Wolfram Weimer / 16.08.2018 / 17:00 / Foto: yeowatzup / 36 / Seite ausdrucken

Ist die CDU näher an der Linkspartei als an der AfD?

In der CDU rumort es. Der Vorstoß ihres Ministerpräsidenten von Schleswig-Holstein, Daniel Günther, die CDU solle sich für Koalitionen mit den Linken öffnen, hat viele Parteifreunde irritiert, manche gar schockiert. Für Traditionalisten in der Union ist der Vorstoß – ausgerechnet zum Gedenktag des Mauerbaus – wie ein Verrat an der Seele der Christdemokraten. „In vielen Ortsverbänden herrscht offene Wut”, heißt es aus dem Adenauer-Haus. Für die meisten CDUler ist die Linkspartei die umbenannte SED, die Partei der Stasi und Mauerbauer, die Verkörperung der DDR. Nicht nur der CSU-Politiker und Vizepräsident des Bundestages Hans-Peter Friedrich ist entsetzt: „Teile der CDU scheinen völlig die politische Orientierung zu verlieren.”

Ausgerechnet in einer Krise, da die CDU sowieso um ihr konservatives Profil bangt, zündet der Merkel-Zögling in seiner Partei die politische Bombe des Sommers. „Er verstärkt damit bei unseren Wählern den Eindruck, dass es der CDU nur noch um Macht und nicht mehr um Werte gehe, dass wir so weit nach links gerückt sind, dass man selbst mit den SED-Nachfolgern koalieren kann”, klagt ein Unions-Bundestagsabgeordneter aus Ostdeutschland. Profitieren würde davon nur die AfD.

Günther hatte seine Partei aufgefordert, mit Blick auf mögliche Koalitionen mit der Linken in Ostdeutschland „auf Scheuklappen zu verzichten”. Er wies auf die schwierige Regierungsbildung in den östlichen Bundesländern hin und erklärte: „Wenn Wahlergebnisse es nicht hergeben sollten, dass gegen die Linke eine Koalition gebildet wird, muss trotzdem eine handlungsfähige Regierung gebildet werden. Da muss die CDU pragmatisch sein.” Die nächsten Landtagswahlen in Ostdeutschland finden im kommenden Jahr in Brandenburg, Thüringen und Sachsen statt. Überall wird die AfD so stark erwartet, dass Koalitionsbildungen der Mitte immer unwahrscheinlicher werden. Da das Merkel-Lager eine Annäherung der Ost-CDU an die AfD fürchtet, hat Günther nun das vermeintlich kleinere Übel ins Spiel gebracht.

Der Preis für diese Machtstrategie ist hoch

Den offenen Aufruhr in der Partei versuchen etliche CDU-Spitzenpolitiker zu beschwichtigen, allen voran die wahlkämpfenden CDU-Ministerpräsidenten von Sachsen und Hessen. Auch die CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer erklärte: „Wir lehnen eine Zusammenarbeit mit Linken und AfD weiterhin klar ab.” Günther wurde bedrängt, seine Äußerungen zu relativieren und zurückzurudern. Doch der Druck in der Partei nimmt nicht ab. Darum hat nun Angela Merkel selbst die Notbremse gezogen und dem Vorschlag ihres Parteifreundes öffentlich eine deutliche Absage erteilt. „Ich befürworte keine Zusammenarbeit mit der Linken-Partei, und das schon seit vielen Jahren”, sagte sie in Berlin.

Für Angela Merkel ist der Vorgang ein Problem. Günther gilt als ihr Vertrauter, ein sympathischer Zögling der neuen Generation und für manche sogar ein denkbarer Kronprinz – eine Art Anti-Jens-Spahn. Er ist in der Flüchtlingspolitik mit der Kanzlerin loyaler als die meisten anderen CDU-Spitzenpolitiker. Beide stehen für eine zu den Grünen hin offene Partei. Günthers Vorstoß wird daher als Fanal für ihre politische Strategie angesehen, die CDU so weit nach links zu führen, bis die SPD programmatisch enteignet ist. Nur Koalitionen mit der Linkspartei würden dazu noch fehlen.

Doch der Preis für diese Machtstrategie ist hoch, denn er spaltet die eigene Partei. Die Konservativen in der CDU trauen den Merkelianern nunmehr jede Prinzipienlosigkeit zu. Und sie diskutieren nun ihrerseits Koalitionsoptionen mit der AfD. Der Graben zwischen den beiden Lagern vertieft sich, und mit Blick auf den CDU-Parteitag im Dezember steigt die Spannung, welche Signale es in der Nachfolgedebatte um Angela Merkel wohl geben wird. Die Chancen von Daniel Günther, 2021 CDU-Kanzlerkandidat zu werden, haben sich jedenfalls dramatisch verschlechtert.

Dieser Beitrag erschien zuerst auf The European.

Sehen Sie zum gleichen Thema auch Wolfram Weimer bei Markus Lanz

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Leserpost

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M. Stoll / 17.08.2018

“Den Sozialismus in seinem Lauf halten weder Ochs noch Esel auf.” Über Honeckers gefühlt letzten Worte haben wir damals gelacht. Heute bleibt mir das Lachen im Halse stecken. Weiß in der CDU noch irgend jemand, was EINIGKEIT und RECHT und FREIHEIT bedeuten ? Für mich ist diese Partei im Dezember 2015 gestorben. Ich hatte auf dem Parteitag eine Abrechnung der Delegierten mit Merkel erwartet, aber sie bekam 11 Minuten langen Applaus auf ihrem Parteitag, von den merkelaffinen Medien handgestoppt und freudestrahlend verkündet. Ich dachte, ich bin in Nordkorea. Und ja, die CDU ist der Linkspartei inzwischen sehr nahe gekommen.

klaus Blankenhagel / 16.08.2018

@ Leane Kamari: Amerika ist gross, gute Menschen sind immer Willkommen…

J.P. Neumann / 16.08.2018

Wenn Merkel weg ist, dann sind CDU und SPD gleichauf- beide mit nahezu identischen Problemen. Was bei der SPD die Agenda 2010 war (kein Geld für Deutsche, aber unbegrenzte Mittel für Migranten ohne Pass), das ist für die CDU die tödliche Kombination aus Grenzöffnung und Islam.  Ehrlich gesagt finde ich es sogar gut.  Die CDU ist tatsächlich DAS Hindernis bei jeder Neuorientierung bzw Lösung.  Wenn sie zwischen AfD und Grünen zerrieben wird, dann kann das dem Staat nur guttun, weil es klare Verhältnisse schafft.  Denn der Merkelismus schafft nur grenzenlose Verwirrung.

Hans Weiring / 16.08.2018

Merkel hat auch die gleichgeschlechtliche Ehe nicht “befürwortet”, machte sich bei der Abstimmung darüber dann einen schlanken Fuß. “Nicht befürworten” heißt bei Merkel also nicht “Nein”.

Sabine Drewes / 16.08.2018

Wenn führende CDU-Politiker auch nur „laut darüber nachdenken“, mit der Linkspartei zu koalieren, die bis heute nichts weiter als eine (freilich sehr geschickt) mehrfach umbenannte SED darstellt, so haben diese Christdemokraten das letzte bisschen Selbstachtung verloren. Jeder, der das geteilte Deutschland noch bewusst miterlebt hat und der zugleich mit den Menschen, die unter der SED-Diktatur gelitten haben, mitgefühlt, mitgebangt und mitgehofft hat, wendet sich mit Grausen ab. Adenauer und Kohl würden sich im Grabe umdrehen!

Gabriele Schulze / 16.08.2018

Wenn’s hochkommt, hab ich noch zwanzig Jahre. Die Uckermarksche wahrscheinlich hundert. Vielleicht hab ich Glück und erlebe die Koalition der sog. Union mit der AfD noch. Vorerst greift ja nur die alte Blockflötenmentalität. Warte, warte nur ein Weilchen…...

R. Bunkus / 16.08.2018

So sehr es auch Schmerzen bereitet, das in einem demokratischen Umfeld konstituierte Parteienspektrum so zu beurteilen, aber das heutige nähert sich doch bedenklich der Nationalen Front der DDR an. Im Übrigen sind auch die Phrasen ähnlich genug mit denen jede Opposition der Zum-Wohle(-des-Volkes)-Einheitsmeinung als Nazi (dereinst faschistisch) abqualifiziert wird.

Gottfried Meier / 16.08.2018

Wenn man nicht alle Konservativen an die AfD verlieren will, bleibt der CSU gar nichts anders übrig, als sich auf ganz Deutschland auszubreiten. Die CDU ist für Konservative nicht mehr wählbar!

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