Fabian Nicolay / 22.11.2009 / 10:09 / 0 / Seite ausdrucken

Osho macht frei

Von Fabian Nicolay

Tim sagt, das sind noch nicht einmal fuck buddies. Henryk meint, sie seien schlimmer als die Emma-Frauen. Ich finde, das ist zu kurz gegriffen. Osho-Gefolgsleute sind weit facettenreicher, als man denkt. Nur keine Vorurteile!

Eine Typologie.

Die Erleuchtungshungrige
Glaube und Aberglaube setzen kein Wissen voraus. Sekten nutzen dies bekanntlich aus, indem sie jede Ignoranz-Nische als Erleuchtung verkaufen. Kein Wunder, dass sich jede Wissens-Abstinenzlerin den letzten Rest Verstand am Opferfeuerchen wegbrennen lässt. Da hilft auch der obligatorische rote Punkt auf der Stirn nichts. Dumm bleibt dumm – das sieht man der “Erleuchtungshungrigen” am eingefrorenen Halblächeln an. Sie hält sich für was Besseres – eigentlich ist sie aber nur das gemeine Beutetier des “Besteigers”, dem auch versteinerte Gesichter nichts ausmachen.

Der Gescheiterte
Scheitern ist die Urmutter der Allmachtsfantasie. Adolf Hitler hätte eine Kunstkarriere eingeschlagen, wäre ihm mit der Ablehnung der Kunstakademie nicht etwas dazwischen gekommen. Die Gründung einer Zerstörungssekte war die Folge. Der Neuzeitliche Allmachtsfantast geht als promovierter Akademiker zu Osho, weil er eingesehen hat, dass er mit seinen Ideen immer zu spät kommt und beim Sex immer zu früh. Trotzdem hat der “Gescheiterte” die Genugtuung, dass der Entzug seines Übermenschentums der Gesellschaft weh tut. Er trägt jetzt lange graue Haare offen, schlendert o-beinig in Pluderhosen durchs Meditations-Café und verteilt Flyer.

Die Enttäuschte
Sex ist ein schwieriges Thema für diese geborene Umarmerin. Doch leider wollen die Männer immer mehr als ihr lieb ist. Besonders schwierig wird es, wenn die “Enttäuschte” Entspannungstechniken vorschlägt, die die Energiepunkte der Körpermitte nicht ansprechen. Da läuft auch der wohlmeinendste Kuttenträger davon und besinnt sich der alten Tage. Schließlich hat der Meister in den Siebziger Jahren tantrische Karnickelübungen zum Hauptbestandteil seiner Meditationen ausgerufen. Die “Enttäuschte” fühlt sich auch weiterhin missverstanden und verhermt zunehmend.

Der Besteiger
Auf dem Pfad des Lichts werden so manchem die Neuronen mariniert. Der Typus “Besteiger” hat aber nicht einmal eine Minimaldämmerung erlebt. Das findet er ganz in Ordnung, denn er hat ohnehin anderes im Sinn. Nach zwanzig Jahren Ashram weiss er, dass Meditation das Denken ausschalten soll. Er schummelt aber, denn seine Gedanken kreisen immer um das eine. Ganz pragmatisch verklärt er sein Geschlechtsteil zur metaphysischen Antenne und sondiert damit die Lage. Als Realist weiß er, dass das totaler Quatsch ist, aber die Weiber fallen reihenweise darauf rein.

Die Geflüchtete
Dieser Typus ist die Urform des jogischen Pantoffeltierchens. Ursprünglich kam sie nach Indien, weil sie im Weggehen schon einen Sinn mehr sah als im Bleiben. Sie wollte dienen und ging darin auf, den 53ten Rolls-Royce ihres Meisters zu finanzieren. Man trifft sie siebzigjährig auch heute im vollen Ornat der Anhängerin (Kutte, Kette, Sandalette). Aufgrund ihres Alters lassen wir der alten Dame ihr Weltbild. Die Flucht aus dem Ashram gelingt ihr in diesem Leben ohnehin nicht mehr.

Der Falsch-in-diese-Welt-Hineingeborene
Seine Freundin hat Schluss mit ihm gemacht. Er hat Selbstmitleid und ist echt nachtragend. Er fühlt sich vom Leben betrogen und sein protestantischer Gott hat sich von ihm abgewendet. Er ist fertig mit der Welt und definitiv fehl am Platz. Mit seinem Dauer-Lamento hat er die akustischen Kapazitäten seiner Freunde und Verwandten derart ausgeschöpft, dass er zwangsläufig auf Wanderschaft gehen muss, um nach Besitzern noch unbenutzter Gefühlswatte zu suchen. Solche empatischen Menschen findet er anscheinend bei Osho zu Hauf. Er irrt aber fatal. Der anfänglichen Begeisterung weicht bald die bittere Erkenntnis, dass hier alle auf dem falschen Trip sind. Er ruft bei einer ehemaligen Klassenkameradin in Deutschland an, die ihn schon immer irgendwie mochte. Spontan beschließt er, nach Hause zurückzufliegen, um sein Studium der Sozialwissenschaften wieder aufzunehmen und öfter diese ehemalige Klassenkameradin zu treffen. Die ganzen Oshobücher wirft er am Flughafen Mumbai verstohlen in die Mühltonne. Später erinnert er sich daran, dass ihm das Essen in Indien einfach nicht bekommen ist.

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