Bertold Brecht musste aus dem Land wieder flüchten, in das er vor den Nazis geflohen war. In Amerika war die McCarthy-Ära angebrochen und das „Komitee gegen unamerikanische Umtriebe“ verfolgte Politiker, Autoren und Filmschaffende, die nicht in das rechtsgestrickte Bild des Senators aus Wisconsin passten.
Auch Charlie Chaplin wurde ein Opfer der hysterischen Kommunistenjagd. Der Brite galt den Jägern des Senats (Joseph McCarthy) und des Repräsentantenhauses (Richard Nixon) als linksverdächtiger Ausländer. Als er auf Europa-Tour ging, um für seinen Film „Rampenlicht“ zu werben, hat Amerika ihn einfach nicht mehr reingelassen. Seine Arbeit in Hollywood war damit beendet. Obwohl er bald wieder gedurft hätte, ging Charlie Chaplin nie mehr zurück „in dieses traurige, hassverzerrte und moralisch aufgeplusterte Land“.
Auch Thomas Mann, der feine Emigrant in Pacific Palisades, wurde Zielscheibe der moralischen Aufrüster. Der Schriftsteller hat öffentlich die gesinnungspolizeiliche Tätigkeit des „Komitees gegen unamerikanische Umtriebe“ kritisiert und wurde von denen prompt als einer der „führenden Stalin-Entschuldiger der Welt“ diffamiert. Mann kehrte gerne nach Europa zurück.
Es war eine Zeit der schwarzen Listen und der faktischen Berufsverbote
Die amerikanischen „Kommunisten“-Jäger luden Politiker und Kulturschaffende vor die einschlägigen Kongress-Komitees und verlangten von ihnen, sich dem neuen politischen Reinheitsgebot zu unterwerfen. Und sie verlangten von den Vorgeladenen, kommunismusverdächtige Kollegen zu denunzieren. Wer sich weigerte, bekam Ärger.
Der Schriftsteller Arthur Miller spielte nicht mit und wurde wegen seiner Aussageverweigerung sogar zu einer Gefängnisstrafe verurteilt. Er war nicht der einzige. Es war eine Zeit der schwarzen Listen und der faktischen Berufsverbote. Den Gejagten und denen, die nicht mit jagen wollten, wurde die wirtschaftliche Existenz vernichtet. Hollywood war eine Hölle der Denunzianten und Angeschwärzten.
Dieser Spuk gegen Links plagte die fünfziger Jahre bis Amerika wieder zu sich selbst fand. Das Bemerkenswerte war ja, dass ein solcher Spuk im „Land der Freien“ stattfinden konnte. Anderswo war man an sowas gewöhnt. In Nazi-Deutschland („kauft nicht bei Juden“) war die Vernichtung (nicht nur) der wirtschaftlichen Existenz Unliebsamer gang und gebe.
Allerdings ist diese Methode der Einschüchterung und Vernichtung nicht auf den Kampf fanatischer Nationalisten gegen Linksverdächtige beschränkt. Er wird, wie die Geschichte lehrt, auch gerne mit umgekehrten Vorzeichen geführt. In der kommunistischen DDR, der Sowjetunion und in ihren Satelliten arbeitete die Gedankenpolizei günstigstenfalls mit Berufsverboten, oft mit schlimmeren Repressalien gegen gutbürgerliche „Reaktionäre“.
Hexenjagden sind politisch austauschbar sind. Rechts und links bedienen sich, wenn fanatisiert, der selben Methoden gegen unliebsame Kritiker. Aber das ist alles Vergangenheit. In unserem deutschen Land der Freien kann es solche Hexenjagden nicht mehr geben. Oder?
Das Problem ist: Einige der modernen Linken, die sich um soziale Gerechtigkeit und eine Entkrampfung unserer Gesellschaft ja einige Verdienste erwarben, haben andererseits die Wurzeln leninistischer Kampfmethoden nie ganz ausgerissen. Solche Kampflinke überleben interessanterweise gerade in einer Szene, die Wolfram Siebeck so herrlich treffend die „genießende Linke“ genannt hat. Womit er jene Austern schlürfenden Linken meinte, die ihren Mantel mit dem Edelpelz nach innen tragen und nach außen ein härernes Gewand vorzeigen. Salonbolschewisten hat man früher gesagt. Heute heißt das: Links reden und rechts leben.
In der postfaktischen Medienwelt haben es Verleumder noch einfacher als der Senator
Aus dieser etwas schillernden Szene gibt es bei uns neuerdings wieder Kampfvorstöße nach der Methode McCarthy/Lenin. Sie richten sich natürlich nicht gegen Kommunisten sondern gegen „Rechte“ oder gerne auch gegen „Faschisten“, die in den Augen der „genießenden“ (soll man sagen: heuchelnden?) Linken schon tief in der großen bürgerlichen Mitte beginnt. Diese Einzelkämpfer gegen unlinke Umtriebe haben dank einer Fehleinstellung ihres Blickes die Mehrheit der Deutschen im Visier. Sie sehen überall Faschisten wie McCarthy überall Kommunisten witterte.
Aber muss man solche Ein-Personen-Kampf-Komitees ernst nehmen? Na ja, Joseph McCarthy war ein einzelner obskurer Senator aus dem hohen amerikanischen Norden und stieß eine brutale Hexenjagd an. Auch bei uns kann ein obskurer Mitarbeiter einer größeren, staatlich alimentierten Werbeagentur durchaus zum Möchtegern-Unterdrücker freier Meinungen avancieren. Wenn so einer, um nur ein Beispiel zu nennen, zum Anzeigen-Boykott gegen ein freiheitlich gesonnenes, mitten in der bürgerlichen Gesellschaft stehendes Medium wie die „Achse des Guten“ aufruft, dann haben wir es mit einem links gewendeten Wiedergänger des alten Joseph McCarthy zu tun. In unserer postfaktischen Medienwelt haben es solche Verleumder sogar noch einfacher als damals der Senator. Man muss jemandem nur ein hässliches Etikett anhängen und fertig. Faktenprüfung ist von gestern.
Fazit: Ob rechts, ob links, Gegner der Freiheit sind Gegner der Freiheit. Die Meinungsfreiheit muss immer und überall gegen ihre Feinde verteidigt werden. Auch bei uns. Sonst werden wir eines Tages, um nochmals Charlie Chaplin zu zitieren, in einem traurigen, hassverzerrten und moralisch aufgeplusterten Land leben.