Lieber Günter Grass!
Anläßlich Deines 80. Geburtstages, zu dem wir herzlich gratulieren, möchten wir noch einmal Dein engagiertes und mahnendes Eintreten für die Bürgerrechte im Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg einer angemessenen Würdigung unterziehen:
Als viele Deutsche im Jahre 1945 zunächst noch froh und glücklich über ihre Befreiung durch die Amerikaner zu sein schienen, hast Du uns bereits dankenswerterweise die Augen geöffnet, indem Du schon in der “Stunde Null” mutig Deine mahnende Stimme gegen die rassistische Diskriminierung schwarzer amerikanischer Soldaten durch ihre weißen Vorgesetzten erhoben hast.
Als die Bürger der DDR im Jahre 1989/90 offensichtlich genug von der stalinistischen Diktatur hatten und statt der Losung “Wir sind das Volk!” plötzlich die Parole “Wir sind e i n Volk!” skandierten, hast Du dankenswerterweise diskret aber nachdrücklich die Maßstäbe zurechtgerückt und uns darauf hingewiesen, daß die deutsche Teilung schließlich “die gerechte Strafe für Auschwitz” und die DDR am Ende nichts als eine “kommode Diktatur” gewesen sei.
Wegen Deiner großen Verdienste um die Demokratie, die Du bereits vor 1945 durch Deine Mitgliedschaft bei der Hitler-Jugend und der Waffen-SS nachhaltig unter Beweis stellen konntest, wollen wir auch heute, wo die Bundesrepublik Deutschland sich “auf dem Weg zum Überwachungsstaat” befindet und in eine schleichende Diktatur nach dem Modell der USA unter dem Diktator George W. Bush abzugleiten droht, nicht auf Deine engagierte und mahnende Stimme verzichten.
Auch wenn Marcel Reich-Ranicki und andere vermeintliche Literaturkritiker der Meinung sein sollten, von Deinem äußerst umfangreichen literarischen Werk blieben am Ende womöglich nur die Novelle “Katz und Maus” sowie ein paar Gedichte übrig, laß Dir gesagt sein:
Für uns bleibst Du nicht nur der größte noch lebende deutsche Schriftsteller des 20. Jahrhunderts, sondern auch die alles entscheidende moralische Instanz der bundesdeutschen Nachkriegsgesellschaft, deren wichtigste Lehre aus Auschwitz ihre klügsten Söhne und Töchter im Jahre 1968 in der markigen Parole “USA-SA-SS” kurz aber prägnant zusammenfaßte und über öffentliche Straßen und Plätze dieses Landes trug.
So bleibt uns nur, Dir, lieber Onkel Günter, alles Gute zum Geburtstag zu wünschen und Dich inständig darum zu bitten, in Deinem Einsatz für die Demokratie und gegen das Böse dieser Welt um keinen Deut nachzulassen und Dich auch nicht zu sehr zu grämen, wenn Dein einstiges großes Vorbild, der ewige Friedenskanzler Gerhard Schröder, nunmehr gezwungen ist, seine Rente mühsam bei der russischen Firma “GAZPROM” zu verdienen.
Aber schließlich bestätigt er damit ja nur den bekannten Ausspruch eines Deiner berühmtesten literarischen Helden, Oskar Matzerath, aus der “Blechtrommel”, der einst den mutigen Ausspruch prägte:
“Es war einmal ein Volk, das glaubte an den Weihnachtsmann. Doch der Weihnachtsmann war in Wirklichkeit der Gasmann.”