Großbritanniens Plutonium: Abfall oder Glücksfall?

Großbritannien hat seit 1950 einen stattlichen Vorrat (allein über 140 Tonnen aus der zivilen Nutzung) an Plutonium angesammelt, mit dem nun etwas geschehen muss. Für Atomkraftgegner ist Plutonium schlicht der „gefährlichste Stoff der Welt“ – für verantwortungsbewusste Energietechniker eine nahezu unerschöpfliche Energiequelle.

Nur der Energiegehalt von diesen 141,8 Tonnen entspricht:

  • 3,2 Petawattstunden (PWh) oder
  • 425 Millionen Tonnen Kohle oder
  • 5,5 Milliarden Barrel Öl oder
  • 323 Milliarden Kubikmeter Erdgas.

Zum Vergleich: 2018 wurden 58,8 Milliarden Kubikmeter Erdgas aus Russland durch die Nord-Stream-Pipeline importiert. Das entspricht also ungefähr 5,5 Jahre Bezug. Will/Kann man wirklich darauf verzichten? Die Diskussion ist noch nicht abgeschlossen. Muss sie auch gar nicht sein, denn es dauert ohnehin noch Jahrzehnte, bis in GB ein geologisches Tiefenlager zur Endlagerung in Betrieb geht. Im Moment geht es nur um eine sichere Zwischenlagerung für maximal 100 Jahre.

Zur Geschichte

Von 1957 bis 2022 wurden in Sellafield abgebrannte Magnox (Magnesium non oxidizing)-Brennstäbe aus den gleichnamigen Reaktoren (Natururan, Graphit moderiert, CO2 gekühlt) aufbereitet. Ab 1994 kam die Aufbereitung als Dienstleistung in der THORP-Anlage (THermal Oxide Reprocessing Plant) für Brennstäbe aus Leichtwasserreaktoren hinzu. Kunden waren unter anderem Japan und Deutschland. Jedenfalls gehört GB neben Frankreich und Russland zu den Ländern mit der meisten Erfahrung auf diesem Gebiet.

Die Wiederaufbereitung von Brennstäben zur Gewinnung des Plutoniums gehört neben der Urananreicherung zur Schlüsseltechnologie für Kernwaffen. In Frankreich und GB ging man nahtlos in die kommerzielle Nutzung über, weil man dem Irrtum einer baldigen Erschöpfung der wirtschaftlichen Natururan-Vorkommen aufgesessen war. Beide Länder bauten sog. schnelle Brüter (Dounreay Fast Reactor (DFR), 1959–1977, Prototype Fast Reactor (PFR) 1974–1994; Phénix 1973–2010, Superphénix 1986–1998), die inzwischen wegen mangelnder Wirtschaftlichkeit wieder abgeschaltet wurden. Man könnte auch sagen, sie waren ihrer Zeit einfach zu weit voraus. Nun sitzt man aus dieser Zeit auf großen Mengen Plutonium, deren Lagerung viel Unterhalt kostet. So oder so muss eine Lösung her.

Der Zeithorizont

In GB gibt man nun ein Zwischenlager für 100 Jahre zur sicheren Einlagerung vor. Wem das zu lang vorkommt, dem sei gesagt, dass ein geplantes geologischen Tiefenlager nicht vor 2060 in GB zur Verfügung steht. Es wäre also noch genug Zeit für eine entsprechende „Verpackung zur Endlagerung“. Ebenfalls gibt es noch keine Planung für Reaktoren mit schnellem Neutronenspektrum in GB. In Arbeit sind vier Druckwasserreaktoren (Hinkleypoint C und Sizewell C), in Planung mehrere SMR von Rolls-Royce und evtl. ein Hochtemperaturreaktor.

Damit ist die Vorgabe klar: Das Plutonium soll in einer möglichst flexiblen Form – geringster Aufwand bei der späteren Herstellung von Brennelementen oder Endlager-Eignung – überführt, sicher verpackt und sicher in einem neu zu errichtenden Zwischenlager eingelagert werden.

Der Plutoniummix

Die Zusammensetzung des Plutoniums hängt stark von seiner Entstehung ab. Plutonium (Pu) hat die höchste in der Natur vorkommende Ordnungszahl 94. Es ist ein giftiges und radioaktives Schwermetall. Für die Kerntechnik ist die Massenzahl (Protonen + Neutronen) der Plutonium-Isotope von Bedeutung. Gefragt ist das Isotop Pu239, das durch das Einfangen eines Neutrons aus U238 in einem Reaktor entsteht (über das Zwischenprodukt Np239). Wenn Pu239 ebenfalls ein Neutron einfängt, kommt es überwiegend zu einer Spaltung, aber in wenigen Fällen auch zur Entstehung von Pu240. Dieser Aufbau kann schrittweise bis zu Pu244 erfolgen. Die Zusammensetzung des bei der Wiederaufbereitung gewonnen Plutoniums hängt wesentlich davon ab, wie lange es im Reaktor war. Die Halbwertszeiten (Zeit, nach der jeweils die Hälfte umgewandelt ist)  sind überwiegend sehr lang. Daraus begründet sich hauptsächlich ein „geologisches Tiefenlager zur Endlagerung“: Es dauert hunderttausende Jahre, bis das erzeugte Plutonium wieder (fast vollständig) verschwunden ist. Umgekehrt könnte man sagen, dass der „sicherste Aufbewahrungsort“ in einem geeigneten Reaktor ist: Denn wird es gespalten, ist es für immer weg und damit ein für allemal unschädlich gemacht. 

Die Reaktortypen sind chronologisch aufgeführt (Magnox schon alle stillgelegt; AGR noch im Betrieb; Druckwasserreaktoren zusätzlich noch in Bau). Der Abbrand gibt an, wieviel Energie (Gigawatt x Tage) pro Tonne ursprünglichem Uran im Brennelement durch Spaltung erzeugt worden ist. Die Höhe des Abbrandes richtet sich hauptsächlich nach der Anreicherung: Die Magnox-Reaktoren wurden noch mit Natururan betrieben. Der Typ Advanced Gas-cooled Reactor (AGR) wird mit etwa auf 2 Prozent U235 angereichertem Uran betrieben. Die LWR mit bis zu fünf Prozent Anreicherung.

Interessant ist der gewünschte Anteil Pu239 an dem gewonnenen Plutonium. Beim Magnox Reaktor lag er noch bei 80 Prozent, bei heutigen Leichtwasserreaktoren knapp über 50 Prozent. Dies widerlegt das ewige Märchen von dem Bombenbau aus dem gelagerten Plutonium. Für eine Kernwaffe braucht man mindestens eine Reinheit von 93 Prozent, sonst „bumst“ es nicht. Dies ist auch ein Grund, warum Kernwaffen regelmäßig gewartet werden müssen. Selbstverständlich zerfällt das Plutonium in der Waffe weiter. Es entstehen dabei Zerfallsprodukte, Spaltprodukte und höhere Isotope – das Plutonium wird beständig schlechter und seine γ-Strahlung nimmt zu. Bei der Lagerung (hier geplant 100 Jahre) für friedliche Zwecke ist das nicht so wichtig, aber die Strahlenbelastung beim Umgang nimmt beständig zu.

Die Zwischenlösung

Man kann auch in Leichtwasserreaktoren U235 durch Plutonium ersetzen. Ein bewährtes Verfahren, das man sogar in Deutschland erfolgreich angewendet hat. Man kann so die Natururan-Vorräte etwas strecken. Zur Beseitigung von Plutonium ist es ziemlich ungeeignet, weil Reaktoren mit thermischen Neutronenspektrum gar nicht so schlechte Brüter sind, wie viele denken. Die eingesetzte Menge verringert sich nur um etwa 50 Prozent, da beständig neues Plutonium während des Betriebs aus U238 neu gebildet wird. Aber die Qualität wird immer schlechter, weil der Anteil höherer Isotope immer weiter wächst. Man geht deshalb davon aus, dass sich solche Mischoxid (MOX)-Brennstoffe nur einmal nutzen lassen.

Die 140 t Plutonium könnten in etwa 2.000 tHM (bevorzugt abgereichertes Uran) mit sieben Prozent Plutonium als Brennstoff für Druckwasserreaktoren (PWR) umgewandelt werden. Jedes Jahr lädt ein LWR etwa 17 t HM Brennstoff pro GWe und für Reaktoren, die MOX verwenden, wäre ein Drittel davon (5,67 t HM) MOX. Daher wird die MOX-Ladung für einen 1-GWe-Reaktor etwa 350 Betriebsjahre reichen – oder das Äquivalent von etwa zehn 1 GWe-Reaktoren für 35 Jahre.

Die Menge elektrischer Energie, die aus dem MOX-Brennstoff bei einem typischen Abbrand von 55 GWd/t HM gewonnen werden könnte, wären etwa 107 GWa Strom. Das entspricht fast dem Dreifachen der gesamten Stromerzeugung des Vereinigten Königreichs im Jahr 2022. (Beispiel: Die Anreicherung für einen Reaktor vom Typ Hinkley Point C beträgt 5,5 Prozent Uran 235, mit einem Abbrand von 55 GWd/t HM. Unterstellt man eine Arbeitsverfügbarkeit von 90 Prozent und einen Netto-Wirkungsgrad von 35,4 Prozent, beträgt die mittlere Brennstoffladung pro GWe: (0,9 × 365 / (55 × 0,354)) = 16,9 t Schwermetall pro Jahr). Die abgebrannten MOX-Brennelemente würden ungefähr fünf Prozent Plutonium enthalten (wegen der Neubildung). Allerdings mit einem steigenden Anteil höherer Isotopen. Es würde sich somit auch bei einer zwischenzeitlichen Nutzung als MOX ein respektabler Bestand an Plutonium für den Start von „Schnellen Reaktoren“ erhalten.

Nutzung in schnellen Reaktoren

Völlig anders sieht es bei einer Verwendung in Reaktoren mit schnellem Neutronenspektrum aus (Natrium oder Blei als Kühlmittel). Entsprechend schnelle Neutronen spalten sowohl das U238, wie auch alle anderen Aktinoide. Man erhält bei diesem Reaktortyp einen besonders kurzlebigen „Atommüll“, der sogar grundsätzlich ein geologisches Tiefenlager infrage stellt. Dies ist der Grund, warum man auch in den USA die Entwicklung wieder aufgenommen hat. Das Projekt Kemmerer zum Ersatz eines Kohlekraftwerks steht vor dem Baubeginn. Allerdings ist nichts umsonst. Die Spaltquerschnitte für schnelle Neutronen sind um Größenordnungen kleiner als für thermische Neutronen. Man braucht deshalb eine entsprechend hohe Anreicherung (gegen 20 Prozent) bzw. einen hohen Plutonium-Anteil. Dies macht die Sache teuer, weshalb noch lange Leichtwasserreaktoren dominieren werden.

Die Zeitskala und die Flottengröße sind zu spekulativ, um Vorhersagen machen zu können. Aus den 140 t Plutonium in GB könnte eine Flotte von ungefähr 6–10 GWe „Schnelle Reaktoren“ gestartet werden. Typische „Schnelle Reaktoren“ brauchen drei Erstbeladungen von 5–7,5 t Plutonium pro GWe. Danach ist ihr geschlossener Brennstoffkreislauf selbsterhaltend.

Bemerkenswert ist der Verlust an Pu241 durch lange Lagerung (Halbwertszeit 14,3 Jahre), da Pu241 in „Thermischen Reaktoren“ (auch auf der Basis von Thorium) spaltbar ist. Das Tochterprodukt Am241 trägt kaum zum Spaltstoffgehalt bei, ergibt aber einige Handhabungsprobleme wegen seiner γ-Strahlung (59,5 keV γ-Photon). Abgesehen von Pu238, das ein Nebenprodukt ist, sind die Halbwertszeiten anderer Plutonium-Isotope zu lang, um ein Speicherproblem zu werden.

Fusion

Die Schlüsselprozesse im Brennstoffzyklus sind die Erzeugung von Energie aus der Fusion von Deuterium (H2) und Tritium (H3), die ein Neutron (n) erzeugt. Das Tritium, ein relativ kurzlebiges radioaktives Isotop (Halbwertszeit 12,3 Jahre), muss aus Li6 hergestellt werden, in einer Reaktion, die ein Neutron erfordert. Beide Reaktionen setzen Energie (17,6 MeV + 4,8 MeV) frei. Es müsste also jedes bei der Fusion erzeugte Neutron genutzt werden, um Tritium aus Lithium zu erbrüten. Dies ist technisch unmöglich, da immer Neutronen ausfließen werden und z.B. in den Materialien der Fusionsanlage absorbiert werden. Es muss also eine zusätzliche Neutronenquelle her. Pu239 wäre ideal, da es bei Neutronen mit über 10 MeV im Mittel 4,6 Neutronen freisetzt. Am Rande sei vermerkt, dass viele die Fusion gegenüber der Kernspaltung bevorzugen, da sie angeblich keinen „Atommüll“ erzeugen würde. Dies ist eine mehr als fragliche Sichtweise. Das wussten die „Bombenbauer“ schon lange: Die enorme Zerstörung einer 3-Phasen-Bombe kommt aus der Kernspaltung (≈204 MeV), die Fusion (≈20 MeV) ist wesentlich nur die Neutronenquelle.

Die Möglichkeiten

Im Großen und Ganzen besteht das zukünftige Schicksal des Plutonium-Vorrats aus drei Möglichkeiten, die abwechselnd diskutiert werden:

  1. Status quo – fortgesetzte Lagerung, obwohl anerkannt wird, dass die Lagerung nicht auf unbestimmte Zeit betrieben werden kann.
  2. Verwendung – Methoden zur Verwendung des Inventars als Brennstoff in Reaktoren.
  3. Entsorgung – Entsorgung des Plutoniums in mehreren Abfallformen und Entsorgungsmethoden werden derzeit studiert.

Fortgesetzte Lagerung

Für die Status quo-Option sind die Form des Plutoniums, die Spezifikation, der Zustand der Verpackung und der Lager ausschlaggebend. Vorausgesetzt, dass alle diese Elemente in einem guten Zustand gehalten werden, wird die weitere Lagerung weiterhin als „sicher“ angesehen (d.h. dass die Risiken, den Einschluss zu verlieren und ein Plutonium Leck zu erleiden, als ausreichend niedrig angesehen werden). Dies führt dazu, dass die aktuellen Pläne der Regierung beinhalten, die Lagerung wie seit mehreren Jahrzehnten weiter fortzusetzen. Dies kann als sicher angesehen werden, wenn man sich darauf verlässt, dass Wartung und Betriebssicherheit auf dem notwendigerweise hohen Niveau für ca. 100 Jahre gehalten werden.

Verwendung

Wie bereits weiter oben beschrieben, kann das Plutonium auf verschiedenen Wegen zur Energieerzeugung genutzt werden und dabei gleichzeitig vernichtet werden. Die Nutzung als MOX in Leichtwasserreaktoren ist weltweit Standard. Die Verwendung in schnellen Reaktoren mit Natrium oder Blei erprobt und in Russland, China und Indien bereits in der Anwendung. Diese Methode ist besonders für Länder mit geringen Uranvorkommen verlockend – ermöglicht sie doch eine gewisse Autarkie für hunderte von Jahren. Außerdem entschärft sie die „Endlagerproblematik“, da alle langlebigen Aktinoide vernichtet werden können. Dies kann die Mehrkosten bei den Reaktoren durch Einsparungen bei einem ingenieurtechnischen Lager gegenüber einem geologischen Tiefenlager kompensieren.

Für eine alternative Verwendung in thermischen Reaktoren sind noch zwei andere Schienen denkbar:

  • Hochtemperaturreaktoren, die entweder Helium (im Fall von HTGRs) oder geschmolzenes Fluoridsalz als Kühlmittel (Fluoride-Hochtemperaturreaktoren; FHR) verwenden, oder
  • ein Salzbadreaktor mit dem Plutonium als Teil des geschmolzenen Salzes.

Hochtemperaturreaktoren verwenden TRISO-Partikel, die zu einem sehr hohen Abbrand gebracht werden können. Es gibt verschiedene Konfigurationen mit oder ohne andere Actinoide, die dem Plutonium zugesetzt wurden, z.B. 0,2 Prozent bis 30 Prozent Uran oder Thorium. Entweder homogen oder „säen und züchten“, wo einige Partikel eine hohe Konzentration an Plutonium und einige nur Thorium haben. Bestrahlungen in Testreaktoren mit hohem Neutronenfluss haben gezeigt, dass solche TRISO-Partikel mit hohem spaltbaren Gehalt auf über 700 GWd/tHM gebracht werden können. Diese Brennstoffe sind nicht leicht zu verarbeiten und wären vermutlich als Abfall endgültig zu lagern. Eine Besonderheit in Indien ist die Verwendung in Schwerwasserreaktoren, in denen Thorium als Brutmaterial verwendet wird.

„Brennstoff-in-Salz-gelöste“ Reaktoren mit Salzschmelzen sind weniger entwickelt. Es gibt nur den Salzbadreaktor des Oak Ridge National Laboratory, den MSRE, mit Betriebserfahrung. Es gibt eine Reihe von Konfigurationen, also lohnt es sich, die Option zu betrachten. Die Möglichkeit der Online-Chemie (Entfernung von Spaltprodukten und Anpassung des spaltbaren Inhalts) ist besonders zur Nutzung von Thorium im Salz geeignet. Die Entfernung von Pa233 (dem Vorläufer von U233) während des Betriebs führt zu einem sehr reinen Material, welches allerdings für Waffen verwendet werden kann.

Entsorgung

Nach geltendem Zeitplan steht ein Endlager erst 2075 in GB zur Verfügung. Aus dem gelagerten Plutonium würde sich geschätzt ein verpacktes Abfallvolumen von 12.500 m3 ergeben. Bei einem Gesamtinventar von ≈773.000 m3 würde dies weniger als zwei Prozent des Endlagervolumens ausmachen.

Es ist noch umfangreiche Forschung über die geeignetste „Verpackung“ (Verglasung, Hot Isostatic Pressing (HIP), etc.) für eine Endlagerung nötig. Es findet aber bereits im WIPP in USA eine Einlagerung aus Abfällen der Rüstung statt. Erfahrungen sind also bereits vorhanden.

Nutzen, Nachteile, Risiken und Gefahren

Die Behandlung des PuO2-Inventars erfordert einen Vergleich über alle Möglichkeiten der Zukunft, mit vielen Dilemmata:

  • Nach dem Erreichen optimaler Lagerbedingungen werden sich Gefahren nur weiter reduzieren lassen, wenn aus dem Pulver ein weniger mobiles Material hergestellt wird.
  • Diese Veränderung würde aber mit ziemlicher Sicherheit die Nutzung in Reaktoren in unmittelbarer Zukunft behindern.
  • Jede Veränderung in der Art der Verpackung erfordert erheblichen Aufwand. Daher sind die Argumente für sofortiges Handeln gleichzeitig auch Argumente für das Warten auf Klärung, insbesondere bezüglich der Ausführung des Endlagers.

Das Material aus den Magnox- und THORP-Wiederaufbereitungsanlagen wird als PuO2-Pulver gespeichert. Die Mehrheit als feiner Staub unter 45 µm Durchmesser (d.h. Partikel, die im Falle einer Freisetzung von Material aerosolisiert und leicht in der Luft verteilt werden können oder bei der Handhabung zu einer Kontamination von Anlagenteilen wie Handschuhboxen führen). Der ausschlaggebende Faktor für das Risiko ist daher der sichere Einschluss in verschweißten Dosen aus Edelstahl.

Gesundheit und Umwelt

Plutonium-Materialien stellen keine große Strahlengefahr dar, da die üblichen Isotope keine starken γ-Emissionen haben. Älteres Plutonium mit signifikanter Am241-Beimischung kann aufgrund seiner starken Gamma-Emission eine erhebliche Gefahr für äußere Strahlung darstellen, insbesondere für Arbeiter, die große Mengen handhaben.

Neutronenstrahlung kann unter bestimmten Umständen ein Problem sein. Einige Isotope haben eine relativ hohe Wahrscheinlichkeit einer spontanen Spaltung, wobei Pu240 das wichtigste im Bestand ist. Spontane Spaltereignisse zählen (471 s-1 g-1) in Pu240 und besonders in Plutonium-Materialien, die andere Elemente enthalten, zu den gefährlichen Quellen (der Neutronenhintergrund kann weiter erhöht werden durch (α,n) Reaktionen, ein besonders wichtiges Phänomen in Verbindungen wie PuF3 oder PuF4).

Das Hauptrisiko von Plutonium-Materialien ergibt sich aus innerer Kontamination durch Wunden oder Inhalation (sie werden ineffizient über den Darm übertragen, so dass die Einnahme weniger problematisch, wenn auch immer noch unklug ist). Inhaliertes Plutonium wandert von der Lunge hauptsächlich in Knochen, Knochenmark und Leber und wird nur langsam aus dem Körper ausgeschieden.

Die spezifischen Auswirkungen einer Exposition durch Einatmen hängen von vielen Faktoren ab, einschließlich der Freisetzung in der Luft, der Partikelgröße, der chemischen Form und der Ablagerungseffizienz in der Lunge, die die Absorptionsrate in das Blut oder die Clearance-Rate in den Verdauungstrakt bestimmen. Die Inhalation von Plutonium in Mengen in der Größenordnung von einigen hundert Becquerel, die einer Masse im Sub-Mikrogramm-Bereich entsprechen, führt zu erheblichen Expositionen. Plutonium-Materialien, insbesondere Pulver wie PuO2, wie diejenigen, die den Großteil des britischen Vorrats ausmachen, werden daher in hochqualifizierten Einrichtungen mit strengen Sicherheitsverfahren und Vorsichtsmaßnahmen gegen Unfälle gehandhabt, die insbesondere durch Inhalation eine Exposition verursachen könnten. Strenge Vorsichtsmaßnahmen werden getroffen, um versehentliche Freisetzungen zu vermeiden, und Vorräte werden unter sehr strengen Sicherheitsvorkehrungen gehalten, um eine böswillige Verwendung zu verhindern. Unter diesen Bedingungen war und wird die Exposition gegenüber Arbeitnehmern und der Öffentlichkeit unbedeutend sein.

Kritikalität

Ein Kritikalitätsunfall ist die unbeabsichtigte Einleitung einer Kernspaltung. Ein solches Ereignis wird nicht zu einer atomwaffenartigen Explosion führen, da sich das Material viel zu schnell zerlegt, führt aber zu sehr gefährlicher Strahlung und Neutronendosen und kann schwer zu kontrollieren sein. Zu den Faktoren, die die Wahrscheinlichkeit eines Kritikalitätsunfalls beeinflussen, gehören die Menge des vorhandenen spaltbaren Materials, seine Geometrie (da dies die Neutronenleckage steuert) und das Vorhandensein von Moderatoren, reflektierende und neutronenabsorbierende Materialien.

 

Dr. Klaus-Dieter Humpich studierte Maschinenbau und Energie- und Verfahrenstechnik mit Schwerpunkt Kerntechnik, bevor er zehn Jahre am Institut für Kerntechnik in der Technischen Universität Berlin arbeitete. Seit 20 Jahren ist er freiberuflich im Bereich Energietechnik tätig. Dieser Beitrag erschien zuerst auf seinem Blog nuke-klaus.

Foto: Department of Energy via Wikimedia Commons

Sie lesen gern Achgut.com?
Zeigen Sie Ihre Wertschätzung!

via Paypal via Direktüberweisung
Leserpost

netiquette:

A. Ostrovsky / 02.10.2023

@Rolf Wächter : >>Es gibt zum Glück außer Deutschland noch andere Länder auf der Welt. Somit ist die Bereitstellung von Energie auch in Zukunft sichergestellt. Wir müssen nur genug Geld sparen und auf anderes verzichten, um sie kaufen zu können.<<  Der ganze Hype hat aktuell nur eine Ursache: Die seit 70 Jahren versprochene Nutzung des Nuklearabfalls, die ein moralisches Hauptargument in der Anfangsphase der Kernenergie war, ist immer noch nicht technisch realisiert, vor allem nicht großtechnisch. Aber jetzt wird aktuell der “Rückbau” und die “Dekontaminierung” der Sellafield-Site in UK geplant. Weil man aber fast 200 TONNEN Plutonium (nicht isotopenrein, sondern als Isotopengemisch und damit erneut ein Problem für die Spaltung mit schnellen Neutronen) hat, und nicht weiß wohin damit, werden im Fieberwahn einer Krise Lösungen gesucht. Deshalb hat man den Abschluss des Rückbaus von Sellafield auf das Jahr 2120 terminiert. Wenn Ihnen da irgendwas dazu einfällt, lassen Sie es uns wissen. Aus meinem Blickwinkel ist es das Eingeständnis des Scheiterns. In 100 Jahren lebt keiner der Verantwortlichen mehr. Das “verantwortliche” Getue läuft vollständig ins Leere. Niemand kann wirklich für etwas Verantwortung übernehmen, was in 100 Jahren erst vollendet sein soll, wenn er nicht am Zäsarenwahn leidet, oder einer anderen Form der Schizophrenie. Ich verstehe nicht, wass Sie mit anderen Ländern außer Deutschland meinen. Glauben Sie denn, die Briten, die ja aktuell das Problem haben, können das lösen? Die haben in Cumbria ein strahlendes Drecksloch an der Küste der Irischen See und denen läuft die Zeit weg. Sie haben keinen brauchbaren Plan. Dafür aber viel Propaganda. Es geht gar nicht um Bereitstellung von Energie, das ist nur das Framing. Es gaht um wenigstens 180 TONNEN Plutonium zu viel. Und sie wissen nicht weiter!

A. Ostrovsky / 02.10.2023

@Michael Palusch : >>Die Gefahr des Plutoniums ist nicht seine Radioaktivität sondern seine Giftigkeit. Und anders als die Radioaktivität, wird diese nicht im Laufe der Zeit geringer. Diesen heiklen Aspekt sollte man bei einer ehrlichen und offenen Diskussion über die Kernkraft, deren friedliche Nutzung ich ausdrücklich befürworte, nicht unterschlagen.<<  Ich weiß nicht, wie man die Giftigkeit von der Radioaktivität trennen soll. Von Abnahme würde ich auch nicht reden. Immerhin hat Pu239 eine Halbwertszeit von knapp 25000 Jahren. In 100 Jahren nimmt die Aktivität nicht wirklich ab. Alle anderen Zeitabschnitte sind jenseits des Verständnisses. Die Tödlichkeit (ob nun Giftigkeit oder Radiotoxizität) beruht bei dem Alpha-Strahler darauf, dass eine Inkorporation, also eine Aufnahme in den Körper dazu führt, dass ein Zerfall eines Atoms direkt im Gewebe ein extrem hochenergetisches (mehreren Megaelektronenvolt) Alpha-Teilchen herausschießt, das von mit relativ hoher Warscheinlichkeit zu Strahlenschäden führt. Das größte Risiko ist bei Einatmung in die Lunge. In dem Fall ist das Lungen-Krebsrisiko etwa 100 Mal so groß, wie bei oraler Aufnahme. Bei oraler Aufnahme (mit Nahrung, Wasser) ist Leukämie bzw. Knochenkrebs wahrscheinlicher. Dass man bei einem Schwermetall von Aufnahme mit der Atemluft rechnet, zeigt das bereits kleinste chemische Mengen, einige Nanogramm, zu einem deutlichen Krebsrisiko führen. Allerdings ist die Wahrscheinlichkeit, dass in der Lebenszeit des Menschen von maximal 100 Jahren ein aufgenommenes Atom zerfällt, nur etwa 1:250 bis 1:500. Aber wenn es in der Nahrungskette ist wird es innerhalb der nächsten 25000 Jahre mit 50% Wahrscheinlichkeit biologisches Leben töten. Es muss in technischen Sonderbehältern von der Welt abgeschlossen bleiben. Und genau das ist im britischen Sellafield überhaupt nicht garantiert. Dort wird es mit Salpetersäure aus den Brennelementen herausgelöst und jedes Jahr “verschwinden” mehrere Kilo.

Rolf Wächter / 02.10.2023

Es gibt zum Glück außer Deutschland noch andere Länder auf der Welt. Somit ist die Bereitstellung von Energie auch in Zukunft sichergestellt. Wir müssen nur genug Geld sparen und auf anderes verzichten, um sie kaufen zu können.

Klaus Brand / 02.10.2023

Zitat : “Neutronenstrahlung kann unter bestimmten Umständen ein Problem sein. Einige Isotope haben eine relativ hohe Wahrscheinlichkeit einer spontanen Spaltung, wobei Pu240 das wichtigste im Bestand ist. Spontane Spaltereignisse zählen (471 s-1 g-1) in Pu240 und besonders in Plutonium-Materialien, die andere Elemente enthalten, zu den gefährlichen Quellen (der Neutronenhintergrund kann weiter erhöht werden durch (α,n) Reaktionen, ein besonders wichtiges Phänomen in Verbindungen wie PuF3 oder PuF4).” Als an Kernphysik interessierter aber nicht studierter Mensch kann ich nus sagen: Toll daß der Humpich sich so gut auskennt. Habt ihr aber auch jemanden auf de Achse, der das einem Normalmenschen verständlich machen kann? Was glaubt ihr Achse-Redakteure eigentlich, welcher Anteil eurer Leser mit einem solchen Beitrag etwas anfangen kann?

U. Unger / 02.10.2023

Glücksfall, Herr Humpich. Wenn die was davon verkaufen, sollten wir investieren. Verantwortungsbewußter Energietechniker. Ein schöner Titel, wie ich finde. Selbst honoris causa, nehm ich den. Hoffentlich gibt es als Preisgeld einen Dual Fluid Reaktor in Garagebgröße dazu. Danke für diesen hoch interessanten und vernünftigen Beitrag.

Michael Palusch / 02.10.2023

Die Gefahr des Plutoniums ist nicht seine Radioaktivität sondern seine Giftigkeit. Und anders als die Radioaktivität, wird diese nicht im Laufe der Zeit geringer. Diesen heiklen Aspekt sollte man bei einer ehrlichen und offenen Diskussion über die Kernkraft, deren friedliche Nutzung ich ausdrücklich befürworte, nicht unterschlagen.

A. Ostrovsky / 02.10.2023

>>Von 1957 bis 2022 wurden in Sellafield abgebrannte Magnox (Magnesium non oxidizing)-Brennstäbe aus den gleichnamigen Reaktoren (Natururan, Graphit moderiert, CO2 gekühlt) aufbereitet.<<  Das ist sachlich einfach falsch. Vor 1981 existierte in West Cumbria kein Ort “Sellafield”. Der Ort hieß “Windscale” und wurde im Rahmen einer “verantwortlichen britischen Problemlösung” im Jahre 1981 einfach in Sellafield umbenannt, nachdem es nicht gelungen war, den Namen Windscale von den Berichten über fortwährende nukleare Störfälle und die katastrophale Sicherheitssituation zu trennen. Es ist so wie eine zweite Umbenennung von Sachsen Coburg zu Windsor. Diesmal wurde der Wind aus Windscale wieder eliminiert. Aber im Ganzen nur eine traurig durchsichtige Propaganda-Aktion. Das ist der besonders trockene und besonders schwarze britische Humor. Im Vergleich dazu sind die Franzosen entweder viel verantwortungsbewusster, oder sie lassen sich nur nicht auf die Schliche kommen. Vermutlich erreichen sie das, indem sie einfach nicht englisch sprechen. Cleverli! Aberder Vater von unserem Röschen, wollte ja so eine Dreckschleuder in Niedersachsen bauen, und das Material nicht indie Irische See verklappen, sondern in die Elbe, damit das dann durch Hamburg gespült wird in die Deutsche Bucht. Später wurde er dann absolut vergesslich und man konnte ihn nicht mehr befragen, ob er sich dabei etwas gedacht hat. Vermutlich nicht. Völlig abgehobene Politiker hatte Deutschland schon lange vor Lauterbach, Faeser, Scholz und Habeck. Sie konnten aber früher noch ganze Sätze sprechen. Das waren noch Zeiten.

A.Schröder / 02.10.2023

Atomtechnologie, für Deutschland passé. Aus Rußland könnte man modernste Werke bekommen. Die würden uns die sogar aufbauen. Bis Einsicht herscht ist es dunkel. Und das schwierigste dabei, Deutschland muß sich von den USA lösen.

Weitere anzeigen Leserbrief schreiben:

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen
Klaus-Dieter Humpich, Gastautor / 07.03.2024 / 12:00 / 15

Plan B für die Kernkraft

Man kann jedes Produkt über den Preis kaputt machen. Insofern war die Strategie der „Atomkraftgegner“ höchst erfolgreich. Wer das rückgängig machen will, muss vor allem…/ mehr

Klaus-Dieter Humpich, Gastautor / 01.03.2024 / 12:00 / 10

Wie Kernkraftwerke teuer gemacht werden

Kernkraftwerke sind teuer. Schuld daran sind unter anderem Regulierungen, Sicherheitsvorschriften und der ewige Kampf zwischen „Kernkraft-Gegnern" und „Kernkraft-Befürwortern". Der Bau von Kernkraftwerken (KKW) in den…/ mehr

Klaus-Dieter Humpich, Gastautor / 09.02.2024 / 06:00 / 27

Strahlend nachhaltige Kreislaufwirtschaft

Der „Abfall“ in der Atomenergie lässt sich effektiv nutzen. Wie können abgebrannte Kernbrennstoffe (Ökosprech: „Atommüll“) wiederaufbereitet werden? Hier ein Überblick über die diversen Verfahren. Die…/ mehr

Klaus-Dieter Humpich, Gastautor / 18.11.2023 / 10:00 / 19

Energiewende auf Tschechisch: Mehr AKWs wagen!

Unser Nachbar – mit gemeinsamer Grenze zu Bayern und Sachsen – scheint nicht dem deutschen Sonnenkult und dem Charme der Windräder zu erliegen. Nein, dort…/ mehr

Klaus-Dieter Humpich, Gastautor / 05.07.2023 / 12:00 / 36

Gabriels irrer Schatten

2013 wurde mit der „Lex Asse“ beschlossen, die radioaktiven Abfälle im ehemaligen Salzlager Asse wieder auszubuddeln. Das unterirdische Gesetz ist blanker Wahnsinn. Das Leben der…/ mehr

Klaus-Dieter Humpich, Gastautor / 16.05.2023 / 16:00 / 32

Atomausstieg: Ruhestätte für den Endlager-Mythos gesucht!

Vielleicht aus Übermut, vielleicht weil man die eigenen Bürger für dämlich hält, wurde per Gesetz die Forderung erhoben, ein Endlager zu finden, was den „Atommüll“…/ mehr

Klaus-Dieter Humpich, Gastautor / 08.05.2023 / 16:00 / 4

Das Elend der Reaktor-Hersteller

Der Bau neuer Atomkraftwerke wird mitunter von Pleiten, Pech und Pannen begleitet – und von enormen Kostenüberschreitungen. Das dient Kernkraft-Gegnern gerne als Argument. Woran liegt…/ mehr

Klaus-Dieter Humpich, Gastautor / 16.04.2023 / 16:00 / 22

Rolls-Royce Mini-AKW spannt die Muskeln

In Deutschland ist die Atomkraft ab dem heutigen Tag Geschichte. Woanders gehts erst richtig los: Der „Kleinreaktor“ von Rolls-Royce wird wohl noch vor Ende dieses Jahrzehnts seinen…/ mehr

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com