Eine Gesellschaft darf es nicht dulden, dass über eine Berufsgruppe hergefallen wird. Die verbalen Attacken der Politiker auf Banker gleichen einer Hatz. Dabei ist die Schuldenkrise eine Sünde der Politik selbst.
Das versuchte Bombenattentat auf Josef Ackermann ist glücklicherweise vereitelt. Die verbalen Bombenattentate aber gehen weiter. Die Banker im allgemeinen und Josef Ackermann im besonderen sind seit Monaten Zielscheibe einer ideologischen Hatz, die kaum mehr Grenzen kennt. Es wird Zeit, dem endlich Einhalt zu gebieten.
Eine Gesellschaft darf es nicht dulden, dass über eine Berufsgruppe kollektiv hergefallen wird als seien sie Kindermörder. Skandalös ist vor allem, wie die Politik die Meinungsjagd auf Banker lautstark immer weiter befeuert. Denn die Schuldenkrise, mit der Europa nun so schwer zu ringen hat, ist zuallererst eine Sünde der Politik selber.
Unsere politische Klasse – und nicht die Banker - hat seit einer ganzen Generation keine ausgeglichenen Haushalte mehr hinbekommen, Milliarde auf Milliarde Kredit genommen und einen Schuldenturm gigantischer Dimension aufgetürmt. Nun da er schwankt, werden Banker flugs als Sündenböcke durch die medialen Straßen gejagt.
Leider hat diese Treibjagd eine lange Tradition in Europa. Geldwechsler und Geldverleiher werden seit Jahrhunderten aus politischen Motiven verfolgt. Immer wieder gefiel es den Mächtigen und Schuldenmachern, ihre Geldbeschaffer frontal zu attackieren. Geldverleiher durften vielerorts nicht einmal am kirchlichen Abendmahl teilnehmen.
Am häufigsten aber traf dieser spezielle Verfolgungswahn die Juden. Hitlers Tiraden gegen die „Zinsknechtschaft”, gegen die „gierigen Wucherer”, die „satanische Hochfinanz” und die „Geldratten” unterscheiden sich im Duktus kaum von den rasenden Attacken der heutigen Bankenhasser. Auch sie vergleichen die „Spekulantenbrut” mit Tieren und stigmatisieren sie wahlweise als Haifische oder Raubtiere, unsere Wirtschaftsordnung sei ja schließlich ein „Raubtierkapitalismus”.
Der Schmarotzerbegriff – auch so ein trübes, polemisches Erbe der dreißiger Jahre – macht die Runde, worauf Politiker lauthals fordern, die „Heuschrecken” zu bekämpfen. Schon die Begriffe sind wie Bomben. Die geistigen Brandstifter unserer Tage sollten daher überdenken, mit welchem Feuer sie da spielen, bevor die ersten „Heuschrecken” umgebracht werden.
Es geht bei dieser Frage zusehends um die Integrität der Gesellschaft. Denn in ihr darf es keine Hass-Zonen und Hexenjagden gegen Banker geben, schon weil es so etwas gegen niemanden geben darf. In diesem Fall greift sich freilich die offene Gesellschaft doppelt selber an. Denn in Wahrheit sind unsere Banken mitnichten die Schmarotzer im gärenden Hefeteig des Wirtschaftssystems. Sie sind die Hefe.
Ihr Geldsystem erst ermöglicht es der Wirtschaft überhaupt zu funktionieren. Sie erleichtern Tausch- und Handelsgeschäfte, ihr Geldsystem rationalisiert Transaktionen, es eröffnet Transformationen über Zeiten und Räume hinweg, es macht Dinge und Dienstleistungen genau vergleichbar, es vereinfacht alle Arten der Akkumulation und mobilisiert Reserven. Kurzum: Banken machen eine komplexe, arbeitsteilige Wirtschaft überhaupt erst funktionsfähig. Sie dienen den Menschen in einem ganz fundamentalen Sinne. Gegen diesen großen Nutzen der Finanzwirtschaft zu polemisieren ist in etwa so, als würde man Krankenversicherungen als Feinde der Gesundheit bekämpfen.
Die Geschichte des demokratischen Europas ist eng verbunden mit der Akzeptanz eines freien Geldwesens. Feudalgesellschaften , Diktaturen und der Kommunismus brauchen keine freien Banken. In ihnen regiert der Befehl und es gilt das Abhängigkeitsprinzip. Die Allokation von Kapital folgt dort immer der Macht – und nicht der Maximierung von Nutzen. Die Geldwirtschaft ist hingegen ein zentrales Emanzipationsinstrument des freien Gesellschaft.
Die frühneuzeitlichen Bürger wussten, wie sie mit dem Geld den Adel entmachten konnten. Gegen deren Schlösser und Gutsherrenhöfe bauten die Bürger ihre Banken. Man muss nicht gleich der Meinung Dostojewskis sein („Geld ist geprägte Freiheit”), aber dass die Attacken auf Banken den Freiheitskern der Gesellschaft treffen, kann man erkennen. Dass der Angriff auf Menschen, die in Banken arbeiten, ein Attentat auf uns alle ist – das muss man sehen.
Zuerst erschienen im Handelsblatt