Bernhard Lassahn / 07.05.2015 / 22:24 / 2 / Seite ausdrucken

Haydn lebt auf. Ein Veranstaltungshinweis.

Es ist zwar noch etwas Zeit bis zum Jahre 2032, aber kurzfristig möchte ich eine Empfehlung für das laufende Jahr 2015 aussprechen und zwar sehr kurzfristig für den 8.5.2015 um 19.00 Uhr. Da wird es im Rahmen des Projektes „Haydn 2032“ in Berlin eine lange Haydn-Nacht geben, eine Radiale Nacht, mit der Präsentation des zweiten Bandes eben dieses Projektes „Haydn 2032“ mit il Giardino Armonico unter Leitung von Giovanni Antonini sowie mit Lesungen von mir.

Bis zum Jahre 2032 sollen alle Sinfonien von Haydn neu herausgegeben (daher der Name des Projektes) und in einen neuen Kontext gestellt werden, indem Haydns Werk durch Fotografie- und durch Literaturbeiträge ergänzt werden. Dazu hat mir - Ich habe die ersten beiden Texte geschrieben – Feuilletonscout drei Fragen gestellt, die ich auch an dieser Stelle beantworten möchte.

Frage:

Welche künstlerischen Ziele möchten Sie mit dem Projekt erreichen? Und welche persönlichen?
Die Musiker bemühen sich um eine so genannte historisch informierte Interpretation. Der Text tut es auch. Also habe ich Tatorte aufgesucht und versucht, in die Zeit zurückzureisen. Ich bin inzwischen in einem Alter, in dem ich das richtig gerne tue. Dabei konnte ich natürlich die modernen Kontaktlinsen, die ein jeder heutzutage hat, nicht problemlos herausnehmen. Ich habe trotzdem versucht, unbefangen zu bleiben und als „glücklicher Dilettant“ mit einer zweiten Unschuld an die Aufgabe heranzugehen.

Frage:

Wie nähern Sie sich textlich-literarisch dem Komponisten Haydn?

In Briefform. So hat sich auch die so genannte Gelehrtenrepublik, die „republic of letters“ verständigt, der Haydn als Kind seiner Zeit und als Intellektueller der besonderen Art angehörte. Die direkte Ansprache in einem Brief passt auch gut zur Musik, die uns ebenfalls unmittelbar anspricht und berührt – als wären wir persönlich gemeint.
Im ersten Text tue ich so, als würde ich meiner Tochter schreiben, die gerade in dem Alter ist, in dem Haydn war, als er seine ersten Sinfonien komponierte, und als erklärte ich ihr, welche Rolle die Leidenschaft in der Kunst und im Leben spielt und auch – es war schließlich Band 1 der Edition –, wie der erste Eindruck war, den Haydns Musik damals gemacht hat.

Im zweiten Text, in dem es um Originalität geht, tue ich so, als schriebe ich meinem Vater – einem Professor mit besonderem Faible für die Epoche der Aufklärung, in der die „auf sich selbst gestellten Persönlichkeiten“, wie Haydn einer war, auftraten. Mit ihm erörtere ich die Frage, inwieweit man seine Sinfonien als Versuch sehen kann, die „unsichtbare, innere Natur des Menschen“ mit eigenen wissenschaftlich-künstlerischen Mitteln zu vermessen, so dass man seine Sinfonien durchaus mit philosophischen Texten vergleichen kann, die ebenfalls versuchten, die Welt in ihrer Vielfältigkeit abzubilden.

Frage:

Was lieben Sie persönlich an Haydn?

Ich bin zum Glück im richtigen Alter mit den Beatles aufgewachsen, so dass ich da noch die Lust am Neuen spüren konnte sowie die grundsätzlich positive Lebenseinstellung, die ein lautes „Ja“ verkündet. So kommt man auf den Geschmack – und wenn man schließlich eine Art von Kunst besonders mag, bei der die Arme weit geöffnet sind, um möglichst viele Menschen zu umarmen, bei der ein Künstler aber gleichwohl auf seinen Besonderheiten und seinen Qualitätsansprüchen besteht, dann sucht man sich eben so seine Lieblinge aus. Dazu gehört Haydn.

Ein Musikfreund aus dem Jahre 1800 beschreibt sein Vergnügen an Haydn so, wie ich es selber nicht besser tun könnte: „Ich kann Ihnen nicht genug sagen, welch eine reine Behaglichkeit und welch ein Wohlsein aus Haydns Werken zu mir übergeht ... Die heitere, schalkhafte, gutmütige, geistreiche Laune, verbunden mit der übermütigen Phantasie, mit der Kraft und Gelehrsamkeit und Fülle – kurz dies Schwelgen in einem Frühling von Tönen und schönen Modulationen, kann das Leben angenehm machen.“

Sie lesen gern Achgut.com?
Zeigen Sie Ihre Wertschätzung!

via Paypal via Direktüberweisung
Leserpost

netiquette:

Dr. Hans-Peter Rösler / 09.05.2015

Sehr geehrter Herr Lassahn, ich habe den Text zu „Haydn 2032“ in Feuilletonscout gelesen. Obwohl es sich um einen Promotiontext mit seinen üblichen Floskeln handelt, möchte ich doch einen kurzen Kommentar dazu geben. Wenn davon die Rede ist, alle Sinfonien des Rohrauers würden im Rahmen dieses Projekts „neu herausgegeben“, so bedeutet dies gewiss nicht die neue Herausgabe der Sinfonien in Noten – die liegen (einschließlich der kritischen Berichte) ja fast alle bereits in der wissenschaftlichen Gesamtausgabe (1958ff) vor – sondern um Neuaufnahmen. Im Unterschied zu den Gesamtaufnahmen von Dorati und Fischer werden allerdings hier noch drei weitere Sinfonien aufgenommen (HobI: 106-108; HobI: 105 ist die „Concertante“). Die „Neuherausgabe bezieht sich somit im wesentlichen auf das, was in Feuilletonscout zwar verkaufsfördernd, nichtsdestoweniger aber widersprüchlich (oder zumindest vage) als „unverstellter“ und „zeitgemäßer“ Blick auf Haydn formuliert wird. Ob z. B. die Sinfonien Haydns sich dem Hörer wirklich “unverstellt” präsentieren, wenn z. B. die Streichinstrumente mit Saiten aus Därmen von handgestreichelten Puszta-Schafen bespannt sind, darf ebenso bezweifelt werden wie die Einbettung der Sinfonien in den historischen Kontext: Das, was dem Feuilletonisten als „unverstellter Blick“ erscheint, erweist sich für den Historiker als „zeitgemäßer Blick“, nämlich als perspektivische Betrachtung einer Zeitepoche, gelenkt durch den Geist der „Gegenwart“. An einer perspektivischen Betrachung ist nichts auszusetzen, solange man ihre Bedingungen offenlegt, was Feuilletonisten fast immer und Historiker (hier, Musikwissenschaftler) leider sehr oft vermeiden oder nur kryptisch andeuten. Ich will Sie jedoch nicht mit theoretischem Räsonnieren über Musikhistoriographie und –Ästhetik langweilen, sondern nur ein Beispiel für eine Perspektive der Haydn-Interpretation geben, die diese bis in unsere Tage beeinflusst hat, trotz aller Bemühungen der Haydnforschung in den letzten 70 Jahren. Sie beginnt quasi am 4. und 11. Juli 1810. In der Allgemeinen Musikalischen Zeitung Leipzig, Jahrgang 12 vom 4. Juli 1810 konnte der geneigte Leser in einer „Recension“ von Beethovens Sinfonie c-Moll Op. 67 (die “Fünfte”) u.a. folgende Zeilen lesen: „Seine Symphonie führt uns in unabsehbare, grüne Hayne, in ein lustiges, buntes Gewühl glücklicher Menschen. Jünglinge und Mädchen schweben in Reihentänzen vorüber; lachende Kinder hinter Bäumen, hinter Rosenbüschen lauschend, werfen sich neckend mit Blumen. Ein Leben voll Liebe, voll Seligkeit, wie vor der Sünde, in ewiger Jugend; kein Leiden, kein Schmerz; nur süsses, wehmütiges Verlangen nach der geliebten Gestalt, die ferne im Glanz des Abendrothes daherschwebt, und nicht näher kömmt und nicht verschwindet; und so lange sie da ist, wird es nicht Nacht, denn sie selbst ist das Abendroth, von dem Berg und Hain erglühen.“ Dies ist eine Charakteristik der Sinfonien von Joseph Haydn, die der Autor des Artikels dann mit denen Mozarts („In die Tiefen des Geisterreichs führt uns Mozart. Furcht umfängt uns: aber, ohne Marter, ist sie mehr Ahnung des Unendlichen.) und den (ersten sechs) Sinfonien Beethovens vergleicht (Beethovens Sinfonien führten in „... das Reich des Ungeheuren und Unermesslichen. Glühende Strahlen schiessen durch dieses Reiches tiefe Nacht, und wir werden Riesenschatten gewahr, die auf- und abwogen, ...). E. T. A. Hoffmans Rezension von Beethovens „Fünfter“, (ihr zweiter Teil erschien am 11. Juli 1810) gilt in der Musikforschung gemeinhin als ein herausragendes Dokument der romantischen Musikästhetik - aber auch als der Beginn von Haydns „Abstieg“ in der Gunst des breiten Publikums und der Zunft der Feuilletonisten und „Kulturwissenschaftler“. Haydn als „harmloser“ „Papa“, gar „kindlichen Gemüts“ (im Gefolge E. T. A. Hoffmans) oder als „ständiger Gast im Hause der Musik, aber eher langweilig als mitreißend“ (im Gefolge Robert Schumanns) geistert immer noch durch die Feuilletons und „Fachzeitschriften“. Es bleibt abzuwarten, ob das Projekt zu einer Haydnrenaissance führen wird. Für mich wird es interessant sein, in den nächsten 17 Jahren die verschiedenen Perspektiven des „unverstellten“ Blicks durch den Wandel der „zeitgemäßen“ Betrachtungsweise zu beobachten. Ob sich Haydn in den Augen von Feuilletonisten und Musikliebhabern so wandeln wird, wie einst Mozart nach Erscheinen von Hildesheimers Mozartbuch, wage ich allerdings zu bezweifeln.

Michael Vogeler / 08.05.2015

Das wird ein Haydn-Spaß :-)

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen
Bernhard Lassahn / 15.10.2023 / 10:00 / 17

Holland und der blühende Unsinn

Als Kind waren Reisen nach Holland für mich das Größte. Wie lehrreich sie waren, wurde mir erst später klar. So sorgte ein Besuch der berühmten…/ mehr

Bernhard Lassahn / 08.10.2023 / 10:00 / 28

Holland und der Blick in die Unendlichkeit

Als Kind waren Reisen nach Holland für mich das größte. Der weite Blick durch fensterlose Gardinen öffnete meinen Horizont. Und das Gespür der Holländer für…/ mehr

Bernhard Lassahn / 27.11.2022 / 10:00 / 14

Wenn nicht Liebe, was sonst? 100 Jahre Georg Kreisler

Vor hundert Jahren wurde Georg Franz Kreisler in Wien geboren. Happy birthday.  Auf dem Blog ‚Tapfer im Nirgendwo‘ von Gerd Buurmann hatte ihm David Serebryanik rechtzeitig ein…/ mehr

Bernhard Lassahn / 19.06.2022 / 12:00 / 18

Was haben Männergewalt und Corona-Zahlen gemeinsam?

Angesichts des Falles Johnny Depp habe ich mir die Zahlen zur Männergewalt noch einmal angesehen. Dabei ist mir aufgefallen, dass bei der Berichterstattung über Corona…/ mehr

Bernhard Lassahn / 10.05.2022 / 16:00 / 28

„Pandamned“ – der Film zur Pandemie

Der Film kommt just zur rechten Zeit: Die allgemeine Panik macht gerade eine Frühlings-Pause, wir können ein wenig verschnaufen und uns besinnen. Das müssen wir auch, um…/ mehr

Bernhard Lassahn / 18.04.2022 / 12:00 / 31

Zurück zur Menschlichkeit: Das große Corona-Latinum

Ein wenig humanistische Bildung kann bei der Aufarbeitung des Corona-Regimes durchaus nützlich sein. Etwa mit diesen ewigen Wahrheiten: „Quod licet Iovi non licet bovi". „Pecunia…/ mehr

Bernhard Lassahn / 17.04.2022 / 16:00 / 20

„Der grüne Planet“ oder die Hölle

Hier erfahren Sie alles, was man über den harten Kern der links-grün-feministischen Gedankenwelt wissen sollte. Sehen Sie sich den Film an! Diesen hier, la Belle Verte. Eine liebe…/ mehr

Bernhard Lassahn / 06.01.2022 / 06:15 / 152

Wie würden Nazis heute reden?

Mit der Sprache fängt es an. Sie ist ein Frühwarnsystem, das leicht nachvollziehbar herannahende Fehlentwicklungen in einer Sprachgemeinschaft anzeigt. Hier, ganz besonders hier, ist die…/ mehr

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com