Gastautor / 01.12.2015 / 06:30 / 6 / Seite ausdrucken

Klimagipfel: Heiteres Zeichensetzen in Paris

Von Manfred Haferburg

Seit heute läuft in le Bourget bei Paris die Rettung der Welt. 40.000 Größenwahnsinnige haben sich zusammengefunden und werden allen Ernstes beschließen, dass die Durchschnittstemperatur der Erde bis zum Jahre 2100 nicht um mehr als 2°C ansteigen darf. 20.000 Bewaffnete sorgen für die Sicherheit. An Häppchen und Wein wird es diese Woche wohl nicht fehlen. Schon heute Morgen rasten die riesigen Limousinen von den Luxushotels unter Polizeischutz durch die Innenstadt. Ein Elektroauto war nicht dabei.

Schon gestern begann das Zeichensetzen in Paris. Die Groß-Demonstration gegen CO² war aus Sicherheitsgründen untersagt worden. Da setzten die vereinigten Chaoten ein Zeichen auf dem Place de la République - an dem Ort, wo die Pariser Blumen und Kerzen für ihre 120 Opfer der Terroranschläge niedergelegt hatten. Blumen zertrampelnd und die Flics mit Flaschen und Kerzen bewerfend, wurde ein Zeichen gegen den Klimawandel gesetzt. Die internationalen Berufs-Chaoten hatten aber nicht damit gerechnet, dass sie es mit der französischen Polizei zu tun hatten, die nicht so verängstigt daherkommt, wie die „Bullen“ in ihrer Heimat. Über 300 Vermummte wurden verhaftet. Prompt war das Jammern über den Polizeistaat groß. Die Pariser stellten derweil in aller Stille neue Kerzen und Blumen auf.

Zum Klimagipfel muss natürlich auch die Champs Elysée ein Zeichen setzen. Champs Elysée heißt übersetzt „Die Gefilde der Seligen“. Also hat die Pariser Mairie die Champs Elysée in ein rührendes Öko-Kraftwerk umgebaut. Schließlich müssen ja die paar Millionen Lämpchen der prächtigen Weihnachtsbeleuchtung dieser schönsten Straße der Welt beim Klimagipfel klimaneutral zum Glitzern gebracht werden. Eine schwedische Möbelkette hat 100 Velib-Fahrräder auf Gestelle montiert und zusammengeschaltet. Die Passanten können sich draufschwingen und durch kräftiges strampeln die Champs Elysée erleuchten. Auch ein kleines Windrad steht mitten im sechsspurigen Autoverkehr und soll Elektrizität beitragen, ebenso wie zwei Solarflächenhügel nahe beim Weihnachtsmarkt am Place Clemenceau.

Als ich heute meinen Abendspaziergang machte, wurde von den Sonnenkollektoren nur das Licht der Straßenbeleuchtung in Strom umgewandelt. Die Prachtstraße ist auch kein guter Standort für ein kleines Windrad, dass sich dort schon eher im Fahrtwind der vorbeirauschenden Autos müde dreht. Und die 100 zur Menschenstromerzeugung umgerüsteten Fahrräder? „Im Moment haben wir leider kaum Kunden, nicht mal Kinder“, grinste einer der Aufpasser auf meine Anfrage. Sowas aber auch, es ist wie im wahren Leben. Die faulen Passanten, ob Pariser oder Touristen – tausende von ihnen flanieren auf und ab, sitzen schwatzend und lachend in den Cafés - und kein Einziger will sich abstrampeln für die gute Sache? Und auch nicht einer der vielen tausend Profi-Klimaretter schwingt sich in den Sattel, wenigstens um die Kalorien der vielen Häppchen wieder loszuwerden?

Doch der liebe Gott, der ja bekanntlich in Frankreich wohnt, setzt in seiner grenzenlosen Güte auch ein Zeichen. Denn wie durch ein Wunder leuchtet die herrliche Illumination der Gefilde der Seligen trotz ihrer grenzenlosen Faulheit. Es ist wie bei der Energiewende. Dort gibt es ja auch wie durch ein Wunder bei Dunkelheit und Windstille schöne Elektrizität aus der Steckdose. Dass die Steckdose in Frankreich an einem der 58 Atomreaktoren hängt, ce n’est pas trop grave! Und CO²-frei.

Heute Abend habe ich auf dem Champs Elysée etwas Interessantes gelernt. „Zeichensetzen“ heißt nämlich nicht, dass man etwas Unbequemes selber auf sich nehmen muss. Es reicht, wenn man so tut als ob. Danach muss man nur fleißig darüber reden. Dann kann man darauf hoffen, dass diejenigen, die solcherart zum unbequemen Lebensstil bekehrt werden, nicht bemerken, dass die Zeichensetzer eigentlich nur eines wollen: auf jemand anderes Arsch durchs Feuer reiten.

Manfred Haferburg ist in der DDR aufgewachsen und lebt heute in Paris

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Leserpost

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Matthias Strickling / 03.12.2015

Derzeit gibt es die Inflation des Zeichensetzens. Für alles und gegen alles wird ein Zeichen gesetzt, währed die Realität unbeeindruckt davon weiterläuft. Mich würde interessieren, wie die Klimaschützer die Erde kühlen wollen.

Jürgen Fleischer / 03.12.2015

Werter Herr Haferburg, vielen Dank für diesen Artikel, der ein ernstes Thema erheiternd aufgreift. Ja so ist es. Egal ob Klima oder Flüchtlinge, immer fordern “Zeichensetzer” etwas ein, was sie selber zu leisten nicht bereit sind. Wir sollen nicht so viel fliegen oder Auto fahren. Der Umwelt zu liebe. Was machen sie selbst? Ich schätze mal, dass 95% der 40 000 Teilnehmer des Klimagipfels aus aller Welt nach Paris geflogen sind. Selbst Kurzstrecken zwischen Hotel und Tagungsstätte werden im Benziner (Diesel) zurückgelegt. Sie sind ein Deutscher, der jetzt in Paris lebt. Vor Ihnen gab es schon mal einen Deutschen, der dort gelebt hat: Heinrich Heine. Weshalb fällt der mir jetzt ein? Deshalb: “Ich kenne die Weise, ich kenne den Text, Ich kenn auch die Herren Verfasser; Ich weiß, sie tranken heimlich Wein Und predigten öffentlich Wasser.” Leider ist das, was gegenwärtig in Paris stattfindet kein Märchen, schon garnicht ein Wintermärchen, sondern die Wirklichkeit. Herzlich, Jürgen Fleischer

Gerhard Keller / 01.12.2015

Ja, Zeichensetzer ist eine sehr komfortable Rolle. Die Behauptungen, die man nach traditioneller Logik eigentlich belegen müsste, werden einfach durch ein Zeichen ersetzt. Dass dieser Schwindel möglich ist, setzt allerdings ein Publikum voraus, das ebenfalls davon profitiert. Über die Berichterstatter der Zeichensetzer kann sich das fortsetzen bis zum Papst, bis zum Präsidenten von Amerika und bis in die Kindergärten. Was ist aber, wenn es nur noch Zeichensetzer gibt? Wer jetzt glaubt, es müsse wieder Logik einkehren, ist ein gar schlechter Zeichensetzer. Denn der wahre Zeichensetzer wird nie arbeitslos. Er sieht jetzt die Situation so, dass endlich mal ein Zeichen gesetzt werden muss. Das beste Zeichen ist in dieser Situiation das Weinen darüber, dass noch nie das längst fällige Zeichen gesetzt worden ist.

Hjalmar Kreutzer / 01.12.2015

Zeichen setzen: Warum erinnert mich das alles an alte DDR-Witze? Als die Titanic gehoben werden sollte, wollten die Russen das Gold in den Tresoren, die Amis Kohle und Öl und die DDR die Schiffskapelle, die bis zum Schluss gespielt haben soll.

Mario Brühlmann / 01.12.2015

Genialer Artikel. Das ist der Humor und Tiefgang, den ich von Manfred Haferburg kenne.

Dr. Walter Heinz Greiner / 01.12.2015

Die Verweigerung der “Menschenstromerzeugung” ist nicht etwa Faulheit, sondern ökologische Vernunft: menschliche Muskelarbeit kommt ja auch nicht aus dem nichts, sondern setzt Primärenergie in Form von Nahrung um. Da die Aufbereitung und Bereitstellung menschlicher Nahrung aber ein Vielfaches ihres Energiegehalts an Primärenergie verbraucht, ist ihr Wirkungsgrad - energetisch gesehen - grottenschlecht. Jeder Dieselgenerator ist ökologischer. Dasselbe gilt übrigens auch für das von den selbsternannten Weltrettern so hoch gelobte Fahrrad: stattdessen mit einem Moped zu fahren und entsprechend weniger zu essen wäre auch energetisch unterm Strich entschieden sinnvoller.

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