Wolfram Weimer / 07.11.2019 / 12:00 / Foto: EPP / 44 / Seite ausdrucken

Kanzlermacher Söder

Je wilder in Berlin die CDU-Fetzen fliegen, desto staatsmännischer wirkt Markus Söder in München. Er regiert Bayern souverän, hat seine CSU im Griff, setzt grün-liberal-mittige Akzente und erntet steigende Umfragewerte. Ausgerechnet der einstige Polit-Raufbold ist zum ausgleichenden Regenten gereift. Gerade weil das System Merkel in Berlin so donnernd implodiert, verkörpert Söder zusehends das Prinzip Stabilität in der Union.

Im Gestus eines Schuldirektors greift er nun in die machtpolitische Pausenhofkeilerei der CDU ein und fordert Disziplin: “In der derzeitigen Situation können sich Volksparteien nicht leisten, Brüche zu riskieren oder möglicherweise in Flügel zu zerfallen.” Söder richtet einen Appell “an alle” in der CDU. Die zerstrittene Schwesterpartei müsse wieder “ein Team darstellen”. Denn: “Am Ende gewinnt die Union immer nur im Team.”

Söder erinnert an die innerparteilichen Machtkämpfe der CSU. Ihm und seinem Vorgänger Horst Seehofer sei es gleichermaßen wichtig gewesen, “dass wir trotz unterschiedlicher Akzente keinen Bruch in der Partei bekommen”. Wechsel und Übergänge müsse man so organisieren, dass am Ende alle zusammenbleiben. “Wir als CSU haben letztes Jahr gemerkt, dass es nur miteinander geht”, mahnt Söder. “Ich würde sagen, von dieser Erfahrung sollten alle in der Union profitieren.”

Den Mahnruf aus München zur Geschlossenheit ergänzt Söder gleich noch mit einer strategischen Festlegung: “Man kann im Osten zwar Wahlen verlieren, aber gewinnen muss man sie vor allem im Westen … Wir müssen klar sehen, wer hier unser Herausforderer ist. Daher: Keine einseitige Fixierung nach Rechtsaußen! Der Hauptkonkurrent um Platz eins sind die Grünen. Sie müssen wir stärker in den Fokus nehmen.”

Das Dementi für eine Kandidaturenkandidatur ist echt

Markus Söder hat eine Strategie. Er will die Union in wilden politischen Zeiten als “Hort der Stabilität” und Retterin des Wohlstands positionieren: “Wir haben internationale Herausforderungen, die werden jeden Tag größer. Wir haben eine wirtschaftliche Herausforderung, die wird jeden Tag größer.” In solch einer Phase müsse die Union Fels in der Brandung sein, nicht aber die Brandung.

Man kann Söder derzeit beim politischen Wachsen regelrecht zuschauen. Er wächst zusehends sogar in die Rolle eines denkbaren Kanzlerkandidaten für die Union. Ihm werden Chancen zugesprochen, nach Franz Josef Strauss 1980 und Edmund Stoiber 2002 der dritte Unions-Kanzlerkandidat aus der CSU zu werden. Alle zwanzig Jahre wäre es soweit. Doch Söder will nicht. Das Dementi für eine Kandidaturenkandidatur ist echt: “Meine Ambitionen sind und bleiben hier in Bayern.”

Diese klare Positionierung stärkt zugleich seine Schiedsrichterrolle in der Union. Söder hat nicht nur ein Veto-Recht bei der Nominierung des Kanzlerkandidaten, denn der muss von CDU und CSU am Ende gemeinsam aufgestellt werden. Er ist ab sofort – genau so ist seine dieswöchige Intervention aus München zu verstehen – der Kanzlermacher. Weder AKK noch Merz, weder Laschet noch Spahn können gegen seinen Willen Merkels Nachfolger werden.

AKK mag Merkel hinter sich haben, Merz die Mehrheit des Wahlvolks, Laschet die gesellschaftliche Mitte – sie alle aber brauchen am Ende Söders Segen. Das legendäre Zitat von Franz-Josef Strauß – “es ist mir egal, wer unter mir Kanzler wird” – bekommt eine neue Aktualität. Die Pointe aber ist: Söder ist es nicht egal, er wird es gestalten.

Dieser Beitrag erschien zuerst auf The European

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Dietrich Herrmann / 07.11.2019

Der Söder ist einer, der sein Fähnchen nach dem Wind dreht. Man könnte ihn auch als Wendehals bezeichnen.

Hans-Peter Kimmerle / 07.11.2019

Markus Söder hat die CSU auf den Pfad grün-liberaler Werte getrimmt, unter Mithilfe seines gescheiterten EU-Freundes Manfred Weber. Ob die Beliebtheitswerte von M. Söder nach diesem Kurswechsel nachhaltig wirken, sei dahin gestellt. Jedenfalls hat die CSU den wesentlichen Teil ihres Markenkerns, nämlich konservative-patriotische Politik, einst verkörpert von FJS, ohne Not aufgegeben. Erschwerend kommt hinzu, dass die CSU mit ihrer Kehrtwende in der Migrationspolitik und dem Desaster um ihren EU-Spitzendkandidaten Manfred Weber total eingeknickt bzw. eingebrochen ist. Die Gefahr für die CSU, dauerhaft an der 30%-Marke (früher 50% plus X) herum zu dümpeln, ist durchaus realistisch. Damit hätte die CSU das Potential eines Landesverbandes der CDU. Mehr nicht.

Thomas Schmid / 07.11.2019

Söder der Kanzlermacher? Da ist dem Autor wohl die Euphorie-Sicherung durchgebrannt.  Im Augenblick noch zu viel der Ehre für diesen bayerischen Luftikus. Mit Anbiederung an die Grünen gewinnt man keine konservativen Wähler von den FW und der AfD zurück. Der muss sich in Bayern erst einmal bewähren und zunächst ein vernünftiges Wahlergebnis bei der nächsten BTW hinlegen. Bis das soweit gediehen ist, werden noch etliche Liter die Isar runterfließen.

Horst Kruse / 07.11.2019

Söder als Teamplayer - der Witz des Tages ! Söder ist der fleischgewordene Beweis für die Richtigkeit der These , Opportunismus sei der einzig verlässliche Faktor in der Politik. Söder brillierte noch vor kurzem noch mit Vokabeln wie ” Asyltourismus ” , jetzt zieht er eine Schleimspur in Richtung der grünurbanen Kosmopolitenblase .

Horst Kruse / 07.11.2019

Söder als Teamplayer - der Witz des Tages ! Söder ist der fleischgewordene Beweis für die Richtigkeit der These , Opportunismus sei der einzig verlässliche Faktor in der Politik. Söder brillierte noch vor kurzem noch mit Vokabeln wie ” Asyltourismus ” , jetzt zieht er eine Schleimspur in Richtung der grünurbanen Kosmopolitenblase .

Christina Weiser / 07.11.2019

Ganzschön hinterfotzig, dieser Söder.  Die Maske des grünen Shreks scheint ihm auf den Leib geschneidert, grüner Ab-Shrek stünde ihm besser.

beat schaller / 07.11.2019

Sie schreiben Herr Weimer : <<.” Söder richtet einen Appell “an alle” in der CDU. Die zerstrittene Schwesterpartei müsse wieder “ein Team darstellen”. Denn: “Am Ende gewinnt die Union immer nur im Team.” <<<  Tatsache in dieser Politik aber ist, dass nicht die Politik, sondern endlich der Bürger, und zwar der arbeitende und steuerzahlende Bürger und nicht Studenten und Intelektuelle, Antifa und sonstige Chaoten das Sagen haben.  Es braucht wieder Bodenhaftung und nicht Sprücheklopfer,  Schaumschläger, und sich wechselseitig ablösende Hyperventilatoren! Es braucht wieder eine Normalität, Rechtssicherheit und gleiches Recht, damit der Boden für Debatten zur Lösungsfindung der unzähligen nicht angegangenen Probleme bereitet wird. Erst darauf könnte der zerstörerische Stillstand beendet werden und durch Lösungen wieder voran schreiten.  Die Politik hat auf jegliche verdrehte Art schon so viel gewonnen, dass sie längst am verlieren ist.  Neue , fähige Köpfe in halber Menge von heute bräuchte das Land.  b.schaller

Tobias Kramer / 07.11.2019

Solange das Merkel noch ohne Hilfe laufen kann, stellt sich die Kanzlerfrage gar nicht. Sie wird es ein fünftes Mal machen, da gehe ich fast schon eine Wette ein. Die FDJ-Sekretärin aus der Uckermark hat noch lange nicht fertig mit diesem Land.

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