Peter Grimm / 23.05.2019 / 10:00 / 21 / Seite ausdrucken

Gefahren durch die steigende Zahl der Briefwähler?

Derzeit fordern ja in Deutschland nahezu alle Parteien und Medien unübersehbar die möglicherweise wahlmüden Bürger zur Stimmabgabe bei der Wahl des EU-Parlaments am Sonntag auf. Je mehr Wahlberechtigte wählen gehen und nicht diese eine Partei wählen, mit der man möglichst keinen Umgang pflegt, umso besser, lesen, hören und sehen wir allenthalben.

Das kann man natürlich machen, aber vielleicht würde es besser ankommen, wenn all die Parteien, die nichts mit dieser einen Partei zu tun haben wollen, selbst auch auf den unbequemen und gern beschwiegenen Problemfeldern mit eigenen klaren Vorstellungen und konkreten Projekten um Wähler werben würden. In den letzten Wahlen nützten Stimmen aus dem Nichtwählerlager zudem vor allem der AfD. Aber darum soll es hier gar nicht gehen.

Vielmehr mischt sich in den Chor der Stimmenwerber gerade eine unerwartet skeptische Stimme. Bundeswahlleiter Georg Thiel, so berichtet die Welt, sieht die steigende Zahl an Briefwählern skeptisch.

„Eine hohe Wahlbeteiligung ist gut für den demokratischen Willensbildungsprozess. Die Verfassung und die darauf beruhenden Gesetze sehen aber die Stimmabgabe an der Urne, also am Wahlsonntag, als Grundsatz vor“, wird Thiel zitiert. Die Briefwahl beeinflusse aber die Prinzipien der gleichen und geheimen Wahl, denn der Wahlzeitraum werde auf mehrere Wochen gestreckt.

Briefwahl ist weitaus manipulationsanfälliger

Ein durchaus bedenkenswertes Argument, denn der Wähler im Wahllokal wählt, nachdem der Wahlkampf beendet ist, also idealerweise mit ein wenig Abstand zu den diversen Einflüsterungen. Der Briefwähler macht sein Kreuz irgendwann, vielleicht beeinflusst durch eine politische Debatte, die am Wahlsonntag längst erledigt ist.

Auch die Umstände der Stimmabgabe lassen sich letztlich bei einer Briefwahl nicht kontrollieren. Sie ist weitaus manipulationsanfälliger, als der Wahlakt im Wahllokal. Erinnert sei hier nur an die aus diesem Grund notwendige Wiederholung der letzten Bundespräsidentenwahl in Österreich.

Auch wegen der steigenden Manipulationsgefahr wäre eine Warnung vor den stetig steigenden Briefwählerzahlen also durchaus nachvollziehbar. Bei der Bundestagswahl 2017 hatten bereits 28,6 Prozent der Wähler ihre Stimme per Brief abgegeben. Spitzenreiter sei der Wahlkreis Würzburg mit 45,7 Prozent gewesen.

Der Beitrag erschien auch hier auf sichtplatz.de

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Leserpost

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Frank Mora / 23.05.2019

Die Manipulierbarkeit bei Wahlen in der Bundesrepublik hatte ich eigentlich für ausgeschlossen gehelten. Bis dann Bremen und Hessen das Gegenteil nachwiesen. An der Organisation der Wahl kann man sich aber im bürgerschaftlichen Engegement beteiligen. Bei uns jedenfalls werden Wahlhelfer immer gesucht. Da verbringt man den Wahltag im Wahllokal und zählt nach 18.00 Uhr die Stimmzettel mit aus. Eine demokratische Übung mit Lerneffekt, aber auch gewissen Unannehmigkeiten. Wenn das nicht geht, kann man an der Auszählung als Beobachter teilnehmen und dann die Ergebnisse vor Ort mit den veröffentlichten vergleichen. Hat schon einmal eine Regierung delegitimiert und letztlich aus dem Amt gefegt. Ist jetzt 30 Jahre her… Ruhig vormerken zur nächsten Wahl und melden. Übrigens: auch Schöffen werden regelmäßig gesucht…

Wolfgang Kaufmann / 23.05.2019

Wir leiden am inflationären Gebrauch des Begriffs Rechte. Jeder habe das Recht, Stütze zu beziehen, Arbeit zu verweigern oder die Angabe der Personalien vor Gericht. Jeder habe das Recht, montags zu verschlafen, mittwochs krank zu feiern und freitags hüpfen zu gehen, aber keiner möchte die Konsequenzen tragen. – In diese Reihe passt das vermeintliche Recht, die Stimme irgendwann und irgendwie abzugeben, weil es ja schließlich auch als Menschenrecht gilt, am Sonntag einen Ausflug zu machen, seinen Rausch auszuschlafen oder durchzudaddeln. Beliebigkeit eben. – Der Gesetzgeber wollte, dass die Wahl an Einem Tag stattfindet, von wenigen, wohlbegründeten Ausnahmen abgesehen. Denn nur die Wahlkabine schützt das Wahlgeheimnis, nicht die häusliche Umgebung oder die Delegierung an Pflegekräfte, wie sie in Heimen häufig vorkommt.

Karla Kuhn / 23.05.2019

“Auch die Umstände der Stimmabgabe lassen sich letztlich bei einer Briefwahl nicht kontrollieren. Sie ist weitaus manipulationsanfälliger, ....”  GENAU und aus diesem Grund gehe ich persönlich zur Wahl. Nicht nur bei der letzten Hessenwahl, wo so dubios “GESCHÄTZT” wurde in einem Stimmkreis oder war es nicht in Bremen, wo viele Stimmen der AfD einfach verschwunden waren ?? Ich habe absolut KEIN VERTRAUEN, leider kann es auch bei der Abgabe ab an er Urne zu “Unstimmigkeiten”  kommen. Die Afd ist ein Dorn im Auge der “guten Parteien”  Wer unsicher ist, hat die Möglichkeit bei den Auszählungen im jeweiligen Wahllokal anwesend zu sein !!

Bernhard Freiling / 23.05.2019

Auf die Briefwahl verzichten? Das ginge ja gar nicht. Einmal aus der, nun aber realen, Ungleichbehandlung derjenigen, die aus welchen Gründen auch immer, ihre Wohnung nicht verlassen können. Zum Anderen, und das scheint mir für eine bestimmte Klientel, die gerne in sozialen Berufen tätig ist, viel gravierender. Könnten diese dann den Alten und Kranken noch den Stift führen? Das ist ein Wählerpotential, das irgendwo bei 3 bis 5 Millionen liegt. Drum wäre insbesondere für eine ganz bestimmte Partei der Entfall/die Einschränkung der Briefwahl die reine Katastrophe. Nix mehr mit 20%.

Claudius Pappe / 23.05.2019

Briefwahl, nein Danke. Ich will sicher sein das mein Stimmzettel in die Urne kommt. Ob meine Stimme dann wirklich der AfD zugerechnet wird ? Meist sind ja Bedienstete des Öffentlichen Dienstes mit der Auszählung und Auswertung beschäftigt. Als Normalo schafft man es ja kaum in diesen Kreis der Auswerter zu kommen. Einer Mafia nicht unähnlich.

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