Ich muss da etwas weiter ausholen: Im Juli wollte ich gerne rückwärts ausparken, als dem Schatz auffiel, dass in der Zwischenablage ein Kuli vom Hilton-Hotel Frankfurt lag. „Warum hast Du einen Kuli vom Hilton-Hotel Frankfurt in der Zwischenablage liegen?“, wollte der Schatz wissen und während ich noch darüber nachdachte, warum ich einen Kuli vom Hilton-Hotel Frankfurt in der Zwischenablage liegen habe, ignorierte ich die Rückfahrkamera und knallte in den gegenüber geparkten Dacia des Nachbarn. Nun ist es im deutschen Recht so, dass ich den Schatz dafür nicht haftbar machen kann, dass er mich beim Rückwärtsausparken mit Fragen nach obskuren Kugelschreiberherkünften ablenkt, deswegen musste meine Autoversicherung den Schaden übernehmen. Was sie auch ungern tat und sich an mir mit einer höheren Beitragsrechnung für das kommende Jahr rächte.
Nun weiß ich ja als Liberaler um die Kräfte des Marktes und den freien Wettbewerb und Loyalität zum Versicherer hin oder her, ich dachte, ich könne doch mal nachfragen, ob ich nicht woanders billiger käme. Das Brot des Poeten ist ein karges, und man muss sehen, wo man bleibt. Ich hielt es für eine gute Idee, wenn ich einen Versicherungsmakler anriefe und ihn fragen würde, ob wir das nicht gemeinsam hinbekämen.
Als Digital Native warf ich also Google an und suchte mir einen Makler in meinem Schtetl aus. Und damit nahm das Drama seinen Lauf. Die Dame am Telefon war sehr verbindlich und fragte mich nach meinem Namen, was Sinn machte. Sehr gerne würde sie mir eine Berechnung machen, wenn ich ihr das Erstzulassungsdatum, das Erwerbsdatum, die Hersteller- und die Typschlüsselnummer verraten würde. Das war einfach, ich hatte mir die Mühle zum 50sten selbst geschenkt, und die Nummern sind 3333 und BER, wie der leere Flughafen. Sehr simpel. Das, so erklärte mir die freundliche Dame am Telefon, waren die sogenannten „harten Tarifmerkmale“. Die sind bei jedem Fahrzeug gleich. Um aber möglichst viele Rabattmöglichkeiten für mich abzuklopfen, müsse ich ein wenig über die Beziehung zwischen dem Fahrzeug und mir erzählen. Jetzt ginge es um die individuellen, also „weichen“ Tarifmerkmale:
Die ersten Fragen waren noch einfach. Ja, ich gedenke, ungefähr 12.000 Kilometer mit dem Diesel zu fahren. Nein, er steht nachts nicht in der Garage. Er wird nur von mir und dem Schatz genutzt, wenn keine Kulis in der Zwischenablage herumliegen. Ich habe keine Gebäudeversicherung, weil ich kein Haus habe und ich habe, Gott sei es gelobt und so er weiter will, keine minderjährigen Kinder mehr im Haushalt. Alle weg, die ganze Schokolade gehört nur dem Schatz und mir. Die Kleinen müssen sich selbst Schokolade kaufen.
Was passiert, wenn ich bei der Linken eintrete?
Was ich beruflich mache, wollte die Telefondame wissen. Denn, wenn ich Beamter wäre oder wenigstens so täte, dann bekäme ich noch einen Berufsnachlass. Für doofe freie Autoren, die nicht für den Rundfunk schreiben, gibt es den aber nicht. Und ob ich dieses Jahr einen Schaden mit dem Auto verschuldet hätte. Eigentlich war das der Schatz mit seiner misstrauischen Fragerei, aber das galt nicht. Ob ich eine Bahncard hätte? Denn, wenn ich eine hätte, dann würde ich das Auto ja nicht nutzen, dann wäre das billiger. Habe ich tatsächlich. Bahncard 50, zweiter Klasse, Fensterplatz mit Tisch und Nichtraucherabteil. Und ich habe eine Rabattkarte vom Lidl. Aber die galt jetzt wiederum nicht für die Autoversicherung.
Dann, so die Telefonfrau weiter, müsste sie wissen, ob ich eine PeP sei, das ist eine „politisch exponierte Person“, aber das gilt nicht für ehemalige Vorstandsmitglieder der FDP Höllenhausen. „Warum wollen Sie das wissen?“, wollte ich wissen. Es sei so, dass, wenn ich Bundestagsabgeordneter wäre, die Schäden, die ich anrichte, vom Bundestag übernommen würden. Wie bei Angela Merkel. Und damit letztlich von uns allen, was ich sehr schick fand. Das gäbe satt Rabatt. Ob da nicht ein Malus besser wäre, weil dann doch jemand mein Auto in die Luft sprengen könne? Nein, das würde ja dann auch der Bund bezahlen. Beruhigend.
Dann die nächste Frage: „Sind Sie Parteimitglied der AfD?“ Ich war verblüfft. „Gibt das auch einen Rabatt?“, wollte ich wissen. „Nein, einen Zuschlag!“, sagte sie. „Warum gibt es einen Zuschlag? Besteht denn da eine erhöhte Gefahr, dass mir Grönemeyer-Fans die Karre anzünden?“, fragte ich nach. Sie kicherte durchs Telefon: „Nein, aber wenn Sie AfD-Mitglied sind, dann sehen manche Versicherer die Gefahr, dass Sie mit dem Fahrzeug einen Terroranschlag begehen und vielleicht in eine Gruppe mit Leuten hineinfahren.“ „Kommen Sie, das ist jetzt ein Scherz!“, versuchte ich es verbindlich, „kein AfD-Mitglied ist je in eine Menschengruppe gefahren. Zumindest nicht in nüchternem Zustand.“ Aber sie blieb hart: „Ich muss das wissen: Sind Sie AfD-Mitglied?“ Und da war es bei mir vorbei. Ich fand einfach, dass sie das nichts anginge.
Ich hätte wahrheitsgemäß mit „nein“ antworten können, aber so weit wäre es noch gekommen. „Sie fragen jetzt ernsthaft meine politische Gesinnung ab?“, wollte ich sichergehen und schob ein „Ich bin Hardcore-Islamist und sollte eigentlich gar nicht mit Ihnen als Frau reden. Gibt das jetzt auch einen Zuschlag?“ hinterher. „Da steht hier nichts von“, quakte sie vom anderen Ende der Leitung zurück, „hier im Fragenkatalog geht es zuerst einmal nur um die AfD“. „Welcher Versicherer will das wissen?“, bohrte ich nach. „Das sehe ich nicht“, antwortete sie. „Ich trage jetzt einfach 'Nein' ein“, bot sie an. „Nein, das tun Sie nicht. Am Ende trete ich noch in die AfD ein und verliere dann meinen Versicherungsschutz!“, gab ich zurück und weiter: „Was passiert eigentlich, wenn ich jetzt lüge und habe dann einen Unfall? Meinetwegen auf dem Weg zum AfD-Parteitag?“ „Dann zahlen Sie das Doppelte von dem, was Sie hätten zahlen müssen und wenn Sie in eine Menschengruppe fahren, dann nimmt die Versicherung Regress bei Ihnen!“, antwortete sie fachkundig. „Okay, aber wenn ich aus der AfD wieder austreten würde, wenn ich in der AfD wäre – fiele der Zuschlag dann weg?“ „Ja, dann stellen Sie für die Versicherung ja kein erhöhtes Risiko mehr dar“, sagte sie und ich überlegte: „In welche Partei müsste ich eintreten, damit ich einen Nachlass bekomme?“ Und sie, wie aus der Pistole geschossen: „Grüne. Denn dann nutzen Sie das Auto nur im allerschlimmsten Notfall und machen alles andere mit dem Fahrrad. Sie retten damit dann auch den Planeten und das honoriert der Versicherer!“
„Und bei der Linken? Was passiert, wenn ich bei der Linken eintrete?“ Lachen am anderen Ende. „Wenn Sie bei der Linken wären, könnten Sie sich gar kein Auto leisten. Erst recht nicht so ein Auto!“, stellte sie fest. „Also habe ich eigentlich nur die Wahl zwischen Grünen für einen Rabatt und der AfD für einen Sicherheitszuschlag“, fasste ich zusammen. „Ja, so ungefähr“, gab sie zurück. „Okay, ich bin bei den Grünen“, log ich ihr zu. Daraufhin war das typische Klappern einer Tastatur zu hören und ein leises „Klick“, als sie anscheinend mit der Maus auf den „Berechnen“-Button drückte. „Da haben wir es ja schon: Ihr Anbieter mit 30 Prozent Beitrag unter dem Marktdurchschnitt ist die „Ecology-Insurance Berlin“. Ich freute mich. „Das ist prima. Die nehme ich.“, war ich begeistert. „Und dann fahre ich mit dem Auto zum AfD-Parteitag“, schob ich hinterher. Und da hat sie dann aufgelegt. Das war jetzt wahrscheinlich dann doch zu kompliziert.