schade sei. Und dabei wäre er auch geblieben, wenn die mit unterzeichnenden Leiter von Elbphilharmonie, Staatsoper oder der beiden Hamburger großen Sprechbühnen deshalb zu ihm gekommen wären. Am Schluss der Erklärung der Vielen heißt es: „Solidarität statt Privilegien. Es geht um Alle. Die Kunst bleibt frei!“ Mein Kommentar dazu: Wer Staatsknete in Anspruch nehmen kann, ist privilegiert. Wie wäre es, wenn die verantwortlichen Unterzeichner der Erklärung der Vielen in Solidarität mit der die Steuern/Staatsknete hart erarbeitenden Bevölkerung Hamburgs auf dieses Privileg verzichten würden?  

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