Jacques Offenburg, Gastautor / 04.12.2020 / 16:00 / Foto: Pixabay / 12 / Seite ausdrucken

Flirt mit Maske

Von Jacques Offenburg.

Aus der Krise des Lockdowns, versichern uns Funktionäre von Kirche und Politik, können wir gestärkt hervorgehen: spirituell, indem wir lernen, uns an Weihnachten nicht vor dem Alleinsein zu fürchten, moralisch, indem wir durch Stubenhocken zu Helden reifen. Offenbar bedarf es nur einer gewissen Flexibilität und eines geistigen Perspektivwechsels, um aus großer Not in eine noch größere Tugend zu machen.

Ich gestehe, dass ich derlei Ratschläge zunächst für wohlfeile Manipulation hielt. Um nicht in Depressionen zu verfallen, beschloss ich dennoch, mich auf sie einzulassen. Nach dem Motto: „Nicht querdenken, sondern umdenken“. Dieser Tage schien mein Bemühen von Erfolg gekrönt. Ich musste meinen Personalausweis verlängern und weil das Amt meines Berliner Bezirks wegen Corona geschlossen hatte, war eine Stunde Anfahrt im Öffentlichen Nahverkehr zu einer Ersatzbehörde unumgänglich.

Ich beschloss, die Zeit für sinnvolle Bildungslektüre zu nutzen. Doch es kam noch besser. Als ich nach einer gewissen Zeit aus meinem Buch aufblickte, gewahrte ich einige Meter vor mir eine anmutige Erscheinung. Meiner Einschätzung nach eine Frau Ende Zwanzig, die stehend an den Fahrkartenautomaten lehnte. Unter der wohlgeformten hohen Stirn glänzten tiefgründige Augen, das dunkelblonde, weiche Haar war leicht gelockt, die Haltung des Körpers im eng geschnittenen Hosenanzug verriet lässige
Eleganz.

Allerdings war die Hälfte des Gesichts bedeckt. „Zum Teufel mit Corona und dieser elenden Maskenpflicht“, durchfuhr es mich. Doch dann begann ich umzudenken. Meine Phantasie vervollständigte die nicht sichtbaren Partien, wobei sie Nase, Lippen, Wangenknochen und Kinn – nunmehr frei von allen Sachzwängen – nach dem Vorbild von Tizians „La Bella“ in Florenz formte.

Zeit für den Perspektivwechsel

Während mein Geist ein ideales Frauenportrait malte, kreuzten sich mehrmals unsere Blicke. Mir wurde sogar ein flüchtiges Lächeln geschenkt. Verschämt sah ich nach unten. Als ich kurz darauf die Augen wieder hob, bemerkte ich zu meinem Leidwesen, dass sich ein wohlbeleibter Passant zwischen uns gestellt hatte. Anfangs hegte ich noch die Hoffnung, er werde sich setzen, sobald ein Platz frei würde. Doch offensichtlich überwog sein Bedürfnis, zu den sitzenden Mitreisenden eine Armlänge Hygieneabstand zu wahren. Auch machte er keinerlei Anstalten, auszusteigen.

Spätestens jetzt war es Zeit für den Perspektivwechsel. Ich beugte mich zur Seite, um an dem menschlichen Hindernis vorbei zu lugen. Indes hatte ich nicht mit meinem Sitznachbarn zur Rechten gerechnet. Ein blasser Student wich verstört zurück. Ebenso erfolglos blieb mein Versuch, meinen Sichtkreis durch eine leichte Beugung nach links vorne zu verbessern. Die ältere Dame, die mir gegenübersaß, hielt panisch die Hände vor ihre Maske, als müsse sie sich gleich zweifach schützen. Und der Herr neben ihr blickte mich so streng an, dass ich unwillkürlich zurückzuckte.

Nun erwog ich aufzustehen, doch war die Straßenbahn inzwischen so voll, dass es unwahrscheinlich war, einen günstigeren Standort zu finden. Nach einer Weile schien mir das Schicksal dann doch gnädig. Die Tram fuhr in einen Tunnel und ich konnte das Objekt meiner Verehrung im Spiegelbild des gegenüberliegenden Fensters bewundern. Leider endeten der Tunnel und damit auch mein Vergnügen nach knappen 50 Metern.  Das war umso schmerzlicher, als ich erste Anzeichen des Verliebtseins spürte und der Entzug des Anblicks meine Sehnsüchte verstärkte.

Da bewegte sich „La Bella“, es waren zwei Stationen vor meinem Zielbahnhof, dem Ausgang zu. Nun war erneut Flexibilität gefragt. Kurzentschlossen stieg ich aus und lief hinterher. An einer Fußgängerampel kamen wir zu stehen. Inzwischen hatten wir beide die Maske abgenommen. Endlich würde ich das Antlitz in seiner eigentlichen Schönheit erblicken. Ich gab mir einen Ruck und trat furchtlos näher: „Entschuldigen Sie bitte, meine Dame, ist das der Weg zum Bürgeramt?“

Vielleicht sollte man doch besser zu Hause bleiben!

Ein strahlendes Augenpaar wandte sich mir zu. Die weichen Lippen umschloss ein akkurat geschnittener Henri-Quatre-Bart. Und sanfte Worte in Tenorlage gaben mir Auskunft. Ich weiß: Gerade in Zeiten von Transgender und Diversity hätte sich mir die Chance geboten, auf dem Gebiet der Liebe neue Erfahrungen zu sammeln. Doch meine guten Vorsätze waren plötzlich dahin. Verlegen murmelte ich etwas von „Oh, dann bin ich zu früh ausgestiegen“, und wandte mich ab. Zu allem Überfluss begannen einige der Umstehenden zu lachen.

Unwillkürlich zog ich die Maske hoch, um mein Gesicht wenigstens etwas zu wahren. Ich fühlte mich elend. Von wegen aus der Not eine Tugend machen! Doch dann keimte eine verlockende Überlegung in mir auf. Was bedeuteten in einer solchen Situation schon meine flüchtigen Sehnsüchte? War jetzt nicht zivilgesellschaftliche Haltung gefragt? Widerwillig blickte ich auf die lachenden Münder, die leichtfertig ihre Aerosole verbreiteten. Ein Gefühl moralischer Überlegenheit durchströmte mich. Die Tugend, dessen war ich mir jetzt gewiss, trägt Maske.

Doch schon auf dem Heimweg regten sich neue Zweifel. Ich erinnerte mich an das Sprichwort, wonach der Mensch erst hinter der Maske sein wahres Gesicht zeigt. Hatte ich meine Furcht etwa hinter Hochmut versteckt und mich somit selbst als Heuchler entlarvt? In diesen Zeiten ein Held zu sein, ist wahrlich nicht leicht. Vielleicht sollte man doch besser zu Hause bleiben!

Foto: Pixabay

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Sabine Heinrich / 04.12.2020

Eigentlich lustig - EIGENTLICH. Mir ist gar nicht mehr zum Lachen zumute. Gebeutelt vom Verbot von allem Schönen, Liebenswerten, was das Leben lebenswert macht, ergibt sich nun nicht einmal mehr wie früher zumindest ein kleines Gespräch im oder vor dem heimischen Supermarkt, weil ich die Menschen nicht erkenne (und umgekehrt) und die meisten auch gar nicht mehr andere angucken. Maulkorb, Distanz, Berührungsverbot - eine infame Strategie, um Menschen in die Isolation, die Depression und damit die leichtere Regierbarkeit zu zwingen. Bedrückend! Und noch bedrückender: Ca. 80% der Mitmenschen (von meinen: 90%) wollen nicht sehen, was hier von den Politikdarstellern an den Menschen verbrochen wird. - Etwas Gutes hat dieser “Lockdown” - man lernt die Menschen aus seinem Umfeld so gut kennen wie all die Jahre zuvor nicht so deutlich: die Untertanen, die Gutgläubigen, die Mediengläubigen, die blutrünstigen Rachedurstigen (kein Krankenhausbett für C-Kranke, die sich der Maulkorbpflicht verweigert haben). Je länger dieses von oben angeordnete Abtöten allen gesellschaftlichen Lebens dauert, desto wütender werde ich auf die Menschen, die ergebenst jede Einschränkung , jede Existenzvernichtung (trifft sie ja nicht selbst) hinnehmen und davon in ihrer Dämlichkeit überzeugt sind, dass die stammelnde, nägelkauende, zitternde Moslemfreundin nur unser Bestes will. Bin ich froh, dass ich schon so alt bin und viele gute Jahrzehnte im einstmals lebenswerten Deutschland verbringen durfte. Deutschland hat fertig - und die Freitagshüpfer - wo waren die eigentlich heute? - werden knallhart auf dem Boden landen, der ihnen von den linksrotgrünen Verführern bereitet wurde. Als alte weiße Umweltsau hoffe ich, dass zumindest einigen das Licht der Erkenntnis aufgeht! Auch, wenn es dann längst zu spät ist.

N.Lehmann / 04.12.2020

Wäre ja noch schöner, Selbstzweifel hegen und auf das Gesabber von Merkelzitternix & Co zu hören?! Wenn die 86% Volltrottel langsam aber sicher merken, dass man sie nur verarscht hat und die suggerierte Angstmacherei nicht mehr greift, dann passiert erstmal nix! Denn Dumme haben viel Geduld. Wenn aber die Kasse leer ist und die linken Kulturbanausen, NoGO-Schmarotzer, Politparasiten, bis zu den käuflichen Mediallügnern, nichts mehr bekommen, dann gibts Maskenball auf der Strasse. Deshalb einfach auf die Produktivitätsbremse stellen und den Sumpf trocken legen!

Stefan Riedel / 04.12.2020

...” Vielleicht sollte man doch besser zu Hause bleiben!”. ... Fragen Sie Frau Andela. “D” einfach wie “d” umm? Gut, ich heiße nicht D…onald. Aber…

Peter Holschke / 04.12.2020

@Hannes Krautner - Kann man schwer abschätzen. Die Frage ist, von wann man rechnet. Rechnet man vom Frühjahr 1989, ging’s schneller.

U.L.Kramer / 04.12.2020

@Hannes Krautner: ein Lächeln kann man meiner Meinung nach auch mit Maske erkennen. Denn die Augen lächeln mit. Wenn nur der Mund lächelt und die Augen nicht, dann ist das Lächeln nicht echt. Ich glaube ich probiere das morgen mal vor dem Spiegel aus, bevor ich zum Einkaufen gehe. ;-) Nette Geschichte. Wobei ich eher damit gerechnet hätte, dass die “Angebetete” sich als hässlich entpuppt. Wobei so ein starker Damenbart ja auch irgendwie hässlich ist. *grins*

Stefan Riedel / 04.12.2020

... “Aus der Krise des Lockdowns, versichern uns Funktionäre von Kirche und Politik, können wir gestärkt hervorgehen”... Gestärkt geht hier(fast) niemand raus. Es sie denn, du seist Bonze, Strippenzieher, Bundestagsabgeordneter(mit Pensionsansprüchen bis in die Unendlichkeit), Gehirnamputierter…. Gute Nacht, Freunde!

Manni Meier / 04.12.2020

Man lehnt eben keinen Menschen ab, nur weil er ihren Vorstellungen nicht entspricht, Herr Offenburg. Da sind ja bei Ihnen die transfeindlichen Einstellungen voll durchgeschlagen und das in aller Öffentlichkeit. Der Hohn und Spott der Umstehenden traf Sie voll zu Recht. Ich hoffe nur es handelte sich um eine/n Biodeutsch/en/*In, denn sonst müsste ich Ihnen auch noch ihren Rassismus vorwerfen.

Hannes Krautner / 04.12.2020

@Peter Holschke: Da können Sie aber noch lange warten, bis dem Volk dem Volk der Geduldsfaden reißt. Im Falle der DDR hat das über 40 Jahre gedauert und das wird in diesem Fall auch nicht schneller passieren.

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