Joachim Nikolaus Steinhöfel / 20.12.2019 / 11:45 / Foto: Achgut.com / 31 / Seite ausdrucken

Passwort her! – Die Verfassung kommt später

Historisch gesehen war das Justizministerium immer auch der Hüter der Werte unserer Verfassung. Dieses Vertrauen in die Institution wurde spätestens in der Regentschaft des aktuellen Außenministers Heiko Maas (SPD) schwer erschüttert. Wer miterlebt hat, mit welcher Kaltschnäuzigkeit sich das Justizministerium und dann die große Koalition in der letzten Legislaturperiode über die massiven verfassungsrechtlichen Bedenken hinweggesetzt und das Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) verabschiedet hat, war sprachlos. Nie werde ich vergessen, was die ja von den Parteien selbst benannten Sachverständigen im Sommer 2017 im Rechtsausschuss des Bundestages auf die Frage der Abgeordneten zur Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes geantwortet haben. 

Sie erklärten den Gesetzesentwurf für: “verfassungswidrig, europarechtswidrig”, hielten “schwerwiegende Grundrechtseingriffe (für) denkbar”, “Das Gesetz wird in Karlsruhe scheitern. Das Bundesverfassungsgericht wird seine Rechtsprechung zur Meinungsfreiheit nicht vom Netzwerkdurchsetzungsgesetz faktisch einebnen lassen”, hieß es, “Facebook wird gedrängt, Richter über die Meinungsfreiheit zu sein, ohne dass dies rechtsstaatlich begleitet wird. Das Gesetz bedroht die Meinungs- und Pressefreiheit”, man habe “ausdrückliche verfassungsrechtliche Bedenken”, es sei “nicht verfassungsgemäß”.

Kurze Zeit später passierte das Gesetz den Bundestag, und die von mir schon im Vorfeld befürchtete „digitale Massenvernichtung freier Rede“ ist zwischenzeitlich Realität. Es geht bekanntlich so weit, dass der Wortlaut von Petitionen, die sich auf der Website des Deutschen Bundestages befinden, preisgekrönte ARD-Serien („Entweder Broder – Die Deutschland-Safari“), Zitate von Robert F. Kennedy oder – im Prozess vor dem LG Dresden eingestandenermaßen sogar vollautomatisch – Links zu Artikeln im Nachrichtenmagazin „Focus“ gelöscht und die Nutzer mit Sperren bestraft werden. Für das Gesetz mitverantwortliche Politiker wie der CDU-Abgeordnete Carsten Müller sprechen allerdings trotzdem noch im Mai 2019 im Bundestag davon, dass die Meinungsfreiheit nicht eingeschränkt werde, dass es kein Overblocking gebe und das NetzDG funktioniere.

Es werden alle Grenzen überschritten

Anscheinend wird aber immer noch nicht genug gelöscht, denn anstatt das verfassungswidrige Gesetz abzuschaffen, will die Bundesregierung es sogar noch verschärfen. Jetzt liegt der „Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität“ vor. Dass nur Rechts-, nicht aber auch Linksextremismus bekämpft werden soll? Geschenkt.

Ich halte die Justizministerin Lambrecht (SPD) für eine perfide und gefährliche Frau. Ich habe Zweifel, ob sie noch eine Demokratin ist. Was ihr Ministerium hier unter dem Deckmantel der Extremismusbekämpfung und der untauglichen Floskel der „Hassrede“ vorlegt, ist ein Gesetz, das mit kalter Gleichgültigkeit elementare Grundrechte schleift. Ob ein Gesetz auf den ersten Blick erkennbar verfassungswidrig ist, interessiert die Justizminister der SPD und die große Koalition schon lange nicht mehr. Aber hier werden alle Grenzen überschritten.

„Soll hier unter dem Deckmantel der Bekämpfung von Rechtsextremismus nun von den Sicherheitsbehörden Zugang zu Informationen erlangt werden, die man immer schon wollte?“ fragt selbst die Grüne Renate Künast.

Großer Schritt in Richtung totaler Kontrolle

Lambrecht will die Internetüberwachung massiv ausweiten. Anbieter sollen unter anderem die IP-Adresse an das Bundeskriminalamt weitergeben müssen. Was allerdings deren Speicherung voraussetzt, ein Schritt, der weit über die höchst umstrittene Vorratsdatenspeicherung hinausgeht. Noch wesentlich weitergehender ist das Vorhaben, alle Telemediendienste von Facebook bis zur Plattform der Katzenfans zu verpflichten, Strafverfolgern und Geheimdiensten „sämtliche unternehmensinternen Datenquellen“ herauszugeben. Zu diesen „unternehmensinternen Datenquellen“ gehören ausdrücklich auch Passwörter. Eine bloße Ordnungswidrigkeit soll genügen, um einen entsprechenden richterlichen Beschluss erwirken zu können. Das digitale Innenleben der Bürger wird dem Staat ausgeliefert.

Diese Gesetzesänderung wäre ein weiterer, großer Schritt in Richtung totaler Kontrolle, in Richtung Überwachungsstaat. Dass sich die Oppositionsparteien nicht dazu durchringen konnten, trotz einheitlicher Ablehnung des NetzDGs gemeinsam das Verfassungsgericht anzurufen, rächt sich jetzt. Ein schwerer politischer Fehler, der seine Gründe allein in parteipolitischem Opportunismus bei FDP, Bündnis90/Grüne und Linken hatte.

All das war absehbar. Justizminister Maas schrieb für die Broschüre der „Amadeo-Antonio-Stiftung“ zum Umgang mit „Hate Speech“ das Geleit- und die Ex-Stasi-IM Anetta Kahane das Vorwort. In dem Vorwort des früheren Stasi-Spitzels heißt es:

Der Andersdenkende wird kriminalisiert und entmenschlicht

„Und weil Hass sich niemals verbraucht, nie aufhört oder von allein verschwindet, macht er immer so weiter, genau wie ein Tier, das zwar keinen Hass kennt, aber seinen Reflexen ausgeliefert ist. Menschen also, in denen ein tiefer Hass brennt, dessen eigentliche Ursache sie aber nicht verstehen wollen, sind am Ende dieser Kette eher animalisch als human. Das ist auch so, wenn sich dieser Hass politisch ausdrückt.“

Der Andersdenkende wird von Kahane pathologisiert, kriminalisiert und schließlich entmenschlicht, mit einem Tier gleichgesetzt. Das ist Nazi-Jargon, die perfekte Definition von Hassrede: Die Entmenschlichung durch den Vergleich mit Tieren, Insekten, Ungeziefer, Krankheiten oder anderen nicht-menschlichen Dingen. Man findet Hassrede in einer steuerfinanzierten Broschüre gegen Hassrede. Und statt sein „Geleitwort“ zu dieser Broschüre zurückzuziehen, lässt Maas es bis heute online.

Das Gesetzesvorhaben seiner Nachfolgerin Lambrecht ist die perfekte gesetzliche Umsetzung dieser Ideologie. Er sieht ein Instrumentarium vor, das einer Demokratie unwürdig ist.

Dieser Beitrag erschien zuerst auf der Homepage von Joachim Nikolaus Steinhöfel.

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Albert Sommer / 20.12.2019

Das nächste was dann in diesem Regime auch noch fallen wird ist das Postgeheimnis und die unverletzlichkeit der Wohnung. “Wahlen” gab es in der DDR bekanntlich auch…

R. Lichti / 20.12.2019

„Und weil Hass sich niemals verbraucht, nie aufhört oder von allein verschwindet, macht er immer so weiter, genau wie ein Tier, das zwar keinen Hass kennt, aber seinen Reflexen ausgeliefert ist. Menschen also, in denen ein tiefer Hass brennt, dessen eigentliche Ursache sie aber nicht verstehen wollen, sind am Ende dieser Kette eher animalisch als human. Das ist auch so, wenn sich dieser Hass politisch ausdrückt.“      //      . Nachdem ich in die Broschüre reingeschaut habe, konnte ich feststellen, dass dieser Text unter dem Bild von Frau Kahane veröffentlicht wurde. Hat sie da eine Selbstdarstellung ihres Denkens niedergeschrieben? Wenn das so ist, würde das dafür sprechen, dass Frau Kahane bewusst ist, dass sie sich auf dem Niveau der Sozialisten der Episode 33-45 bewegt und dass sie an sich selbst arbeitet, um auch Teil einer demokratischen und offenen Gesellschaft zu werden. Dazu müsste aber ihre erste Reaktion sein, ihr weitverbreitetes Netzwerk, das meiner Meinung nach ausschließlich zum Befeuern und Verstärken von Hass und Hetze dient, schnellstmöglich stillzulegen oder sich zumindest davon distanzieren, sofern ihr die Kontrolle darüber entglitten ist.  Davon ist mir aber bisher nichts zu Ohren gekommen. Ist da was an mir vorbeigelaufen?

Juliane Mertz / 20.12.2019

Irgendeine vorherige Verordnung verpflichtete sämtliche Anbieter, Passwörter nur noch verschlüsselt zu speichern (damit eine digitaler Einbrecher damit nichts anfangen kann). Sie können also keine Passwörter herausgeben, weil sie sie nicht kennen.

Frank Stricker / 20.12.2019

Gut dass die SPD demnächst Geschichte ist und solche Dilettanten wie Frau Lambrecht demnächst in irgendeinem Ministerium oder der Friedrich-Ebert Stiftung mit Besoldungsklasse A 15 Kaffee kochen dürfen oder den Kopierer auf Vordermann bringen dürfen. Schon mit ihrer hilflosen Haltung gegenüber der “Generation Schulschwänzer (FFF)” hätte man sie rückstandslos entsorgen müssen……...

Thomas Brox / 20.12.2019

Bald wird es solche Artikel nicht mehr geben. Der überdimensionierte, ineffiziente “Staat” entwickelt sich zu einer grün angestrichenen sozialistischen Diktatur, der Beginn eines grün angestrichenen Stalinismus. Die Entwicklung ist vollkommen logisch, und der Mechanismus ist schon lange bekannt. Theoretisch analysiert beispielsweise von Friedrich Hayek (Der Weg zur Knechtschaft), literarisch dargestellt etwa von George Orwell (Farm der Tiere). Durch krasse, systembedingte Fehler (ich schenke mir die Aufzählung) gerät die deutsche Gesellschaft zunehmend in Schieflage, die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit sinkt ab, das Verhältnis von unproduktiven zu produktiven Bereichen wird immer schlechter. Der Zugriff des Staatsapparats auf die Arbeitsleistung und das Eigentum der Bürger wird immer rabiater. Daher schwindet die Legitimation in großen Teilen der Bevölkerung. Zur Erhaltung der Macht, und damit der Privilegien, werden die Schrauben immer weiter angezogen. Aufgrund der nur ganz schwach ausgeprägten Gewaltenteilung (im Grunde gibt nur eine Exekutive), und der inhärenten Korruption durch staatliche Pfründe, gibt es kaum institutionelle Widerstände gegen diese Entwicklung. Die private Mainstream-Presse hat Angst oder wird durch Subventionen korrumpiert. Klar sichtbar ist auch das Versagen der EU-Institutionen: Spätestens jetzt müsste ein Verfahren wegen Rechtsstaats-Verletzung eingeleitet werden.

Ilona Grimm / 20.12.2019

@Sabine Schönfelder: «Aber was ist mit den Profis los? Wieso formieren sich nicht Rechtsgeschulte?....... Anwälte, Richter und Rechtspfleger zum demokratischen Aufbruch und bitten die Bevölkerung um Unterstützung??» Nach meiner eigenen Erfahrung (ich habe mich lange Zeit in Juristenkreisen bewegt) gibt es kaum eine Berufsgruppe, die untertäniger ist als Rechtsgeschulte: immer mit treuem Hundeblick auf die zeitgeistige Obrigkeit und deren Befindlichkeit. Natürlich bestätigen Ausnahmen die Regel, wie selbstverständlich der verehrte Herr Steinhöfel, den ich auch finanziell in seinen Bemühungen unterstütze, und Achse-Foristen, die sich als Juristen geoutet haben.  Auf den breiten Widerstand unter der Parole “PASSWORT: WIDERSTAND” kann man zwar hoffen, zählen würde ich darauf jedoch nicht.

Wilfried Paffendorf / 20.12.2019

Herr Wilfried Cremer. Mein erster Gedanke war auch: warum nicht gleich alle Wohnungen verwanzen und mit Kameras spiecken? Natürlich nur die Wohnungen, in denen das “Pack” haust. Die “Eliten” werden sich schon ausnehmen von jeder staatlichen Bespitzelung.

P. F. Hilker / 20.12.2019

Helmut Schelsky sagte mal sinngemäß, es brauche weniger Demokratie und mehr Freiheit.

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