Man stirbt nur einmal

„There Are Old Pilots and Bold Pilots, but No Old Bold Pilots“. Mit anderen Worten: Kühne Piloten werden nicht alt. Diese Fliegerweisheit gilt auch für Pilotinnen: Amelia Earhart wurde nur 39. Sie war zu ihrer Zeit die berühmteste Frau der Welt.

Amelia war mit ihrem Flugzeug im Südpazifik verschollen, etwa da, wo Äquator und Datumsgrenze sich treffen, und wie bei Diana rankten sich auch um ihren Tod zahlreiche Mythen, im Versuch, die fast banale Ursache der Tragödie zu verklären.

Es war die vorletzte Strecke auf der Umrundung der Erde. Vor ihr lagen noch die Etappen nach Hawaii und von dort würde es nach Hause gehen, nach Kalifornien. Sie wollte den Globus dort umrunden, wo die Route am längsten war, also nahe dem Äquator. Man war bereits seit einem Monat unterwegs, mit Stopps in Puerto Rico, Venezuela, Surinam, Brasilien, Senegal, Mali, Tschad, Eritrea, Pakistan, Indien, Burma, Indonesien, Australien und Neu Guinea.

Von dort aus steuerte sie nun Howland an, eine winzige, unbewohnte Insel, mutterseelenallein im unendlichen Pazifik gelegen. Das waren rund 15 Stunden Flugzeit, bei Gegenwind etwas mehr, und man hatte Sprit für 20 Stunden an Bord. Das sollte genügen. Wie aber die Insel finden?

Sextanten und Tabellen

Es gab damals, wir sprechen vom Jahr 1937, durchaus zuverlässiges Kartenmaterial, mit dem man Kurs und Entfernung bestimmen konnte, die zu fliegen waren: 80° und 4.200 km. Verlegen wir – zur Veranschaulichung – diese Situation in unsere Breiten: Sie steigen in München in Ihr Flugzeug mit Ziel Usbekistan. Dazu fliegen Sie Kurs 80° bei 280 km/h. Nach 15 Stunden schauen Sie aus dem Fenster und erwarten unter sich den Flugplatz von Taschkent. Aber das ist sehr optimistisch.

Schon bei 1° Abweichung lägen Sie 70 km daneben. Keine Chance also. Seitenwind und Ungenauigkeit des Kompasses machen diese Form der Navigation unmöglich. Da gibt es nun Abhilfe: Man kann seine Position auf dem Planeten dank der Gestirne, mit Hilfe von Sextanten und Tabellen bestimmen. Die Ausrüstung hatte Amelia an Bord, aber diese Methode berechnet nicht den Punkt, an dem man sich befindet, sondern eine Linie auf der Karte, eine „Standlinie“, aber auch die ist bestenfalls auf ein paar Kilometer genau.

Das Global Positioning System, unser „Navi“, lag noch ein halbes Jahrhundert in der Zukunft, doch es gab schon einfache Radionavigation. Die besteht aus einem Instrument, welches die Richtung zu einem Radiosender anzeigt. Man brauchte den also nur anzupeilen, dann könnte man die letzte Annäherung ans Ziel auf diese Weise sichern. Solch eine Radiostation gab es auf Howard Island nicht, aber die US Coast Guard war so freundlich, ein Schiff mit Sender neben dem Atoll zu ankern.

Das falsche Radio

Amelias Flugzeug hatte einen Empfänger an Bord, der sie die letzten Kilometer zum Ziel geleiten sollte. Man würde dann auf der provisorischen Piste von Howard Island landen, könnte sich die Hände waschen und die Tanks füllen.

An dieser Stelle müssen wir eine Katze aus dem Sack lassen, nämlich dass Amelia Earhart nicht solo unterwegs war. Mit ihr war Fred Noonan im Cockpit, ein Experte in Navigation, der für Reedereien und Airlines weltweit Routen berechnete, und der zufälligerweise auch Pilot war. In der Berichterstattung wurde er aber stets nur als „Navigator“ geführt.

Fred soll nun vor Beginn der Reise festgestellt haben, dass besagter Empfänger möglicherweise nicht auf die Frequenz des Coast-Guard-Senders einzustellen war und regte an, das zu korrigieren. Amelia aber war ungeduldig und setzte sich als „Pilot in Command“ durch. Freds Bedenken waren jedoch nur allzu berechtigt gewesen. Im entscheidenden Moment gelang es nicht, das Signal vom Schiff zu empfangen, um mit seiner Hilfe die Insel zu orten. Die beiden haben dann vermutlich die unendliche See weiter vergeblich mit den Augen abgesucht, bis die Tanks leer waren.

Das Flugvirus

Amelia war Anfang 20, als sie das erste Mal im Flugzeug mitgenommen wurde. Bei der Gelegenheit wurde sie sofort und unheilbar vom „Flugvirus“ befallen. Drei Jahre später hatte sie ihre Lizenz – als sechzehnte Amerikanerin. Bereits vorher hatte sie einen Höhenrekord für Pilotinnen aufgestellt: 4.300 Meter. Da oben ist dann vermutlich eher dem Motor die Luft weggeblieben als der ehrgeizigen Amelia.

1932 dann ihr Husarenstück: solo über den Atlantik. Sie startete in Neufundland und landete in Nordirland. Das waren zwar „nur“ gute 3.000 km, verglichen mit den 6.000 km von New York nach Paris, die der 25-jährige Charles Lindbergh fünf Jahre zuvor geflogen war, aber sie war die erste Frau.

War sie eine gute Pilotin? Auf ihrem Flug geriet sie nachts in Wolken, verlor die Kontrolle über ihre Maschine und trudelte nach unten, bis sie wieder Sicht hatte und sich an den weißen Wellenkämmen des Atlantiks orientieren konnte, um die Maschine abzufangen. So ihre Erzählung. Das war knapp, und es beweist, dass sie sehr gute Nerven hatte und ihren schweren Flieger perfekt beherrschte. Sie hatte aber nicht gelernt, „nach Instrumenten“ zu fliegen, also zu navigieren und das Flugzeug zu meistern, wenn Horizont und Boden nicht zu sehen sind.

Was sie auch nicht gelernt hatte, war Risikomanagement. Die realistische Einschätzung von möglichen Gefahren und deren Wahrscheinlichkeit ist ein zentraler Aspekt in der Fliegerei. Auf dem Erdboden war das anders, da wurden Amelia dank ihres Charmes und ihres Standings sicherlich immer wieder geräuschlos Hindernisse aus dem Weg geräumt. Die natürlichen Elemente am nächtlichen Himmel aber ließen sich nicht bezirzen.

Wäre sie nicht ein besseres Role Model als Greta oder Luisa?

Amelia war auch verheiratet; genauer gesagt, war sie eine strategische Allianz mit dem zehn Jahre älteren George Putnam, einem Verleger, Publizisten und PR-Mann eingegangen. Der machte einen fantastischen Job in der Vermarktung seiner Gemahlin. Dabei war sie alles andere als ein dummes Püppchen. Sie war Mitglied in diversen Aufsichtsräten, hatte eine Firma für Mode und Accessoires für die moderne Frau, und sie tat alles, um die Fliegerei zu fördern. Was für eine Biografie!

Ihr mysteriöses Charisma, ihre Intelligenz, Energie und Furchtlosigkeit machten sie damals zur berühmtesten Frau der Welt, und ihr früher, dramatischer Tod machte sie unsterblich. Wäre sie nicht ein besseres Role Model als Greta oder Luisa für die heutigen Teenager?

Auch wenn wir, dreimal geimpft, das Leben im ewigen Lockdown und in Sorge ums Klima verbringen, auch dann werden wir sterben, und zwar genau einmal. Das ist nicht mehr und nicht weniger, als wenn wir die Zeit bis dahin mit Abenteuern und Freude verbringen. Die Lust am Leben ist nicht gefährlicher als die Angst davor.

Dieser Artikel erschien zuerst im Blog des Autors Think Again. Sein Bestseller „Grün und Dumm“ ist bei Amazon erhältlich.

Foto: Harris Ewing via Wikimedia Commons

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Leserpost

netiquette:

Hans-Peter Dollhopf / 29.08.2021

Anousheh Ansari

Hans-Peter Dollhopf / 29.08.2021

Nix da, es wird Lastenrad gefahren!

Ulla Schneider / 29.08.2021

Es gibt den Film “Amelia”, der sehr gut die Eigensinnigkeit und Antriebigkeit, wie oben beschrieben, dieser Pilotin widerspiegelt, u.a. mit Richard Gere. Absolut sehenswert. -Sie soll laut Stern 2018 durch neuere DNA -Spuren von Knochen auf einer kleinen Insel identifiziert worden sein.  Abgestürzt oder dort gelandet. Sehr rätselhaft.

Sabine Heinrich / 29.08.2021

Ich wünsche mir, dass eine mutige Frau, die zwar nicht in der Luft, aber auf vier Rädern erst vor wenigen Jahren mit einem Oldtimer die Welt umrundet hat, nicht in Vergessenheit gerät: HEIDI HETZER! Ihr Buch ist lesenswert für jeden, der noch Abenteuerlust in sich spürt und sein Kind auch ohne Sturzhelm auf dem Dreirad auf einem einsamen Waldweg radeln lassen würde.

Andreas Rochow / 29.08.2021

Bereits mit der Überschrift ist alles gesagt. Es ist state of the art. Alles andere ist Garnierungsvorschlag. Auch Grüne und Dumme und ihre Propagandafabriken werden dagegen nicht aufbegehren. Dennoch: Grüne SIND dumm.

S. Marek / 29.08.2021

Fantastische Geschichte Herr Hans Hofmann-Reinecke. Von der fruchtloser Pilotin Amelia Earhart habe ich bis jetzt nie gehört. Quintessenz dieser Geschichte ist, nach meiner Meinung, daß, Mutige, fruchtlose Menschen haben nur dann Glück im Leben wenn Sie im entsprechendem Moment kurz aufgehalten werden und zum Nachdenken und zum Überlegen genötigt werden wie Ihr geplantes Tun von unnötigen absehbaren gefahren, soweit möglich, abzuwenden.  Die Nichtabstimmung des Empfängers auf die Sendefrequenz war ein blödsinniger entscheidender Fehler einer bereits voll Emotionen ungeduldiger Frau.  Schade, aber da war Fred Noonan nicht hartnäckig und Manns genug um die Amelia zu überzeugen. Wir können leider diese Geschichte nicht als irgendeine Parallele zu unserer politischen Lage nehmen, da die s.g. “Ziele”  der möchte-gern Propheten und auf absolute Destruktion des Landes gepellter Politikerkaste, außer derer die zur aussätzigen erklärt wurden.  Die Wähler stehen nun, im sehr breitem Sinne, Vergleichbar zur Position des Herrn Fred Noonan aber nicht als “Navigator” im Cockpit, sondern als höchstens als “Steward/-esse”, die meisten aber als der Gefahr ausblendende beschwipste Passagiere.

Frances Johnson / 29.08.2021

Schön: “Die Lust am Leben ist nicht gefährlicher als die Angst davor.” Danke für die Erinnerung an Amelia Earhart.

Kerstin Behrens / 29.08.2021

Schon die Physis der Fliegerin spricht für sich. Elly Beinhorn nenne ich in diesem Zusammenhang. Eine Merkel samt ihrer Nachfahren Baerbock oder Greta-Luisa als bundesdeutscher langweiliger Querschnitt wird eben heute keinen A380 fliegen. Das ist gut so, die genannten Damen würden vermutlich noch im Cockpit diskutieren, obwohl der Flieger schon eigenständig samt Fluggästen eine respektable Notlandung hinlegte. Übrigens gibt es auf einem Segelboot keine Demokratie, das Kommando lautet: “Klar zur Wende” und wird beantwortet: “Klar”

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