Älteste und wichtigste Menschenrechtsorganisation in Russland von Auflösung bedroht.
Vor dem Obersten Gerichtshof in Moskau wird seit Donnerstag über die Auflösung der ältesten und wichtigsten Menschenrechtsorganisation in Russland von Memorial International verhandelt, meldet badische-zeitung.de. Offiziell gehe es in dem Auflösungsverfahren gegen Memorial um angebliche "grobe" Verstöße gegen das "ausländische Agentengesetz" von 2012: Organisationen, die finanzielle Mittel aus dem Ausland erhielten, müssten sich in ein Staatsregister als "ausländische Agenten" eintragen lassen und all ihre Veröffentlichungen mit dieser Kennzeichnung versehen. Memorial sei in Russland seit 2016 als "ausländischer Agent" registriert.
Memorial-Mitbegründerin Irina Scherbakowa habe die Vorwürfe gegen die Organisation als "absurd und lächerlich“ bezeichnet. In einem Podcast von Memorial Deutschland hätte sie den Umgang der russischen Behörden mit der Organisation mit einer „Geiselnahme" verglichen: Memorial "zu vernichten", sei ein Signal an Regierungskritiker: "Ihr müsst alle Angst haben." Vor der Anhörung in Moskau habe Scherbakowa gesagt, das Verfahren gegen Memorial sei aber auch eine Botschaft an den Westen: "Wir machen mit der Zivilgesellschaft im Land, was wir wollen. Wir stecken ins Gefängnis, wen wir wollen, wir lösen auf, wen wir wollen."
Gegründet worden war Memorial während der von Michail Gorbatschow eingeleiteten Perestroika Ende der 1980er Jahre. Ihr erster Vorsitzender war der sowjetische Dissident und Friedensnobelpreisträger Andrej Sacharow. Mit ihrer Partnerorganisation, dem Menschenrechtszentrum Memorial, setze sie sich für die Aufarbeitung der politischen Verfolgung und des stalinistischen Terrors in der Sowjetunion, aber auch für die Wahrung der Menschen- und Bürgerrechte im heutigen Russland ein.
Große Sorgen mache sich die Wissenschaft auch um das Archiv von Memorial International. Dies umfasse unter anderem 3,5 Millionen Zeitzeugenbiographien.