Die Grünen wollen Großspenden von mehr als 100.000 Euro an eine Partei verbieten, zum Erhalt der Unabhängigkeit. Gleichzeitig kassieren sie gerade Millionen-Spenden. Werden sie jetzt abhängig?
Eigentlich dürfte es sie nach dem eigenen Wahlprogramm gar nicht geben, Großspenden, die 100.000 Euro übersteigen. „Parteispenden sollen auf natürliche Personen beschränkt und auf einen jährlichen Höchstbetrag von 100.000 Euro je Spender*in gedeckelt werden“, heißt es im Wahlprogramm zur Bundestagswahl 2021. „Spenden an Parteien von natürlichen Personen sind mit einer jährlichen Obergrenze zu versehen, um die Unabhängigkeit von ökonomisch mächtigen Interessen zu garantieren", hieß es seinerzeit in der Begründung, mit der diese Regel beim Parteitag beantragt wurde.
Nun verstehen viele Grünen-Politiker auch die Regeln und Verbote, die sie sich selbst gern ausdenken, im Zweifel so, dass sie vor allem für die Anderen gelten sollen. Das bedeutet nicht, dass sie deshalb mit gutem Beispiel voran gehen müssten. Das sollen wir in Deutschland zwar beim sogenannten Klimaschutz schon einmal stellvertretend für den Rest der Welt tun, doch wenn es ums eigene Geld geht, wird der Drang zur Vorbildwirkung schnell schwächer. Nein, falsch, nur wenn es ans eigene Geld geht. Um Geld geht es beim sogenannten Klimaschutz auch, aber hier wird in die Taschen der grünen Klientel umverteilt. Da ist dann Vorbildwirkung angezeigt.
Aber zurück zu den Parteispenden. Die Obergrenzen-Freunde haben, wie focus.de berichtet, selbst vier von zehn Großspenden angenommen, deren Beträge deutlich darüber lagen. Zuletzt habe der niederländische Medienunternehmer Steven Schuurman 1,25 Millionen Euro an die Grünen gespendet. Es wäre "die größte Einzelspende, die Bündnis 90/Die Grünen bisher erhalten haben", habe die Partei mitgeteilt. Der Milliardär Schuurman, Jahrgang 1975, sei Co-Gründer und Ex-Chef des Datensuch- und Analyseunternehmens Elastic und Mitbegründer von Atlantis Entertainment, heißt es in Medienberichten.
Im Vergleich lägen die Grünen bei der Höhe der Einzelspenden damit bislang in diesem Jahr an der Spitze. Und tun sie wegen der Verletzung der selbst angestrebten Regeln wenigstens ein bisschen zerknirscht? Immerhin demonstrieren sie, gemessen an den eigenen Programm-Maßstäben, eine mangelnde „Unabhängigkeit von ökonomisch mächtigen Interessen“. Doch offenbar müssen sie innerhalb der eigenen Anhängerschaft – und damit auch in den meisten deutschen Redaktionen – nicht fürchten, dass jemand diesen Maßstab anlegt bzw. diesen Umkehrschluss zieht.
Stattdessen jubeln sie wie die Abhängigen: "Wir freuen uns sehr über die großzügige Unterstützung, denn jeder Euro für die Grünen ist ein Euro für den Klimaschutz", habe Grünen-Bundesgeschäftsführer und Wahlkampfmanager Michael Kellner dem "Handelsblatt" gesagt. Und von den Euros, die mitregierende Grüne u.a. unter der Klimarettungsfahne mobilisieren können, verspricht sich offenbar so mancher Millionär so viel, dass sich eine Millionen-Investition in die Partei zu lohnen scheint. Möglicherweise bin ich auch nur zu sehr von Sozialneid zerfressen, wenn ich nicht glaube, dass Millionenspender an Parteien vollkommen altruistisch nur Gutes mit ihrem Geld tun wollen und es deshalb der Partei der Berufs-Guten übereignen. Zu den neuen Großspendern gehört auch Bitcoin-Investor Moritz Schmidt, der vor ein paar Monaten eine Million Euro gespendet hat.
Insgesamt seien in diesem Jahr 10,9 Millionen Euro per Großspenden in die Kassen der Bundestagsparteien geflossen. 2017 sollen es in den neun Monaten vor der Bundestagswahl nur knapp 5,3 Millionen Euro gewesen sein. Insgesamt liege die FDP bei den Spendeneinnahmen mit bislang 3,7 Millionen Euro vorn, gefolgt von den Grünen mit 3,4 Millionen. Die CDU, bisher immer an der Spenden-Spitze, sei mit 2,8 Millionen Euro auf den dritten Platz verwiesen worden.