Von Moritz Pieczewski-Freimuth.
Am Freitag gab es propalästinensische Aktionen vor der Uni Köln. Schon beim Auftakt kam das rote Dreieck, ein von der Hamas aus der Nazi-Zeit übernommenes Symbol, zum Einsatz.
Seit Tagen stören propalästinensische Demonstranten den Vorlesungsablauf in den Vereinigten Staaten. Mittlerweile kommt es zu Nachahmungen in Europa, vornehmlich in Frankreich, Großbritannien und nun auch Deutschland. Besonders hervorgetreten sind die Eskalationen an den Campus in New York, Los Angeles und St. Louis. Studenten errichteten Protestcamps, blockierten Juden den Zutritt zur Universität, lieferten sich gewaltsame Auseinandersetzungen mit der Polizei, besetzten Hörsäle und beschmierten eine George-Washington-Statue mit Hamas-nahen Symbolen.
Die Vorfälle lösten eine Kettenreaktion bis nach Deutschland aus. Am Freitag, dem 3. Mai, riefen in Köln die Gruppen „students for palestine“ und „voice for Gaza“ zur Versammlung in Anlehnung an die globalen antizionistischen Uni-Proteste auf. Das Motto der Kundgebung lautete „Nie wieder ist jetzt, und zwar für alle“. In dem Aufruf wird Deutschland die Beteiligung an einem mutmaßlichen „Völkermord“ in Gaza unterstellt. Recherchen zufolge planten die propalästinensischen Aktivisten, ein Protestlager mit Zelten auf der Rasenfläche vor der Universität zu Köln zu errichten. Bereits die Veranstaltungswerbung vermittelte einen Vorgeschmack davon, was die Universität inhaltlich am Freitagabend und in Zukunft erwarten soll. Das „nie wieder“ als Lehre aus der Shoah wurde instrumentalisiert, um gegenwärtigen antisemitischen Mördern einen Persilschein zu verpassen. Mit dem flankierenden „Völkermord“-Vorwurf an Israel wird die Täter-Opfer-Umkehr abgerundet und ein Anschluss an die postkoloniale Szene bemüht.
Etwa 200 pro-palästinensische Demonstranten folgten der Einladung. Auch ein israelsolidarischer Gegenprotest formierte sich mit rund 30 Teilnehmern. Mehrere Mannschaftswagen der Polizei begleiteten die Veranstaltung. Auf Hinweis der Israel-Freunde kontrollierten die Beamten das Demo-Material der palästinensischen Seite nach Zelten und verbotenen Fahnen oder Spruchbändern. Das anfangs sorgfältige Durchgreifen der Polizei ebbte am Ende der Veranstaltung ab, sodass die Palästina-Szene doch noch die Platzbesetzung realisierte. Die Belagerung der Rasenfläche vor der Kölner Universität ist die erste dieser Art in Deutschland. Laut einem Redner der Israel-Versammlung sähe die Universitätsleitung Köln keine Handhabe, weil die Uni-Wiese städtisches Gelände sei.
Ein rotes Dreieck
Dem Erscheinungsbild der Palästina-Zusammenkunft nach zu urteilen, rekrutierten sich die Demonstranten aus muslimischen und linksalternativen Milieus. Bemerkenswert war die Gleichzeitigkeit von Burka-Trägerinnen und bunten Queer-Aktivisten. Sprechchöre wurden auf Deutsch, Englisch und vereinzelt auf Arabisch (übersetzt: Gaza lebt!) skandiert. Vermutlich riefen die Palästina-Apologeten aus rechtlichen Bedenken meist „palestine will be free“, ohne das explizit genozidale Vorstück „from the river to the sea“ mitzusingen. Ihre Vorliebe für Vernichtungsantisemitismus hielten sie jedoch nicht zurück. So verschickten die Israelfeinde mit dem Ausspruch „Jemen, Jemen make us proud, turn another ship around“ eine direkte Solidaritätsadresse an die radikalislamische, iran-finanzierte Huthi-Miliz, die bereits in ihrem Slogan "Tod Amerika, Tod Israel, Fluch gegen die Juden und Sieg für den Islam" trägt.
Das tolerierte Mitführen einer Fahne von der Freien Syrischen Armee (FSA) unterstrich die Sympathie der Demonstranten mit islamistischen Freischärlern. Einst galt die FSA als Hoffnungsträger im Syrienkrieg, später entwickelte sie sich zu einer Ansammlung von jihadistischen Söldnern, die an der Seite Erdoğans gegen die Kurden kämpfen. Nach etlichen Parolen, die mit kollektiver Leidenschaft vorgetragen wurden, rief ein pro-palästinensischer Redner zum öffentlichen Gebet auf. Circa 30 muslimische Teilnehmer lösten sich aus der Menschenansammlung, breiteten ihre Palästinensertücher auf dem Rasen als Gebetsteppiche aus und verrichteten, präzise nach Mann und Frau separiert, das Gebet. Auf der Seite des pro-israelischen Gegenprotestes entstand Entsetzen über diese Dominanzgeste im städtischen Raum. Vereinzelte Zwischenrufe kritisierten die Kumpanei der selbsternannten Palästina-Freunde mit der Islamischen Republik Iran und wiesen auf die Parallelen zwischen Islamismus und Faschismus hin. Das erzürnte prompt eine linke Teilnehmerin der Palästina-Demo. Nach einem kurzen Wortgefecht über Religion- und Islamkritik deeskalierte die Situation.
Dann passierten, allerdings dicht aufeinander gefolgt, zwei Angriffe auf die israelsolidarische Versammlung. In Gefolgschaft eines Kamerateams näherten sich drei junge Männer der pro-israelischen Seite. Einer von ihnen holte ein rotes Dreieck hervor und streckte dies in die Richtung der israelfreundlichen und jüdischen Teilnehmer. Eine harmlos wirkende Aktion, die es jedoch in sich hat. Das Symbol ist dem Nationalsozialismus entlehnt und diente damals wie heute der Ausmachung von Feinden, die dem Tod freigegeben werden. Kommunistische Häftlinge wurden damit in Konzentrationslagern markiert. Weltweit benutzen heute Hamas-Anhänger das Symbol zur Kennzeichnung von jüdischen und israelischen Einzelpersonen oder Institutionen, die zum Abschuss bereitstehen. In Berlin traf die Markierung zuletzt den Technoklub „about blank“, nachdem er sich gegen linken Antisemitismus ausgesprochen hat. Gegenüber BILD erklärt der Psychologe Ahmad Mansour damals den Charakter des Codes: „Das Dreieck wurde seit dem Hamas-Terror vom 7. Oktober in Videos benutzt, um Israelis zu markieren, die kurz danach angegriffen werden. Das ist hochmilitärisch und hochterroristisch. Es erinnert sehr stark an Videospiele, funktioniert deswegen gut. Sie versuchen, ihre ,Heldentaten‘ mit Jugendkultur-Elementen zu verherrlichen, und das ist eines davon.“ Kölner Israel-Aktivisten merkten an, dass es sich hierbei nicht um die erste Drohung mit dem roten Winkel handelte.
Livestream aus Köln
Einsatzkräfte der Polizei griffen auf Anraten der Israelfreunde ein und nahmen eine Anzeige wegen Bedrohung auf. Dutzende Palästina-Demoteilnehmer solidarisierten sich mit dem beschuldigten Hamas-Verbündeten und lieferten sich kurzfristig Reibereien mit der Polizei. Im Schatten des Tumults marschierte dann ein linker Israelfeind in die Gegenkundgebung und entriss eine Fahne des jüdischen Staates, womit er schließlich davonlief. Der Täter stürzte beim Fluchtversuch, und die Fahne konnte zurückerlangt werden. Die Polizei ermittelt wegen Raub. Verzweifelt berichtete die betroffene Dame, dass ihr seit dem 7. Oktober die dritte Israelfahne von Judenfeinden gewaltsam aus den Händen gerissen wurde.
Nachdem um 22:00 Uhr der Palästina-Protest beendet war, kamen erneut Aktivisten hervor und errichteten unangemeldet ein Camp. Derweil (Stand 6.5.24 – 9:00 Uhr) besetzen sechs Zelte, ein Pavillon und 20 Personen aus der Palästina-Szene die Grünfläche vor der Universität. Damit ist die Größe des Camps im Vergleich zu Freitag gewachsen. Zwischenzeitlich schaltete der für seine Hamas-Propaganda umstrittene Kanal „Al Jazeera“ einen Livestream aus Köln. Aus der Versammlung heraus wurden bereits drei Menschen antisemitisch beleidigt und bedrängt, so der Anmelder der Pro-Israel-Kundgebung von Freitag. Das Protestcamp wurde erst nachträglich bis Sonntag 20:00 Uhr angemeldet und ist nun bis Mittwoch verlängert worden. „students for palestine“ und „voice for gaza“ kündigten an, noch darüber hinaus bleiben zu wollen.
Ein Sprecher der proisraelischen Demonstration warnte, dass der Lernort Universität nicht zum Angstraum für Juden werden darf. Die Universitätsleitung soll ihren konsequenten Kurs mit Israelfeinden, zum Beispiel während des Besuchs des israelischen Botschafter Ron Prosor oder angesichts der Ausladung der BDS-nahen Wissenschaftlerin Nancy Fraser, weiter fortführen und deutliche Signale an die Protestcamper senden. Ein Sprecher der „Deutsch Israelischen Gesellschaft“ Köln mahnte am Freitag, dass die Universität kein „safe space für Antisemiten ist und bleibt“. Der ebenfalls israelsolidarische Verein „Cityofhope cologne e.V.“ rügt die Polizei Köln für ihr lasches Vorgehen.
Moritz Pieczewski-Freimuth ist Erziehungswissenschaftler und Sozialarbeiter in Köln. Zur Zeit ist er als Pädagoge für Gewaltschutz im Migrationsbereich tätig. Außerdem engagiert er sich in gesellschaftlichen Debatten rund um die Themen Antisemitismus, politischer Islam, patriarchale Strukturen und Migration.