Dirk Maxeiner / 25.07.2008 / 08:51 / 0 / Seite ausdrucken

Jeder ein Messias

Von Maxeiner & Miersch erschienen in DIE WELT vom 25.07. 2008

Jesus Christus hat seine wundertätige Karriere damit begonnen, Kranke zu heilen. Mit solchen Kinkerlitzchen geben sich Politiker nicht ab. Die Stabilisierung der Krankenkassenbeiträge etwa ist viel zu konkret und nachprüfbar (und mit Wundern nicht zu bewerkstelligen). Da ist es attraktiver die Welt zu retten,  ersatzweise wenigstens Afrika. Eine neue Messias-Politik greift um sich, in Deutschland und der Welt. Das muss etwas mit dem Zeitalters des Wassermanns zu tun haben, das spätestens mit dem Musical Hair über uns gekommen ist („Age of Aquarius“). Die Beatles formulierten das politische Programm dazu: „All you need is love“. In der Version von Barack Obama und Hubertus Heil(!) heißt das: „Yes, we can.“ Im Prinzip kann also jeder Messias werden.

Deutschland braucht dringend Heil bringenden Nachwuchs - hier ein paar einfache Grundregeln für künftige Talente. Erstens: Meiden sie Appelle an die Vernunft und setzen Sie voll auf Leidenschaft. Schauen Sie sich zur Einstimmung Auftritte von Bono und Grönemeyer an. Die nüchterne Auseinandersetzung mit Fakten ist kleinkariert. Leidenschaftlich vorgetragene Gefühle machen hingegen authentisch und glaubwürdig. Sagen sie beispielsweise zu kriegerischen Konflikten etwas in der Art von „Make love not war“. Von den Hippies lernen, heißt siegen lernen.

Zweitens: Vorsicht vor allzu großer Nähe zur Realität, die wirkt sich immer störend aus. Sowohl das Problem, über das sie sprechen, als auch der Lösungsvorschlag sollte hinreichend hypothetisch und möglichst weit weg sein. Die Sorge um künftige Generationen ist geradezu ideal. Als vorbildlich darf ein Satz aus der Siegesrede Obamas nach dem Sieg über Hillary Clinton gelten. Das beschrieb er als einen „historischen Augenblick, da sich der Anstieg der Ozeane verlangsamte und der Planet zu heilen begann“. Ganz großes Kino!

Drittens: Ums so mehr Sie konkret sagen, desto weniger Menschen können sich damit identifizieren. Sagen sie also möglichst wenig. Aber es muss gut klingen.  Gebrauchen Sie Formulierungen wie „historische Stunde“, „Ethik der Verantwortung“ und „Versöhnung mit Mutter Erde“. Streuen Sie ab und zu einen Anglizismus ein, etwa „Make poverty history“.  Die Menschen wollen sich wohlfühlen. Führen Sie das Publikum metaphorisch über den See Genezareth. Verstören Sie ihr Publikum auf keinen Fall. „Ich bin ein Berliner“ ist beispielsweise viel besser als „Mr. Gorbatschow, reißen Sie diese Mauer nieder“. Deshalb wird John F. Kennedy in Deutschland verehrt und Ronald Reagan nicht - obwohl beide ziemlich identisch handelten.

Schlussendlich: Achten Sie stets auf eine bedeutungsschwere Kulisse. Angela Merkel lag unlängst mit den kalbenden grönländischen Gletschern voll richtig. Ideal wäre für künftige Ausflüge der Berg Ararat,  wo nach der Sintflut Noah mit seiner Arche angelandet sein soll. Leider rät das auswärtige Amt aus aktuellem Anlass vom Besuch der Gegend ab.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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