Rainer Bonhorst / 07.04.2020 / 14:08 / 62 / Seite ausdrucken

Get well soon, Boris! 

Auch wenn ich keine Schwäche für Boris Johnson hätte, würde ich ihm gute Genesung wünschen. Da ich aber eine habe, kommen meine Genesungswünsche sogar von Herzen. Das scheint nicht bei allen Deutschen der Fall zu sein. Als die Nachricht kam, dass der britische Premierminister mit Corona in die Intensiv-Station verbracht wurde, gab es allerlei Häme in den sozialen Medien. Es hieß sogar, Johnson habe der Welt mehr Gewalt angetan als ein paar schadenfrohe Twitter. Wirklich?

Schadenfreude ist eines der deutschen Wörter, die im angelsächsischen Sprachraum eine erstaunliche Karriere gemacht haben. Das Wort kennt man von London über New York bis nach Sidney. Es ist nicht der netteste unserer Export-Artikel.

Aber so ist es halt. Johnson ist der Brexit-Boris. Den mag man nicht so gern. Der gilt in unserem ordentlichen, gut frisierten Deutschland als eine Art Donald Trump mit Oxford-Akzent. (Den Akzent von Trump kann ich nicht einordnen. Ist wahrscheinlich ein Unikat.) Und noch was: Mit den guten Frisuren wird es bald auch bei uns vorbei sein. Die Friseure und unser Haupthaar waren ja die ersten Opfer der Corona-Krise. Bei Boris Johnson würde man – zugegeben – den Unterschied kaum merken. Aber das nur nebenbei. 

Zurück zum eigentlichen Thema: Die alten Germanen hätten die Erkrankung Boris Johnsons wahrscheinlich als ein Gottesurteil betrachtet. Als Strafe Wotans dafür, dass dieser Mann von der Kelten-Insel den Festland-Bewohnern so viel Ärger bereitet hat. Allerdings ist Boris Johnson nur marginal ein Kelte. Er ist vor allem Angelsachse mit deutschen (er heißt ja auch „de Pfeffel“) und türkischen Wurzeln, die sich allerdings in seinem Namen nicht widerspiegeln. Türkische Wurzeln? Ist vielleicht Allah im Spiel?

Die eigentliche Katastrophe heißt London

Wie auch immer. Wenn es um Boris Johnson (und Donald Trump) geht, verlässt manchen bei uns die simpelste Menschlichkeit. Man soll ja nicht nur über Tote nur Gutes sagen sondern auch Kranken nur Gutes wünschen. Selbst wenn es bei einigen Leuten nicht von Herzen kommt. 

Statistisch gesehen ist Boris Johnson einfach nur ein Pechvogel. Natürlich weiß bei uns jeder, dass der Brite der Corona-Bedrohung lange viel lässiger begegnet ist als unsere preußisch und bayrisch sozialisierten Politiker. Er hat Englands Pubs, diese Ikonen des Insellebens, erst geschlossen als unsere Kneipen längst entvölkert und die Wirte in Not geraten waren. Also selber schuld. Oder?

Bleiben wir bei der Statistik. Im Vergleich zu Deutschland steht Großbritannien immer noch deutlich besser da. Letzter Stand bei uns: 85 Infizierte je 100.000 Einwohner. Letzter Stand auf der Insel: 65 Infizierte je 100.000 Einwohner. Schön ist beides nicht. Aber es ist keineswegs so, dass die Lage im schlampigeren Johnson-Land katastrophaler wäre als im ordentlichen Merkel-und-Söder-Land. Im Gegenteil.

Die eigentliche Katastrophe heißt London, diese unglaubliche und schwer zu zügelnde Weltstadt. Sowas haben wir einfach nicht. Ähnliches gilt übrigens für New York. Die Katastrophe in der Stadt, die einst nie schlief, sorgt dafür, dass Amerika statistisch die Deutschen als Infektionsherd jetzt überholt hat. Letzter Stand: 95 Infizierte auf 100.000 Einwohner. Das war trotz Trumps irrlichternder Politik lange nicht der Fall. 

Der Ordnung halber gehört zu diesen Statistiken aber auch, dass in Deutschland viel weniger Menschen an dem Virus sterben als anderswo. Im Vergleich scheint unser Gesundheitssystem – so angespannt es derzeit ist – doch nicht das Schlechteste zu sein. 

Was sollen diese Statistiken? Eigentlich geht es doch um den schwer erkrankten Boris Johnson. Tut es auch. Aber ein Stück in Zahlen gefasste Sachlichkeit kann in einer hoch emotionalen Zeit nicht schaden. Zu den Emotionen sollte allerdings gehören, dass man auch dem Mann, der uns den Brexit beschert hat, eine möglichst baldige Genesung wünscht. Also: Get well soon, Boris. 

Foto: Stefan Klinkigt

Sie lesen gern Achgut.com?
Zeigen Sie Ihre Wertschätzung!

via Paypal via Direktüberweisung
Leserpost

netiquette:

Frances Johnson / 07.04.2020

Ja, hämisch werden sie, die Deutschen, wenn sie kleiner werden. Schade. Herrlich, die Sache mit dem Friseur und den Frisuren. Mit den Zahlen müssen Sie aufpassen, Herr Bonhorst. In GB wird viel weniger getestet als hier. Nehmen Sie lieber die Versterbenden. Und den schäbigen Zustand, auch schon zu Normalozeiten, des NHS. Sie sind derzeit extrem überfordert dort in London, und einige Ärzte und nurses sind bereits verstorben. Den Genesungswünschen für Boris schließe ich mich an. Ich wünsche ihm ein biblisches Alter, um ihn nach seiner Zeit als PM wieder lesen zu können. Schreiben kann er brillant, gelernt in Oxford. Die Olympischen Spiele, die er als Mayor von London organisiert hat, waren einfach großartig.

Claudia Maack / 07.04.2020

Tja, für den Spiegel ist die Hitliste des Horrors 1.Trump, 2. Orbán, 3. Polen im allgemeinen und an 4. Stelle Boris Johnson. Die Spiegel-Deppen haben so lange gegen ihn gehetzt und sich über ihn lustig gemacht, dass sie am Ende selbst erschrocken waren. Denn auf ihre Meldung hin, Boris liege jetzt auf der Intensivstation, trieften die Leser-Kommentare dermaßen von Bosheit und besagter Schadenfreude, dass sich die Moderatoren genötigt sahen, nur noch die raren Genesungswünsche durchzulassen. Nach dem Motto: ich konnte ihn noch nie leiden, aber den Tod wünsche ich ihm jetzt auch nicht gerade.  Meine Großeltern kannten dieses gehässige Verhalten noch von den Nazis gegenüber Churchill. Manches ändert sich nie.

Gudrun Dietzel / 07.04.2020

Ich wünsche Boris Johnson von Herzen alles Gute, ich bin auch sein Fan. Über diejenigen, die sich über die Nachricht von gestern Abend freuen, müßte man sich einfach hinwegsetzen und laut sagen: jeder entblödet sich so gut er kann.

Frank Stricker / 07.04.2020

Auch von mir die allerbesten Genesungswünsche an Boris Johnson ! Ich hoffen nur , dass die englischen Ärzte ihr Handwerk besser verstehen, als die englischen Fußballer das Elfmeterschießen……...

Uta Buhr / 07.04.2020

Schadenfreude kennen auch alle anderen Völker - selbst wenn es in anderen Sprachen dafür kein so griffiges Wort gibt wie im Deutschen. Wir sind halt auf allen Ebenen sehr gründlich und nennen die Dinge gern beim Namen. Der Angelsachse hilft sich mit malicious joy aus. Aber das ist nur ein kläglicher Versuch, mit unserer Schadenfreude zu konkurrieren. Denn hinter diesem Wort versteckt sich bereits lautsprachlich die Häme desjenigen, der sich über den Schaden des anderen freut. Aber nun zu BoJo. Auch ich habe eine Schwäche für diesen witzig-unkonventionellen Politiker, der mich an die Figur des fool, des Narren, bei William Shakespeare erinnert. Zudem ist es eine Freude, den fulminanten Reden Johnsons zu lauschen. Sein gepflegtes Oxford-Englisch, von Neidern auch als “toff accent” diffamiert,ist einfach berückend. Man mag den Brexit gutheißen oder nicht. Aber böse Wünsche und Gehässigkeiten gegen den erkrankten Boris sind einfach ungehörig - “they are not cricket”, hätte Boris’ Schwester im Geiste Maggie Thatcher mit erhobener Stimme zu Recht gerügt. In der Tat, Fairness ist auch gegen jemanden geboten, den man nicht mag. Ein besonders widerliches Beispiel für Unanständigkeit hierzulande ist die ehemalige Grüne Jutta Ditfurth, die, Corona-infiziert,  sich liebend gern durch die Reihen der AfD-Abgeordneten geniest hätte, um diese mit dem Virus anzustecken. Das sei nur ein Scherz gewesen, erklärte sie, als man sie rügte. Ein sehr schlechter fürwahr. So rüde wie sie mit anderen umgeht, so mimosenhaft verhält Frau D. sich, wenn es ihre eigenen Interessen betrifft. Als sie im Netz auf Betteltour wegen ausgefallener Einnahmen ging und Dieter Nuhr dies öffentlich als peinlich empfand, drohte sie gleich mit Klage. Wer austeilt, sollte auch einstecken können, Frau Ditfurth. Aber Diese Einsicht übersteigt eindeutig Ihren Horizont Erbärmlich!

Bernhard Idler / 07.04.2020

Die Frage ist, warum Boris Johnson als 55jähriger Kraftmensch auf der Intensivstation gelandet ist, obwohl es sich nach einem weitverbreiteten deutschen Volksglauben bei Corona um eine unterdurchschnittliche Grippe handelt, die erst ab 80 Jahren gefährlich ist und deren Opfer auch so alle gestorben wären, oder gleich um eine Erfindung Merkels oder der EU. Ansonsten wünsche ich Mr. Johnson auch alles Gute und baldige Genesung, nicht nur weil er ein Glücksfall für UK ist.

Karla Kuhn / 07.04.2020

“Da ich aber eine habe, kommen meine Genesungswünsche sogar von Herzen.”  Meine Genesungswünsche für Boris Johnson kommen ebenfalls von ganzen Herzen !! Wer ihn nicht mag, sollte den Mund halten, wer öffentlich seine Schadenfreude zur Schau stellt, soll bedenken, daß der/diejenige schon in der nächsten Sekunde durch einen Unfall, Herzinfarkt , Schlaganfall, Aneurysma u.ä. schwerstbehindert oder tot sein kann !!  Trump hat ihm ebnefalls herzliche Genesungswünsche gesendet, der Mann weiß,  was sich gehört. Außerdem hat Boris Johnson einen Stein bei mir im Brett, er hat den Brexit ermöglicht und damit gezeigt, daß JEDES Land die Möglichkeit hat aus dieser EU auszutreten !  Das war eine Premiere, für den nächsten Kandidaten wird es leichter. Get well soon, Mister Johnson

Thomas Holzer, Österreich / 07.04.2020

Das mit den Friseuren trifft bei uns auch zu, scheint sich aber noch nicht bis zur Regierung durchgesprochen zu haben. Die zur Schau gestellte Haarpracht aller Politiker und Politikerinnen, die tagtäglich zu Pressekonferenzen laden, ist wahrlich zu bewundern ,)

Weitere anzeigen Leserbrief schreiben:

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen
Rainer Bonhorst / 25.04.2024 / 14:00 / 6

Scholz und Sunak – ein spätes Traumpaar

Sie passen gerade gut zueinander: Ihre Länder stecken im Krisen-Modus und sie sind letztlich nur noch Regierungschefs auf Abruf. Er kam spät nach Berlin, aber…/ mehr

Rainer Bonhorst / 17.04.2024 / 10:00 / 31

​​​​​​​Die Bayer(n)-Revolution

Rekordmeister Bayern muss den Meistertitel an Bayer abgeben. Ein Menetekel für die Politik? Wie wird es weitergehen? San mir net mehr mir? Ist rheinisch das…/ mehr

Rainer Bonhorst / 12.03.2024 / 17:00 / 9

Die Kate-Krise oder viel Lärm um nichts?

Ein Familienfoto der Royals ist schon kurz nach Erscheinen als ungelenke Bildmanipulation entlarvt worden. Medialer Wirbel dank Photoshop! Ist Englands königliche Familie eine Fälscherbande? Wenn ja, dann keine…/ mehr

Rainer Bonhorst / 08.03.2024 / 12:00 / 19

Bye bye Nikki, hello Oldies

In den USA duellieren sich Biden und Trump um den Einzug ins Weiße Haus. In diesem Alter würde man in Deutschland weniger auf Karriere als…/ mehr

Rainer Bonhorst / 22.02.2024 / 14:00 / 26

Kamala gegen Nikki – ein Traum

Statt der beiden betagten Kontrahenten Joe Biden und Donald Trump wünsche ich mir eine ganz andere Konstellation im Kampf um das Amt des US-Präsidenten. Man…/ mehr

Rainer Bonhorst / 13.02.2024 / 12:00 / 39

Gendern im Fußball? Fans zeigen rote Karte!

Wie woke soll der Fußball sein? Oder genauer: Wie viele Geschlechter soll der Fußball kennen? Es wird Zeit, mal wieder auf den Fußballplatz zu gehen.…/ mehr

Rainer Bonhorst / 12.02.2024 / 12:00 / 35

Giorgia Meloni als Mamma Europa?

Georgia Meloni beginnt in Europa eine wichtige Rolle zu spielen. Die Politik hält sich mal wieder nicht an die ideologischen Vorgaben deutscher Medien.    Ja, darf…/ mehr

Rainer Bonhorst / 04.02.2024 / 14:00 / 33

Gedanken beim Demo-Gucken

Im Grunde haben wir ja Glück, dass in Deutschland die Verhältnisse so klar sind. Wir haben keine dunkelhäutigen Politiker in Berlin, die die Frechheit besitzen…/ mehr

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com