Wolfgang Röhl / 19.03.2019 / 07:26 / Foto: Pete / 74 / Seite ausdrucken

FAZ: Kritisier’ die EU, und raus bist du

Harte Wechsel in der Gilde der vier- bis manchmal sechsköpfigen FAZ-Granden kamen in der Vergangenheit nicht häufig vor. Ein Herausgeber namens Jürgen Tern wurde 1970 entlassen, Hugo Müller-Vogg im Jahre 2001 gekegelt. Und nach dem Tod von Frank Schirrmacher rückte Jürgen Kaube auf den Posten des Feuilleton-Verantwortlichen nach, natürlich eine andere Sache. 

In den beiden ersteren Fällen gab der Verlag des in Frankfurt und Umgebung weltberühmten Blattes keine Begründung aus. Auch von den Betroffenen kam keine Erklärung. Wie es eben so läuft, wenn Personalien unter Einbeziehung von Anwälten geklärt, Ansprüche aus bestehenden Verträgen festgetackert, Maulkörbe final geschlossen werden.

Insofern ist es ungewöhnlich, wenn die FAZ zum Fall des just geschassten Mitherausgebers Holger Steltzner in einer Pressemitteilung kundtut:

„Die Grundlage für eine weitere vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den anderen Herausgebern war nicht mehr gegeben“.

Auf Deutsch, der Mann tickt in wesentlichen Fragen nicht so wie wir, weshalb er bitte die Fliege zu machen hat. Geld spielt dabei mutmaßlich keine Rolex. Man wird Herrn Steltzner, 57, sobald nicht am Wasserhäuschen antreffen. Auch er, ungeachtet des rüden Rauswurfs, wird sich nicht gleich irgendwo ausweinen.

Schlag nach bei Wikipedia

Interessant aber schon, warum der Mann flog. Vielleicht vermittelt sein – von emsigen Schreibkräften vergifteter – Wikipedia-Eintrag darüber eine Ahnung? Lesen wir doch mal rein:

Steltzner gilt als EU-Skeptiker. Im Zuge der Euro-Krise hat er sich immer wieder kritisch über die Europäische Union geäußert. Am 27. Mai 2014 schrieb er in einem Kommentar: „Und in den Zahlerländern herrscht die Sorge, dass die Hilfe zu einem Fass ohne Boden werden könnte, während sich das Sparen wegen der Nullzinspolitik der Europäischen Zentralbank nicht mehr lohnt. Europa wird von immer mehr Bürgern weniger als Versprechen, sondern als Bedrohung wahrgenommen.“

Steltzner vertrat als FAZ-Herausgeber hauptsächlich wirtschaftsliberale Positionen.

Steltzner zeigte sich in einem Kommentar über den Dieselskandal skeptisch gegenüber wissenschaftlichen Erkenntnissen zum menschengemachten Klimawandel und bezeichnete Kohlenstoffdioxid als ein nur „vermeintliches Treibhausgas“. Das Titanic-Magazin griff seine Wortwahl in einem satirischen Beitrag auf.

Was lernt man daraus? Erstens, dass im ehemaligen Pflichtanzeiger für das deutsche Bürgertum kein leitender Sessel mehr frei ist für einen „EU-Skeptiker“. Der noch dazu den „menschengemachten Klimawandel“ anzweifelt und den „Dieselskandal“ unter Umständen nicht für das Ende der Welt, wie wir sie kennen, als zwingend erachtet.

Konsequenz für FAZ-Leser? Finanzielle Zuwendungen für einen Verlag, der kein Problem mit linksradikalen Beischaffenden hat, dafür „Wirtschaftsliberale“ vor die Tür setzt, sollten Konservative sich besser verkneifen. Na gut, viele tun das bereits. Im vierten Quartal 2018 verkaufte die FAZ noch knapp 200.000 Exemplare, ein Minus von ungefähr 40 Prozent seit 1998. Die Anzeigenerlöse sind auch im freien Fall. „Ich kann warten. Wenn’s nur ein menschlich Absehen hat“ (Hauke Haien über das anstehende Ableben des alten Deichgrafen in Theodor Storms Novelle „Der Schimmelreiter“). 

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Leserpost

netiquette:

T. Fleige / 19.03.2019

Guten Morgen Herr Röhl, als langjähriger FAZ-Abonnent habe ich die Nachricht über den Rauswurf von Holger Steltzner mit großem Bedauern gelesen. Überrascht hat sie mich nicht. Bei aller inhaltlichen Übereinstimmung mit Herrn Steltzner, habe ich seine Kommentare stilistisch immer mehr als Zumutung empfunden. Da schrieb kein kluger und kühler Kopf mehr, sondern ein Wutbürger mit Schaum vorm Mund. Ein Jürgen Jeske oder Hans D. Barbier hätten, ähnlich kritisch, niemals so die Contenance verloren. Insofern halte ich die Trennung für durchaus nachvollziehbar. Es bleibt die große Sorge, dass mit dem Wechsel auf Herausgeberseite auch eine inhaltliche Neupositionierung des Wirtschaftsteils erfolgt. Dann würde auch ich wechseln, nach Zürich zur NZZ. Mit freundlichen Grüssen…

Helmut Ehmer / 19.03.2019

Das wird weder der FAZ noch dem Zeitungswesen insgesamt gut tun. Bleibt nur noch die Zeitungs-Festung Schweiz (NZZ).

Lothar Kempf / 19.03.2019

Relotius ist frei.

Bernd Simonis / 19.03.2019

Über die FAZ fallen viele her, aber für mich ist es immer noch die beste Tageszeitung in Deutschland. Nur kann ich mir sie nicht leisten. Und es fehlt mir die Zeit, die zu lesen, 2 Stunden täglich ist mir zuviel. Klar hat sie nachgelassen. Aber sie bleibt trotzdem unerreicht.

Andreas Rochow / 19.03.2019

EU-ropa und Klimakatastrophe als Kern der hessisch-orthodoxen “Kultur” sind so lächerlich, dass der sektiererische Kreis der FAZ-Medienmacher und ihrer treuen Abonnenten weiter schrumpfen wird. Wenn gewisse Argumente, Meinungen oder Bedenken bei der FAZ aus dem Kanon des Sagbaren verbannt werden sollen, ist das eine furchterrende Ideologisierung der “alten Tante”! Dass sie von Journalisten selbst auszugehen scheint, ist eindeutig Folge des machtvollen Wirkens einer ideologischen außerparlamentarischen Opposition, die sich auf Steuerzahlers Kosten in Gestalt von “wissenschaftlichen” Kampagnen-Instituten und -Stiftungen etablieren konnte. Wichtig allein: Es muss Herrn Soros und der UNO gefallen und darf sich von demokratischen und parlamentarischen Prozeduren frei machen!  - Ob jemand von denen weiss, dass ohne CO2 auf der Erde eine globale mediale Temperatur von MINUS 18 Grad herrschen würde? Dadurch, dass der “Treibhaus”-Effekt des Spurengases CO2 quasi ausgeschöpft ist, gehen von weiter steigenden Konzentrationen auf >400 ppm keine Gefahren aus. Es geht aber gar nicht um Klimaschutz, sondern um die wektweiten Machtansprüche der UNO! Bei dieser Kulturrevolution wollen die letzten FAZ-Aktivisten nicht hintanstehen und schalten schon mal den kritischen Verstand ab.

beat schaller / 19.03.2019

ich hoffe schon, dass da noch etwas “leben” in den blätterwald kommt. bewegung scheint langsam rein zu kommen. wenn das dann auch auf die politik einen einfluss haben könnte? mal sehen wie lange noch und wohin am schluss. b.schaller

Martin Landner / 19.03.2019

Danke für diesen interessanten Einblick in die Presseinterna. Genau wegen so etwas lese ich die Achse des Guten - weil es hier Informationen gibt, die mich interessieren & die man woanders nicht bekommt.

Wilfried Cremer / 19.03.2019

Gleichschaltung ist Sache der Partei. Oder des Parteienblocks. Und was klebt die zusammen? Na, der Staatsfunk. Da wird’s schon Wege geben, auch mit einzuklinken.

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