Peter Grimm / 04.05.2022 / 14:00 / Foto: Olaf_Kosinsky / 55 / Seite ausdrucken

Keine Kriegspartei mit Genossin Lambrecht

Die Bundesverteidigungsministerin weiß, wie man in einem Krieg mitmischen kann, ohne Kriegspartei zu werden. Sie weiß es auch besser als der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages.

Die Teilnehmer an deutschen politischen Debatten nutzen auch in ernstesten Zeiten das Potenzial, ins vollkommen Absurde abzugleiten, immer formvollendet aus. Nach dem Einmarsch von Putins Truppen in die Ukraine entschlossen sich die hiesigen politischen Verantwortungsträger nach leichtem Zögern, der angegriffenen Ukraine beizustehen. Zunächst nur mit Stahlhelmen und alten Panzerabwehrraketen aus verschimmelten Kisten, die die Armee der längst verblichenen DDR noch hinterlassen hatte, dann auch mit anderen Rüstungsgütern. Inzwischen ist die Politik bekanntlich schon bei Panzern angekommen. Dass Deutschland die Kriegführung des Verteidigers in Russlands Angriffskrieg nach Kräften unterstützt, ist selbstverständlich nicht zu beanstanden. 

Nun fühlen sich manche Mitglieder der Bundesregierung bekanntlich im Völkerrecht zu Hause. Vielleicht wird deshalb schon länger über die Frage gestritten, ob Deutschland mit zu vielen Waffenlieferungen nicht eventuell auch zur Kriegspartei wird. Doch unabhängig von der rechtlichen Würdigung des deutschen Engagements ist Deutschland damit am Krieg beteiligt und müsste sich der Frage nach dem eigenen Kriegsziel stellen. Doch statt darüber zu reden, was es konkret heißt, dass Russland nicht siegen dürfe und welches Kriegsende man anstrebt und welches verhandelbar wäre, fragen sich deutsche Politiker vor allem, ab wann man mit der Unterstützung der Ukraine zur Kriegspartei wird.

Natürlich ist das völkerrechtlich eine wichtige Frage, ab wann man Russland einen legitimen Anlass zu kriegerischen Maßnahmen bietet, auch wenn Präsident Putin – der nach seiner Lesart ja gar keinen Krieg, sondern nur eine Spezialoperation führt – zum Kriegführen offensichtlich keiner völkerrechtlichen Legitimation bedarf. Aber diese Frage sollten vielleicht Experten beantworten, während es für die Politiker gerade sehr viele praktische Fragen zu klären gäbe. Insbesondere die, ob die Rechnung aufgeht, dass die von ihnen geplanten Sanktionen Russland mehr schaden als uns selbst.

Was ist ein Völkerrechtler gegen eine Verteidigungsministerin

Jüngst hatten sich Experten mit der Frage befasst, ab wann Deutschland völkerrechtlich zu den Kriegsparteien zu zählen sei. Der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestages kam zu dem Schluss, dass wir zwar Waffen aller Art liefern dürften, aber wenn auch die Soldaten, die diese Waffen bedienen, von uns ausgebildet werden, dann wären wir Kriegspartei.

Ich bin nicht im Völkerrecht zu Hause und kann das überhaupt nicht fachlich bewerten, glaube aber, dass der Bundestag in seinem Wissenschaftlichen Dienst schon hinreichend versierte Völkerrechtler hat. Aber was ist ein Völkerrechtler gegen eine Verteidigungsministerin, die ja schon qua Amt wissen muss, ab wann wirklich Krieg ist und bis wann man mitspielen darf, ohne juristisch Kriegspartei zu sein.

Christine Lambrecht hat am Montag – so berichteten es verschiedene Medien – Befürchtungen widersprochen, dass sich Deutschland mit der Ausbildung ukrainischer Soldaten zur Kriegspartei mache. „Wir stehen an der Seite der Ukraine, wir werden aber auch dafür sorgen, dass wir keine Kriegspartei werden“, habe Lambrecht laut stern.de gesagt. Auf das Gutachten aus dem Bundestag angesprochen, habe sie geantwortet: „Ich gehe davon aus, dass weder diese Ausbildung dazu führt noch die Lieferung von Waffen, sondern wenn wir Soldatinnen und Soldaten entsenden würden in die Ukraine, das wäre ein ganz klares Zeichen. Das werden wir aber auch nicht tun. Das wird nicht geschehen.“

Ist Genossin Lambrecht eigentlich im Völkerrecht zu Hause? Nicht ganz, aber immerhin ist sie Juristin und war vor ihrer politischen Karriere Rechtsanwältin in Viernheim. Von einer juristischen Bewertung dürfte sie daher immerhin mehr verstehen, als vom Militär und seinen Regeln.

Am Dienstag sorgte sie beispielsweise für viel Spott, als sie bei einem Besuch in Eckernförde die ihr unterstellten Seestreitkräfte der Bundeswehr darin als „Bundesmarine“ bezeichnete. Seit 1990 ist deren offizielle Bezeichnung aber „Deutsche Marine“. Bundesmarine war von 1956 bis 1990 die Bezeichnung für die westdeutschen Seestreitkräfte, erinnert berliner-zeitung.de in einem Bericht über den ministeriellen Fehler.  

Soldaten ohnehin nur begrenzt Werbeträger für die SPD

Auch eine Verteidigungsministerin kann sich nach ein paar Monaten im Amt mit solchen Bezeichnungen mal vertun. Doch sie hat mit ihrer Nachricht aus Eckernförde aus einem anderen Grund richtig für Unmut gesorgt. Sie habe nämlich geschrieben, dass auch der SPD-Spitzenkandidat zur Landtagswahl, Thomas Losse Müller, mit auf der Tour und bei den Gesprächen mit den Soldaten war. Das war vor der Landtagswahl am nächsten Sonntag damit ganz klar auch ein Wahlkampftermin. 

Seit Februar 2021 gibt es aber eine Dienstanweisung, die besagt, dass sechs Wochen vor einer Wahl Truppenbesuche von Landtags- und Bundestagsangehörigen bei der Bundeswehr grundsätzlich nicht erlaubt seien, auch nicht mit Vertretern des Verteidigungsministeriums. 

Aber wie im Fall der Kriegspartei kann das Verteidigungsministerium den Verdacht, die Ministerin hätte gegen die Regel verstoßen, locker entkräften: Bei dem Treffen in Eckernförde mit Angehörigen der Deutschen Marine habe es sich „explizit nicht um einen Truppenbesuch“ gehandelt, zitierte der Business Insider einen Sprecher des Verteidigungsministeriums. „Die Veranstaltung fand außerhalb einer militärischen Liegenschaft statt und wurde weder durch das BMVg noch durch die Bundeswehr organisiert oder durchgeführt.“ Daher „fanden sämtliche Veranstaltungen, an der die Verteidigungsministerin teilnahm, in Einklang mit den gültigen Vorschriften statt“.

Die CDU-Politikerin Serap Güler habe daraufhin dennoch gefragt: „Wer hat diese Wahlkampfreise inkl. Hotel, Fahrt & BKA-Schutz bezahlt? Wie ist dieser Termin zu vereinbaren mit dem Gebot der äußersten Zurückhaltung von Regierungen vor Wahlen?“

Warum soll man hier kleinlich sein? Wahrscheinlich taugt Christine Lambrecht bei Soldaten ohnehin nur begrenzt als Werbeträger für die Wahl der SPD. Fragwürdig ist allerdings, dass sich die Verteidigungsministerin in Zeiten des Krieges um den Wahlkampf in der Provinz kümmert, als gäbe es in ihrem Hause gerade nichts Wichtigeres zu tun. Wenigstens hat sie die Frage, ob Deutschland Kriegspartei wird, ja schon entschieden.

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Leserpost

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Gus Schiller / 04.05.2022

Juristen geht es in D nicht schlecht, schon gar nicht seit 2015. Hätte das Margot-Honnecker-Double als Juristin gute Arbeit geleistet müssten nicht heute gestandene Soldaten diese “Chefin” ertragen.

Uwe Heinz / 04.05.2022

Christine Lambrecht ist das beste Beispiel dafür, daß in Deutschland jeder das werden kann was er/sie am liebsten will: Oma gegen Rechts oder Hausfrau als Verteidigungsminister! Aber sie ist in guter Gesellschaft, denn der Rest des Bundeskabinetts gibt sich auch nicht viel mehr: Unfähigkeit, Einfallslosigkeit, Skrupellosigkeit und Beratungsresistenz! Oder anders formuliert… Ein erstklassiger Bundeskanzler hat erstklassige Minister, ein zweitklassiger nur drittklassige!

Gabriele H. Schulze / 04.05.2022

Wann gibbet denn mal wieder “n Typen als Minister? Ich frage für mich selbst.

Wilfried Cremer / 04.05.2022

Lieber Herr Grimm, das heute ist wie Karma-Manipulation der viel zu späten Militäraktionen gegen Nazideutschland, ob im Kosovo, in Syrien, in Libyen und in der Ukraine.

Burkhard Mundt / 04.05.2022

Auch Hofreiter, der Kriegsdienstverweiger, will Deutschland zur Waffenschmiede für die Ukraine machen. Und damit zur Kriegspartei. Und wenn dann die ersten russischen Raketen auf Deutschland abgeschossen werden, verkriecht er sich in den Keller seiner Berliner Zweitwohnung. Hofreiter an die Front.

Karla Kuhn / 04.05.2022

Uta Buhr, “Die rosarote Häkeloma, Olfs Resterampe ”  Einfach herrlich. Meine Güte,  in welchem Loch ist diese “Politik” eigentlich untergegangen ?? Dieser rosarote “Schlafanzug” ist der Gipfel, so was gibt es wahrscheinlich nicht mal bei der Altkleidersammlung. Hat sie den selber gehäkelt ?? Eigentlich sollte jeder vernünftige Mensch bei diesem Thema ernst bleiben aber bei solchen Typen geht das- jedenfalls bei mir- nicht. Das Thema wird auch immer abgelutschter, weil der WAHRE Hintergrund eisern verschwiegen wird. Dieser Krieg kann nur noch mit enormer Diplomatie beendet werden, es fehlt ein “BEN WISCH” ein “Mann für alle Fälle”, der immer dann eingesetzt wurde, wo enormes DIPLOMATISCHES GESCHICK vonnöten war. Typen wie Bärboch , Habeck und viele andere der “grün-roten “Notregierung” sind dafür völlig ungeeigent. Für mich übrigens für JEDEN POSTEN !!  Das Wort Boykott und Sanktionen scheinen tatsächlich das einzige zu sein, was den meisten sozialistischen Typen noch einfällt. Daß damit in erster Linie die DEUTSCHE Wirtschaft den Bach runtergeht, scheinen die nicht mal zu merken oder wollen es gar nicht ! Na ja, die müssen ja nicht selber jeden Morgen auf Arbeit gehen,teilweise für den irren Mindestlohn,  sich in überfüllte Verkehrsmittel quetschen oder mit völlig überteuerten Benzinpreisen rumschlagen, viele von denen sind für mich vor allem inkompetente Polittypen, die niemals in der Politik hätten Fuß fassen dürfen und die fürstlich vom Steuerzahlerv alimentiert werden müssen !! MÜSSEN !!! Genau DAS muß geändert werden, BEZAHLUNG nur noch nach LEISTUNG !! Ich vermute , da werden jährlich zig Millionen eingespart !

Silas Loy / 04.05.2022

“Dass Deutschland die Kriegführung des Verteidigers in Russlands Angriffskrieg nach Kräften unterstützt, ist selbstverständlich nicht zu beanstanden”. Doch, sehr geehrter Herr Grimm, das ist es sehr wohl. Warum müssen wir uns in die Konflikte zwischen anderen Staaten einmischen? Weil eine Konfliktpartei angegriffen wird? Hatten wir vorher irgendeinen Einfluss, das zu verhindern oder sollen wir jetzt nur die Misere, die Andere angerichtet haben, mit ausbaden? Wenn ja, warum? Und warum mit Waffen und nicht mit Diplomatie? Und haben wir die irakischen Verteidiger gegen den Angriffskrieg der “Koalition der Willigen” auch selbstverständlich unterstützt? Wenn nein, warum nicht? Die juristischen Argumente ziehen hier nicht, es geht nicht um Recht, das ist Propaganda. Es geht um Macht. Der Krieg in der Ukraine war natürlich zu verhindern, wurde aber vorsätzlich riskiert, wahrscheinlich gezielt gewollt. Auch dafür wurde ständig mit dem Recht argumentiert. Zudem hat ja gerade der Westen demonstriert, wie es mit seiner eigenen Rechtskultur bestellt ist, wenn es zum Schwur kommt. Das BVerfG ist ein Schatten seiner selbst, die ganze Judikative als eigene Staats- und Kontrollgewalt ein sagenhafter Komplettausfall, da könnten wir erst mal anfangen, Recht zu schaffen, und das sogar ganz ohne Waffen.

Arnold Balzer / 04.05.2022

@ Petra Lorbeer: “einen Friedensvertrag mit Deutschland .... Gibts natürlich schon lange, heißt nur anders. ” Ach nee! Wenn’s einen FV gäbe, warum HEIßT der nicht so? Offenbar weil er was anderes IST. War offensichtlich von verschiedenen Seiten, auch Deutschlands, sowohl vor als auch nach der Wende unerwünscht. Souverän ist DE deshalb auch nicht, fahrn Sie mal nach Ramstein. Meinen Sie etwa das 2+4-Dingens, das selbst bei der oft geschichtsklitternden Wiki nur als REGELUNGSVERTRAG bezeichnet wird und diverse geheim gehaltene Anhänge haben soll.  Dat Dingens “gilt (!)  als die endgültige Friedensregelung”  (Wiki). So so, “gilt”, wer’s so betrachtet, nun ja, man kann’s auch anders betrachten.

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