Gastautor / 09.11.2021 / 06:25 / Foto: Imago / 200 / Seite ausdrucken

Paul Breitner und die schwarze Pädagogik

Paul Breitners Aussagen zu Kimmichs Impfentscheidung gegen Covid-19 sind autoritär und arrogant. Der Ex-Fußballstar ist ein typisches Kind der „geprügelten Generation“ – Das Individuum Kimmich soll sich gefälligst beugen.

Von Luca Tannek.

Banalste Alltagsgegenstände wie Kochlöffel oder Gürtel kennt jeder. Mit dem Kochlöffel koche ich mein Abendessen. Mit dem Gürtel sorge ich dafür, dass die Hose nicht rutscht und niemand auf den Verdacht kommt, dass ich kaum Hosen in meiner Größe besitze. Der tatsächliche Nutzen dieser beiden Gegenstände war aber nicht immer so banal und emotionslos. So manches Kind der Nachkriegszeit ist wahrscheinlich bis heute traumatisiert. 

Denn vor nicht allzu langer Zeit galten Kochlöffel und Gürtel noch als Erziehungshilfe. Instrumente schwarzer Pädagogik. Kinder wurden mit aller Gewalt und ohne Rücksicht auf Verluste zum Gehorsam erzogen. Oder wie die polnisch-schweizerische Psychologin Alice Miller in ihrem Buch „Evas Erwachen“ feststellt: „Unter der ‚Schwarzen Pädagogik‘ verstehe ich eine Erziehung, die darauf ausgerichtet ist, den Willen des Kindes zu brechen, es mit Hilfe der offenen oder verborgenen Machtausübung, Manipulation und Erpressung zum gehorsamen Untertan zu machen.“ 

Dieser Erziehungsstil ist weitstgehend in Deutschland ausgestorben. Trotzdem lebt sein Geist in so manch prominenter Person weiter. Vergangenes Wochenende war es wieder so weit. Der „Sonntags-Stammtisch“ wurde auf BR24 gesendet. Regelmäßig geht es in der Talkshow um aktuelle Themen, diesmal auch um Sport, explizit den deutschen Profi-Fußball. An den mit kaltem Weißbier garnierten Einzeltischen durften sich diesmal folgende Gäste setzen: Die Grünen-Politikerin Jamila Schäfer, die Politikwissenschaftlerin Ursula Mönch, der Verkehrswissenschaftler Tilman Schöberl und die Legende des FC Bayern, Ex-Profi Paul Breitner. 

Breitners Anwesenheit war kein Zufall. Schließlich musste auch er seine Kritik zu Joshua Kimmichs Nicht-Impfung äußern, nachdem etliche Journalisten, Politiker und „Ethik“-Ratsmitglieder sich an dem jungen Fußballspieler festbissen wie Hyänen an einem verletzten Elefanten.

Impfverweigerer betrieben „vorsätzliche Körperverletzung“

„Also grundsätzlich hat das mit einer Vorbildfunktion überhaupt nichts zu tun. Sondern es geht um ihn.“ Mit diesen beiden Sätzen beginnt Breitner seine Stellungnahme. Mein erster Eindruck war tatsächlich entspannt, als ich das hörte. Einerseits fand ich dieses Vorbild-Gedöns ohnehin von einigen Medienschaffenden unerträglich, vor allem, weil sie sich selbst die Autorität nahmen zu entscheiden, wann Kimmich diese Vorbildfunktion erfüllt. Andererseits erstaunte mich, dass Breitner sich mit dem Individuum Kimmich beschäftigt. Denn genau das wurde bei dieser medialen Jagd kaum gemacht.

In nur wenigen Sekunden verabschiedete sich aber meine entspannte Gemütslage. Denn das Interesse an dem Individuum Kimmich hatte ich wohl missverstanden. Der Bayer zitierte Jürgen Klopp, Trainer des Liverpool FC, dass eine Impfablehnung genauso gefährlich sei, wie stark alkoholisiert Auto zu fahren. Laut Breitner begeht Kimmich mit seiner Entscheidung „vorsätzliche Körperverletzung“. Weiter poltert er mit unerreichbarer Hochnäsigkeit: „Ich brauche mit niemandem darüber zu diskutieren, ob er sich impfen lassen soll oder nicht. Für mich gibt es nur die Richtung, sich impfen zu lassen.“

Nach kurzer Diskussion über seine Aussagen, die von den Mitdiskutanten weitestgehend unkritisch behandelt wurden, machte Breitner unmissverständlich klar, was er mit dem ungeimpften Kimmich als Trainer machen würde: „Der hätte bei mir nicht gespielt, nicht einmal mit uns trainiert.“ Kimmich hätte also abgekoppelt von der Mannschaft trainieren müssen.

Paul Breitners Aussagen zu Kimmichs Impfentscheidung gegen Covid-19 zeigen, welches Menschenbild Breitner hegt – eines, das erstaunlich antiquiert zu sein scheint. Vor allem für jemanden, der zumindest einmal Soziologie und Psychologie studiert, wenn auch abgebrochen hat.

Für mich ist Paul Breitner ein Kind „der geprügelten Generation“, so der Name des Buches von Ingrid Müller-Münch, in dem sie über die Erziehung der Nachkriegsgeneration schreibt. Explizit geht sie auf die schwarze Pädagogik ein, die Kinder damals erleiden mussten. Wer damals Autoritäten ignorierte, bekam dies zu spüren. Körperlich. Spätestens nach Breitners Vorschlag, Kimmich von der Manschaft zu isolieren, wurde mir alles klar. Natürlich geht es Breitner nicht um eine Vorbildfunktion. Ihm geht es ganz bewusst „um den Einzelnen“. 

Einem Menschen mit solch kollektivistisch-autoritärer Haltung ist es enorm wichtig, was der Einzelne macht. Schließlich darf der Einzelne auf gar keinen Fall abweichen und den Absolutheitszustand einer Gruppe gefährden. Das Individuum Kimmich soll sich anpassen. Es soll sich gefälligst beugen. Es soll stramm auf der Linie stehen. Wenn auch ohne Kochlöffel oder Gürtel.

Dieser Beitrag erschien zuerst bei Neomarius.

 

Luca Tannek ist 21 und kommt aus Bayern. Zurzeit studiert er in Magdeburg. 

 

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K. Anton / 09.11.2021

Die ganze Lebenserfahrung eines 21-Jährigen…

Bernd Eck / 09.11.2021

Menschen wie Breitner sind die schlimmsten Mitläufer und Mittäter überhaupt, auf dem ein Unrechtsstaat basieren kann. Grenzt er nicht aktuell auch Menschen von der Tafel aus, die er unterstützt, in dem er sie unter das G-Regime gestellt hat? Was erlaubt er sich, so über eine andere Person zu erheben? Menschen, die die Impfung ablehnen, sind keine dummen Menschen, sondern sind aufgrund ihres Nachdenkens durchaus in der Lage, Chance und Risiko für sich abzuwägen. Dazu hat jeder das Recht, ohne das ein Breitner dazu etwas sagen muss und sagen sollte. Das gilt auch für alle anderen Geifernden in diesem Fall. Der Begriff der Solidarität im Zusammenhang mit der Impfung (die keine klassische Impfung ist), ist falsch, weil Sie weder vor Ansteckung, Weitergabe und noch nicht einmal vor einem Krankenhausaufenthalt schützt. Das schaffe ich besser mit Gurgeln und Vitamin D; völlig nebenwirkungsfrei. Menschen wie Breitner sind die wahre Pest innerhalb einer Gemeinschaft; leider werden sie es selbst niemals bemerken. Dazu halten Sie sich selbst für zu wichtig.

Herwig Mankovsky / 09.11.2021

Und die ,,weiße Pädagogik” hat frei denkende und sprechende,  von keiner vorgegebenen Korrektheit verbogene Generationen hervorgebracht ? Wenn ich mir die engen Gesinnungskorridore, in denen sich heute die Jungen gefügigst bewegen, sage ich nur: Werter Herr Tannek, überdenken sie ihren Beitrag noch einmal!

Lutz Herrmann / 09.11.2021

Das ist keine schwarze Pädagogik einer verkorksten Generation, das ist einfach nur deutsch. Immer noch. Im Deutschunterricht gibt’s Einsen nur noch für geimpfte Kinder, laut meinem Erstgeborenen. Naja, wenigstens hängt’s nicht mehr am Job der Eltern, wie noch zu meiner Schulzeit.

Gerhard Schmidt / 09.11.2021

Ausgerechnet Breitner, der Maoist mit dem Afrolook - Der galt doch damals als soo “fortschrittlich” und “liberal”...

Klaus Alfs / 09.11.2021

Nachtrag zu Kants Stufenmodell: 1: Disziplinierung, 2: Kultivierung, 3: Zivilisierung, 4: Moralisierung. Kant meint, dass jede Stufe auch „nachträglich“ erreicht werden kann, mit Ausnahme der Disziplinierung. Wenn die Disziplinierung nicht gelingt, ist alles im Eimer. „Disziplinierung“ und „Zucht“ klingen für uns heute martialisch. Damit ist aber nicht schwarze Pädagogik gemeint, sondern, dass kleine Kinder ihren Trieben und Impulsen ausgeliefert sind und Hilfe brauchen, sie zu beherrschen, um freie Menschen werden zu können. Denn wer jedem Triebwunsch nachgeben muss, ist unfrei.

Ernst-Friedrich Behr / 09.11.2021

Paul Breitner war schon, als er noch als Fußballprofi viel Geld kassierte, ein typischer Vertreter der Generation der Achtundsechziger. Ich erinnere ihn als guten Fußballspieler und gleichzeitig als politischen Kotzbrocken und Besserwisser. Er nahm für sich alles Geld und alle Freiheiten in Anspruch, die ihm damals geboten wurden, wollte aber das “System” überwinden und sich dann die Freiheit herausnehmen, allen anderen vorzuschreiben, was sie denken und sagen dürfen und wie sie zu leben haben. Offensichtlich hat er sich im Alter nicht geändert.

Tobias Meier / 09.11.2021

Der FC Bayern hat die Angewohnheit, seinen altgedienten Koryphäen auch nach der Karriere einen Platz in der Vereinsfamilie zu geben, siehe bspw Uli Hoeneß, Karl-Heinz Rummenigge oder Olli Kahn. Die Liste ließe sich beliebig erweitern. Nicht ohne guten Grund dürfte Breitner es nie zu einer nennenswerten Funktion in seinem alten Club gebracht haben, ungeachtet seiner sportlichen Erfolge. Ansonsten zeigen die Ausführungen einmal mehr den neuen Geist in diesem Lande, der Vielfalt, Buntheit und was weiß ich propagiert und tatsächlich Autorität, Uniformität und Linientreue vorgibt bzw verlangt.

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