Hubert Geißler, Gastautor / 31.07.2023 / 14:00 / Foto: Pixabay / 16 / Seite ausdrucken

Neues vom Schrauber: Drehbank aus Nordkorea

Mein Schrauberbruder hat einen Schwarzen Schwan gesichtet, und zwar in Form einer uralten nordkoreanischen Drehbank, die er instand setzen sollte. Ich wiederhole es nochmal: Im schönen Schwabenland tauchte eine Drehbank aus der People's Republic of North Korea auf und wurde von meinem Bruder wieder in Gang gesetzt.

Ob die Wirtschaftswissenschaften tatsächlich im engeren Sinne eine Wissenschaft sind, wird sogar gelegentlich von ihren Anhängern in Zweifel gezogen. Manchmal erinnern ihre Begriffe und Methoden nämlich sehr an Hexerei und Hokuspokus. Das Einzige, was sicher ist, ist, dass im Nachhinein jedes überraschende Ereignis erklärt werden kann. Ob die Kurse nun steigen oder fallen, niemand kann es mit Sicherheit prognostizieren, und hinterher ist man immer klüger.

Die Römer und Etrusker glaubten an die Vogelschau, und auch die Experten der Ökonomie kennen den Begriff des „Schwarzen Schwans“, eine Metapher für eine Entwicklung oder ein Ereignis von übler Vorbedeutung, das in der Regel einen „Schwarzen Freitag“ einleitet. Da hilft kein Kaminkehrer und auch keine schwarze Katze von rechts.

Mein Schrauberbruder hat nun einen solchen Schwarzen Schwan gesichtet, und zwar in Form einer uralten nordkoreanischen Drehbank, die er instandsetzen sollte. Ich wiederhole es nochmal: Im schönen Schwabenland tauchte eine Drehbank aus der People's Republic of North Korea auf und wurde von meinem Bruder wieder in Gang gesetzt. Wie er vermutete, war sie zum Schrottwert erworben worden, wo auch immer, und bezüglich ihrer Qualität bemerkte er: „Wenn die da mit so einem Teil ihre Raketen schleifen, dann weiß ich auch nicht!“

Nach einer nordkoreanischen Drehbank ist alles möglich

Jeder kennt den Fall, dass ein geliebtes Fahrzeug, nachdem der TÜV die Scheidung durchgezogen hat und eine Renovierung aus Kostengründen nicht mehr empfehlenswert war, den Weg in die Dritte Welt antritt, vorzugsweise in den Osten oder nach Afrika. In meinem Fall war es ein grüner VW-Bus, den ich günstig von der Münchner Polizei erworben hatte (und der schon in meiner Ära gute Dienste als Sammeltaxi in der Türkei geleistet hat), und mein absolut liebstes Auto, ein Toyota Camry, der mit 450.000 Kilometern auf dem Tacho nach Westafrika ging und vermutlich immer noch im Einsatz ist. Sozusagen ein europäisches Havannasyndrom für TÜV-Opfer, wobei das Brauchbare gen Süden wanderte und dort weiterhin verwendet wurde.

Aber nun: Eine nordkoreanische Drehbank hier? In einer deutschen Halle? Was erwartet uns als Nächstes? Wenn in naher Zukunft der chinesische Autotsunami über uns hinweg geschwappt ist, kommen dann auch Kim Jong-uns Verbrenner? Knatternde Kraniche in der Morgenröte? Haben die überhaupt Fahrzeuge außer Raketen?

In einem Bereich sind sie bereits einflussreich, bei den Herrenfrisuren. Mein Sohn schneidet mir immer die Haare, man muss ja sparen. Auf seine Frage, wie ich es haben möchte, antwortete ich: „Hinten und an den Seiten kurz, oben länger.“ Und er erwiderte nur: „Kim Jong-un?“ Gut, wir hatten schon den Mao-Look und Ähnliches, aber was erwartet uns noch, wenn es so weitergeht? Mongolische Filzeinfamilienhäuser? In Kindergärten werden sie bereits aufgestellt.

Kongolesische Kühlschränke? Nach einer nordkoreanischen Drehbank ist alles möglich. Das war der Schwarze Schwan, eindeutig, da gibt es kein Vertun! Die Reparatur ist übrigens geglückt, mehr oder weniger jedenfalls. Es lag am Getriebe, einem bestimmten Zahnrad. Die Werkstücke mussten halt noch mit Feile und Schleifpapier nachbearbeitet werden. Aber das eröffnet einen neuen, frischen Blick auf das Problem der kommenden Deindustrialisierung. Es ist nicht alles auf einmal weg. Nein, die Techniken vergangener Jahrhunderte kommen wieder. Wir empfehlen: Ersatzteile bunkern. Vor allem Gasheizungen. Kreativität ist gefragt. Was nicht passt, wird passend gemacht. Deutschland ist doch sowieso das Land der Mülltrennung und Wiederverwertungsideologie. Werden wir doch zum weltweiten Upcyclingshub: Also immer rein mit dem Schrott, wir schaffen das!

Hubert und Bernhard Geißler.

Hubert Geißler stammt aus Bayern und war Lehrer für Kunst/Deutsch/Geschichte. Er schreibt diese Serie zusammen mit seinem Bruder. 

Bernhard Geißler gehört zu den sogenannten Fachkräften und Technikern, also zum gut ausgebildeten Teil der produktiven Arbeiterschaft, hier kurz „Schrauber“ genannt. Der arbeitet viel, kommt aber selten zu Wort, was diese Serie ein wenig wettmachen will.

Foto: Pixabay

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F. Auerbacher / 31.07.2023

Ach, Herr waidjuk, manchmal haben Begriffe mehrere Bedeutungen. Sie sollten nicht nur bei Popper nachlesen, sondern auch mal bei Taleb oder zumindest bei Wikipedia Stichwort “Black Swan (Risiken)”. Nix für ungut, nur der liebe Gott weiß alles. Aber Hubert Geißler ist Lehrer und ein Lehrer weiß alles besser.

Wolfgang Richter / 31.07.2023

“Kongolesische Kühlschränke? ” Auf jeden Fall zur Bewältigung unserer “Strom-Krise” die mit einem Innovationspreis geehrten kenianischen Fernseher, die als Nebenprodukt Elektrizität ins Netz einspeisen (würden). Eine der Habeckschen Wunderwaffen, quasi die Speerspitze der energiepolitischen “Armee Wenck”.

Claudius Pappe / 31.07.2023

Als Lehrer für Kunst und Geschichte über die arbeitende Bevölkerung schreiben…...................Ich habe neulich eine norwegische ( oder war es eine schwedische ? ) Waschmaschine repariert ( war mal ganz ganz früher eine deutsche Firma ).............Darf ich jetzt auch einen Artikel darüber schreiben ? Ich schreibe demnächst als Elektroingenieur Wirtschaftsempfehlungen, und das kann ich tausendmal besser als ein gewisser Märchenbuchmitautor….....

Ralf Leistner / 31.07.2023

Und was soll daran neu sein. Aus Sch***e Gold zu machen war bei uns Alltag. Improvisieren ein Muss. Aber halt, es ging ja um Schwaben. Da ist das wohl tatsächlich was neues. Wie sagte doch einst ein kluger Mann: “Ich komme aus der Zukunft. Ich komme aus der DDR”

A. Griessmann / 31.07.2023

@Dr. Joachim Lucas: Nach N.-Korea kann man schauen, muss man aber nicht. In den seinerzeit sog. “neuen” Bundesländern war das gängige Praxis und wurde von den heute >50-jährigen nie verlernt. Es mag sein, dass handwerkliche Fertigkeiten, fehlende Handwerker, fehlendes Material usw. zu Improvisationen verleiteten. Hat es etwas geschadet? Ich meine nicht.

finn waidjuk / 31.07.2023

Das mit dem “Schwarzen Schwan” haben Sie aber gründlich missverstanden, Herr Geißler. Er ist mitnichten eine Metapher für ein Ereignis von übler Vorbedeutung sondern ganz einfach für ein unwahrscheinliches, aber nicht unmögliches Ereignis. Also völlig wertfrei, oder, wie Karl Popper sagte, ein Beispiel für eine deduktive Falsifizierung. Das Auftauchen einer nordkoreanischen Drehbank in Deutschland war zwar nicht unbedingt zu erwarten, aber daraus irgendwelche Schlüsse für die Zukunft zu ziehen ist Unfug. Das auf Deutschland neben einem schwarzen Freitag auch ein schwarzer Samstag, Sonntag, Montag, Dienstag, Mittwoch und Donnerstag zukommt, kann man fairerweise unmöglich einer armen Drehbank aus Fernost anlasten.

Johannes Schuster / 31.07.2023

Typisch deutsch: Motzen aber keine Firma aufmachen, typisch Lehrer ! Ja, wenn man Lehrer ist und die Welt ist woke, dann nenne ich das ein klassisches Fehlprodukt aus dem Unterricht. Hätten die Pädagogen früher besser gebaut, wäre heute nicht so ein Ramsch im Umlauf. Ich kann mich an die blöden Bemerkungen meiner Lehrer erinnern, allesamt mehr oder minder narzisstisch, die sich mit Häme über meine Affinität zur Aerodynamik hermachten, vorzugsweise so dämliche SPD - Hengste und Kollegiumsbefruchter. Das Wort “Schule” reicht und ich benehme mich wie ein Veteran des Vietnamkriegs beim Anblick von Reissuppe. Lehrer und Charlies ... Und jetzt mal ohne Späßchen mit Hämorride: Es motzen doch die Babyboomer über das, was sie selbst gesät haben. Und wem die PRNC - Ware nicht passt: Macht es besser und fabriziert nicht immer nur unfähige Politikstudenten ! Noch jemand eine Watschen gefällig, ich habe heute eine Aktion: 10 zum Preis von einer.

A. Bauer / 31.07.2023

Was ist ein “Schwarzer Schwan”- mal nachlesen und dann Reset. Nebenbei, auf welchen Drehbänken wurden die Teile für die V2, Gemini, Saturn bis zur Mondlandung gedreht? Vermutlich sind die aus Nord-Korea im Vergleich dazu schon visionär

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