Gastautor / 15.12.2011 / 11:49 / 0 / Seite ausdrucken

Jüdische Bankenverschwörung?

Michael Hudson (Frankfurter Allgemeine, 03.12.11) deckt einen „Krieg der Banken gegen das Volk“ auf. Die Namen ihrer Eigentümer werden nicht genannt. Aber mächtig sollen sie schon sein, denn sie verfügen über servile Politiker, die in ihrem Interesse die Demokratie aushebeln. Die New Yorker Occupy –Bewegung marschiert am 18. Oktober 2011 vor die Häuser von John A. Paulson (Paulson&C.), Stephen A. Schwarzmann (Blackstone Group) und Jamie Dimon (Ceo JP Morgan Chase) und zeigt auf einem Plakat das abgeschlagene und auf eine Stange gesteckte Haupt Lloyd C. Blankfeins von Goldman-Sachs (http://www.nytimes.com/2011/10/19/business/protests-are-a-payday-for-security-firms.html?pagewanted=all).

Dass Jamie Dimon nicht jüdischer Herkunft ist, hilft ihm nicht. Der Namensverdacht reicht – auch auf anderen antisemitischen Internetforen wie etwa /www.topix.com/forum/afam. Schon Ende 2008/Anfang 2009 – also kurz nach dem Crash – sehen gleich 31 Prozent von sieben Völkern Juden als die Schuldigen hinter der Finanzkrise (Deutschland, Frankreich, Österreich, Polen, Spanien, Ungarn und UK; http://www.adl.org/NR/exeres/B00B5BB3-2444-4663-A329-07C7FB0F3178,0B1623CA-D5A4-465D-A369-DF6E8679CD9E,frameless.htm).

„Das Volk“ dürfte mit dem Zurückschlagen der „Angreifer“ noch lange nicht fertig sein. Bei Nachfrage käme wohl die flachschlaue Ausflucht, dass die Protest-Slogans schließlich auch von Juden gerufen würden. Das ist richtig, aber die Richtigkeit von Aussagen wird so nicht ermittelt. Und es wird die jüdischen Radikalen kaum schützen. ReasonTV zeigt ihnen das mit einem Occupy-Mann aus Los Angeles: „Ich denke, dass die zionistischen Juden, die unsere großen Banken und unsere Zentralbank beherrschen … aus dem Lande abhauen müssen” (http://kleinonline.wnd.com/2011/11/08/look-whos-behind-occupy-jew-hating-latest-astonishing-claim-protests-represent-torah).

Nun ist es kein Geheimnis, dass etwa in der amerikanischen Vermögenshierarchie Juden um einen Faktor nahe 20 häufiger vertreten sind als in der Gesamtbevölkerung. Zutreffend ist aber auch, dass zu den amerikanischen Nobelpreisträgern 26-mal mehr Juden gehören als zu den US-Einwohnern. Nun gibt es Leute, die selbst diese Auszeichnungen als Früchte von Macht- und Durchstechereien diffamieren (janbiro.com/THE_JEWISH_BIAS_OF_THE_NOBEL_PRIZE.pdf).

Lediglich gegen Jamaika gibt es noch keine Verschwörungsvorwürfe für seine vielen Sprintgoldmedaillen. Einstweilen wird man also nach dem Gemeinsamen für jüdische Erfolge nicht nur bei Geld und Geist, sondern auch auf etlichen anderen Feldern suchen. Dabei stößt man schnell auf überdurchschnittlich hohe verbale und mathematische Fähigkeiten vor allem von Aschkenasen. Und wenn zwei in derselben Struktur oder auf derselben Rennbahn gegeneinander antreten, dann wird nun einmal der Gescheitere oder Schnellere ohne jeden Einsatz von Gewalt vorne liegen. In einer Nation sind das die einheimischen Könner welcher Herkunft auch immer. Gibt es Juden in der - immer als Minderheit zu fassenden - Intelligenz, wird der Antisemitismus sein Haupt erheben. Sind es Diaspora-Chinesen, können sie zu einer genozidbedrohten Minderheit werden. Global schaffen es ganze Nationengruppen -  wie die JaChinKos Ostasiens (Japaner, chinesische Staaten, Süd-Korea) – an die Spitze der Menschheit. Auch ihnen werden dann finstere Machenschaften unterstellt. Doch auch für sie ist belegt, dass sie mathematisch deutlich vor den Europäiden liegen.

Im Geschäft zu unterliegen, bedeutet für die zahlungsunfähigen Schuldner, dass sie statt des fehlenden Geldes (Eingriffsrechte gegen Geldschaffer-Eigentum) das dafür bisher bloß verpfändete Eigentum endgültig hergeben müssen und so als Vermögende verschwinden. Konkurrenten mögen dabei ihr Unternehmen für einen Ramschpreis kaufen und dafür ihre Last übernehmen oder Bankeigentümer vollstrecken in ihr Eigentum und steigern dadurch das Volumen des ihrigen. Bis hierher ist keinerlei Macht im Spiel, denn auch die Erfolgreichen können zum Kauf ihrer Waren niemanden zwingen. Doch nach dem Bankrottkonkurrieren von immer mehr schwächeren - in der Regel also einfallsloseren Unternehmen - kommt es zu immer stärkerer Eigentumskonzentration.

Man soll Michael Hudson nicht vorhalten, dass er das Wirtschaften nicht versteht. Schließlich ist er Anhänger der Klassik von Adam Smith (1723-1790) bis Karl Marx(1818-1883), die in der Tat eine Theorie der Macht und nicht eine Theorie der Wirtschaft vorlegt. Aber bei seinem munteren Durchforsten der Antike hätte er durchaus fündig werden können. Denn schon Lukrez (99-55 v.u.Z.) weiß: “Nach der Burgenherrschaft kam das Eigentum mit dem Geld [“Gold”], welches die Starken und Schönen der früheren Ehre leicht beraubte“ (De Rerum Natura, V: 1113-1114).

Die Macht von Feudalherren und die Muskelüppigkeit von Kriegern soll jetzt nichts mehr ausrichten dürfen. Wollen sie weiter vorne mitspielen, hilft keine Verschwörung, sondern nur die unternehmerische Eigentumsverteidigung und dabei zählt nun einmal Verstand und Umsicht. Denn Unternehmer sind Leute, die permanent die nicht-physische Eigentums-Seite ihres Vermögens gegen Preisverfall und Vollstreckung verteidigen müssen. Das tun sie durch Innovationen auf der physischen Besitzseite, im „Betrieb“ also, wo Waren modifiziert und Fertigungsprozesse revolutioniert werden. Für die Umsetzung dieser Innovationen müssen sie Geld in Anlagen und Löhne investieren.

Für die Erlangung dieses Geldes müssen sie Kreditverträge mit Geschäftsbanken eingehen, in denen sie das zu verteidigende Eigentum erst einmal verpfänden und zusätzlich noch Zins zusagen müssen. Gelingt die Innovation und kann sie Verkauf, also Markt schaffen, fallen umgehend die Preise der Konkurrenzunternehmen. Dadurch verlieren sie umgehend Haftungsmasse verlieren, was laufende Kredite in Unterbesicherung bringt. Das zwingt sie in denselben Prozess der schuldengetriebenen Innovation. Sie müssen also gegen bereits fallende Preise ihres Vermögens Kredit suchen, um die Chance – mehr nicht – zu verteidigen, weiterhin am Markt zu bleiben. In dem Falle erlangen sie über Verkäufe gegen Geld Mittel für ihre Kredittilgung und machen damit ihr Eigentum für neuerliche Verpfändungsfähigkeit frei. Die Scheiternden hingegen müssen ihr Eigentum an die Gläubiger übertragen.

Die daraus entstehende Eigentumskonzentration kann dann durchaus als Macht in der Weise eingesetzt werden, dass große Eigentümer ihre Schulden überwälzen wollen, obwohl sie über genügend eigene Haftungsmasse verfügen. Das gelingt 2008 jedoch nicht so sehr durch feudale Machtausübung à la Hudson, sondern weil Politiker das ökonomische System nicht verstehen und dabei eben auch von einem Hudson im Stich gelassen werden. Das System hätte verlangt, dem Leistungssektor aus Unternehmen und Arbeitern auch nach Auslöschung des Eigentums ihrer bisherigen Banken Kredit zu ermöglichen. Dafür hätte man ihnen für einen fixen Zeitraum direkten Zugang zu den Zentralbanken einräumen können. Das wäre nichts Neues gewesen und im vorgesehenen Zeitraum hätten unbeschädigte Vermögende neue Banken aufgebaut. Die geschlagenen Eigentümer hätten allerdings vor Totalverlusten gestanden und dann doch lieber Teile ihres Vermögens für die Rettung ihrer Häuser eingesetzt. Selbst das Ankaufen von Staatsanleihen, das bisher durch jene Bankeigentümer erfolgte, hätte temporär von den Zentralbanken übernommen werden können. Jetzt müssen sie das sogar ohne Begrenzung tun.

Es ist nicht ohne Ironie für die Antisemiten, dass bis heute nur für Goldman-Sachs offenliegt, was die Eigentümer hätten stemmen können. Seine 860 Partner haben vor dem Crash von 2008 ein für die Firma ausgewiesenes Vermögen von 30 Milliarden Dollar. Die Verluste durch Subprime-Kredite betragen 12,9 Milliarden Dollar, die bei AIG versichert sind. Die gleichzeitigen Versicherungsschäden für viele Banken à la Goldman löschen AIG jedoch aus. Alle versicherten Bankeigentümer hätten nur noch einen Bruchteil ihrer Verluste ersetzt bekommen. Das aber verhindert die US-Regierung durch Verstaatlichung von AIG. Goldmann-Sachs erhält seine 12,9 Milliarden Dollar 1:1 ausgezahlt. Seine 860 Partner müssen deshalb nicht von 30 auf 17,1 Milliarden abspecken. Doch die Deutsche Bank erhält auch 11,8 Milliarden Dollar. Was ihre Eigentümer – und die zahlloser anderer Banken - selbst hätten aufbringen können, harrt noch der Offenlegung.

Das Heranziehen der Bankeigentümer wäre zwar kein Schuldenerlass gewesen, aber ein Verzicht auf eine immense Zusatzverschuldung der Staatsbürger, die als solche ja ebenfalls nicht zum Leistungssektor gehören, anders als die Bankeigentümer aber auch noch ohne Haftungsmasse sind. Für ihre Schulden gibt es nirgendwo bedienungsfähige Leistung. Dennoch sind antike Vorbilder des Schuldenerlasses nur begrenzt hilfreich. Damals verlieren Große ihre Forderungen, werden dabei etwas kleiner, behalten aber ihre Kompetenz und liegen durch deren Einsatz auch ohne Macht ökonomisch bald wieder vorne. Das ist im Prinzip auch heute zumutbar. Deshalb haben Otto Steiger (1939-2008) und ich 1996 in Eigentum, Zins und Geld geschrieben, dass für eine regelmäßige Wiederherstellung von genereller Verschuldungsfähigkeit eine Neuverteilung von Eigentum à la Romulus in der Stunde seiner ersten Schaffung mit der Roma Quadrata erforderlich wird. In der jetzt so schuldvergebungswilligen Frankfurter Allgemeinen gab es damals harschen Tadel (18.11.1996). Armut ist ja definiert durch die Abwesenheit von Verschuldungsfähigkeit und die durch Fehlen verpfändbaren Eigentums. Da nur das, nicht aber der Verstand neu zugeschnitten werden kann, kommt auch der Antisemitismus immer wieder.

Allerdings muss heutzutage beim Griff zu den Haftungsmassen viel genauer sortiert werden. Denn die ganz großen Forderungen halten längst Versicherungsunternehmen. Wenn die Schulden des Staatsbürgers bei ihnen gestrichen werden, verliert dessen privatbürgerliche Seite die Pension. Das kann man ihm womöglich nicht ersparen, aber deutlich mache sollte eine gute Zeitung das schon.

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