Sind wir schon wieder soweit? Müssen wir uns allen Ernstes auf den Orwellschen Überwachungsstaat vorbereiten? Oder sollten wir besser gleich die Koffer packen und, ja wohin denn eigentlich, auswandern?
Wenn man sich den am Pfingstsonntag anläßlich von “60 Jahre Grundgesetz” im “Bayrischen Rundfunk” ausgestrahlten Film “GG 19 - Eine Reise durch Deutschland in 19 Artikeln” anschaut kommt einem bisweilen das kalte Grausen.
So bekommt der eher unerfahrene Fernsehzuschauer in etwa folgenden Eindruck von diesem unserem Land:
Die Menschenwürde ist nichts weiter als die Freiheit der Medien, Menschen in ihrer Not öffentlich vorzuführen. Die Freiheit der Person ist die Freiheit zur Armut als individueller Protest gegen eine menschenfeindliche Konsumgesellschaft. Die Gleichberechtigung der Frau liegt in der Möglichkeit der sexuellen Bevorzugung am Arbeitsplatz. Ein Mädchen benutzt seine Glaubensfreiheit dazu, um gegen den Willen seines Vaters ins Kloster zu gehen. In der Schule kämpfen die bösen Nazis gegen eine muslimische Lehrerin. Im Bereich Ehe und Familie mißbraucht ein Vater seine Tochter. Ein vormals Arbeitsloser wird zum “Arbeitskampfdirektor”, was immer das auch sein mag. Die Freizügigkeit besteht darin, auf dem Lande in einem baufälligen Haus zu wohnen, durch das fast ein ICE mit ohrenbetäubender Lärmbelästigung hindurchrast. Berufsfreiheit ist die Freiheit sich zu prostituieren. Der Briefträger einer schwäbischen Kleinstadt weiß alles über seine Nachbarn und seine Informationen werden von fiesen Geheimdiensten instrumentalisiert, um den totalen Überwachungsstaat ins Leben zu rufen. Die Erben einer Fabrikantendynastie liegen in der sozialen Hängematte und mißachten die Sozialpflichtigkeit des Eigentums. Die Möglichkeit der Enteignung tritt erst bei der Enteignung eines künstlich befruchteten Kindes in Kraft. Eine Schwarze wird unter Mißachtung des grundgesetzlich garantierten Asylrechts brutal abgeschoben. Und ein Petitionsbeauftragter fordert die Insassen eines Linienbusses zur kollektiven Beschwerde gegen diesen unseren “Unrechtsstaaat” auf.
Ich gebe zu, auch ich habe bei dem Eindruck, den ich vom Zustand der Grund- und Menschenrechte in diesem unserem Lande durch den Film erhalten habe ein wenig übertrieben. Aber im Großen und Ganzen entspricht dieser schon den vermeintlichen Intentionen der Autoren und Filmemacher.
Meine absolute Lieblingsszene in dem Film war allerdings die folgende:
Vor dem Berliner Reichstag, oder - um im politisch korrekten Sprachgebrauch zu bleiben - vor dem “Deutschen Bundestag im Berliner Reichstagsgebäude” (!) protestiert eine ältere Dame mit einem selbstgebastelten Transparent mit der Aufschrift “Nie wieder!”, bis ein Pförtner des Reichstagsgebäudes angesichts der in Massen in das Gebäude eindringenden BesucherInnen sich mit einem zweiten Transparent mit der Aufschrift “Gemeinsam sind wir stark!” hinzugesellt.
Wie sagte doch der leider viel zu früh verstorbene Publizist Johannes Groß einst so schön? “Der Widerstand gegen Hitler und die Seinen wird umso heftiger, je länger das Dritte Reich tot ist!”
Es wird höchste Zeit, daß der gesamte “Deutsche Bundestag im Berliner Reichstagsgebäude” sich den Film “GG 19” anschaut, damit er endlich begreift, in was für einem schrecklichen, historisch äußerst belasteten Gebäude er Tag für Tag seine Sitzungen abhält, und auch jede deutsche Schulklasse sollte sich diesen Film gemeinsam mit
ihrem Gemeinschaftskundelehrer anschauen, denn gerade angesichts einer massiven Einschränkung der Grund- und Freiheitsrechte nach den Terroranschlägen von 9/11 gilt auch bei uns die altbekannte Parole:
“Wehret den Anfängen!”