Ulli Kulke / 07.07.2023 / 06:25 / Foto: Olaf Kosinsky / 75 / Seite ausdrucken

Es geschah, was nicht geschehen durfte

Die AfD-Parteivorsitzende Alice Weidel twitterte nach dem Urteil gegen das parlamentarische Prozedere zum Heizungsgesetz: „Ein Eilverfahren, dem sich auch Abgeordnete der AfD als Kläger anschlossen, hatte Erfolg. Delikate Frage: Hätte es auch Erfolg gehabt, wenn die AfD selbst geklagt hätte?

Die Werte in den Umfragen für die AfD steigen unaufhaltsam. Alle übrigen Parteien, auch die meisten Medien, gebärden sich wie ein wildgewordener, orientierungsloser Hühnerhaufen. Man kann es auch so sagen: Man schlägt nur noch um sich, die Wellen werden höher. Eines wird immer deutlicher: Die eingefahrene politische Szene, die Parteien, die Amtsträger, die Medien – manche sagen: das Establishment – deuten durch ihr Verhalten an, dass sie in keiner Weise darauf vorbereitet sind (und sich auch hartnäckig weigern, sich darauf vorzubereiten), dass die rechte Partei eines Tages auch die meisten Stimmen aller Parteien auf sich vereinigen könnte. Vor allem aber: Sie selbst tragen zu dieser Tendenz am meisten bei. Man will die Muskeln spielen lassen, das Problem mit Macht von sich schieben, aber beschleunigt den Prozess dadurch nur weiter.

Jüngstes Beispiel: Der Umgang mit dem seit Monaten umstrittenen „Heizungsgesetz“ und seinem nun – zumindest vorläufigen – gerichtlichen Stopp. Thomas Heilmann, Bundestagsabgeordneter der CDU und ehemaliger Berliner Justizsenator, hat in einem Eilantrag beim Bundesverfassungsgericht das seit langem umstrittene sogenannte Heizungsgesetz der Ampelkoalition erst mal erfolgreich gestoppt. Die Regierungsfraktionen, so das Gericht in seiner Urteilsbegründung, hätten mit ihrem Entwurf und ihrem Zeitplan den Parlamentariern nicht genug Zeit für die Beratung gelassen.

Heilmann zeigte sich zufrieden. Zu Recht. Dabei hätte er, wenn es nach den allgemein anerkannten Anstandsregeln für den Umgang mit der AfD gegangen wäre, seinen Eilantrag kurz vor dem Erfolg zurückziehen müssen. Insgeheim wette ich, dass er dies auch vorübergehend überlegt hat. Sein ganz großes Problem nämlich: Abgeordnete der AfD haben sich seinem Antrag angeschlossen. Und sowas ist seit einiger Zeit ein „No go“ für alle Initiativen der „demokratischen Parteien“. Daraus war aber nun letztlich ein gemeinsamer Antrag geworden, ob Heilmann wollte oder nicht. Neben dem Namen des CDU-Antragstellers Heilmann stehen darauf auch die Namen von elf AfD-Abgeordneten, mithin von „Unberührbaren“.

Es geschah, was nicht geschehen durfte

Als das Urteil des Verfassungsgerichts bekannt wurde, war deshalb nicht nur Heilmann froh. Auch die AfD feierte dies als Erfolg. Offenbar war das nicht zu verhindern gewesen. Heilmann hatte es versucht, er wollte dem Beitritt der AfD-Politiker widersprechen, wie er am Donnerstag auf der Bundespressekonferenz erklärte. Es sei aber nicht möglich gewesen, musste er nolens volens hinzufügen.

Nach Bekanntgabe des Urteils jubelte die AfD. Es geschah, was nicht geschehen durfte. Die Parteivorsitzende Alice Weidel twitterte: „Ein Eilverfahren, dem sich auch Abgeordnete der AfD als Kläger anschlossen, hatte Erfolg: Das BVerfG hat die Abstimmung über das Heizungsgesetz, das die Ampel in dieser Woche durch den Bundestag peitschen wollte, gestoppt.“ Diese Aussage bezeichnete Heilmann laut Focus als „braune Lüge“, das Blatt machte sich die Aussage in der Überschrift quasi zu eigen. Was, bitteschön, ist daran eine Lüge? Springers Bild geißelte, nur eine Nummer vornehmer, den „Jubel“ der AfD als „peinlich“. Warum peinlich?

Heilmann klagt: „Die AfD ist Trittbrett gefahren“. Das stimmt. Die Klage aufzusetzen, war mit gehörigem Aufwand und juristischen Sachverstand verbunden, den die AfD nicht beisteuern musste oder konnte. Das hätte man so erläutern können. Den Jubel aber als „braune Lüge“ hinzustellen, ist falsch, weder souverän noch zielführend in der heutigen Zeit. Das Online-Portal Nius erläutert die Rechtslage, erklärt, warum sich ein Antragsteller nicht gegen „Trittbrettfahrer“ wehren kann und resümiert: „Im juristischen Sinne hat die AfD also mit der CDU das Gesetzgebungsverfahren rund um das Gebäudeenergiegesetz zunächst gestoppt und den Parlamentariern mehr Zeit verschafft – de facto aber hat der Beitritt der elf AfD-Abgeordneten nichts am Ausgang des Antrags geändert: Das Bundesverfassungsgericht hätte genauso entschieden, wenn Thomas Heilmann als Antragssteller allein geblieben wäre.“

Kurze Überlegung zum letzten Satz aus Nius: Ja, das ist wohl auf jeden Fall anzunehmen. Interessant aber wäre ein anderes Szenario: Hätte das Bundesverfassungsgericht auch „genauso entschieden“, wenn die AfD allein als Antragsteller aufgetreten wäre, mit denselben Begründungen? Das Vertrauen in den Rechtsstaat legt nahe, hier keinen Zweifel aufkommen zu lassen. Die Frage ist dennoch, welche Rolle hierbei der gesamt(noch mehrheits-)gesellschaftliche Hühnerhaufen gespielt hätte. Angenommen, nur die AfD hätte hier geklagt und auch noch einen Erfolg erzielt, ich möchte mir die Folgen im Blätterwald nicht ausmalen.

Wenn es denn den Hühnerhaufen tröstet: Ich nehme mal an, man dürfte sich innerhalb der AfD-Bundestagsfraktion ziemlich ärgern, dass man Heilmann und der CDU nicht zuvorgekommen ist. Macht allerdings die Ampel mit ihrer schludrigen, alarmistischen Gesetzesarbeit so weiter, gibt es sicher noch unzählige Gelegenheiten, bei denen solche Rennen eines Tages auch bei so gewichtigen, aber windigen Gesetzesvorhaben anders ausgehen könnte.

Auch damit wird man umgehen lernen müssen. Und, wenn man so weiter macht wie bisher, auch damit, dass die AfD bald auch gesamtdeutsch als stärkste Partei dasteht, jedenfalls in den Umfragen. Ein Hühnerhaufen wäre damit überfordert. Spätestens dann wird man – auch – miteinander kommunizieren müssen. Vielleicht ja auch darüber, dass man womöglich mal gemeinsam auf einer Klageschrift für ein Eilverfahren steht. Eines ist klar: Dass sich einzelne Abgeordnete jener Partei der Klage irgendeiner anderen Partei anschließen, das wird man in dem Moment als Kinkerlitzchen erkennen.

Souveränität ist alles. Schon mal üben!

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Andreas Donath / 07.07.2023

Lieber Herr Kulke, Sie kommen von dem AfD-Bashing-Trip wohl einfach nicht runter und wünschen sich wahrscheinlich eine wieder “vernünftig” gewordene CDU oder FDP - doch genau das wird nicht passieren. Sie alle sind Teil eines verfestigten, sozialistischen Parteienblocks. Dass die AfD hier einfach taktisch clever gehandelt hat, kommt Ihnen nicht in den Sinn? Die AfD hat so viele befähigte Juristen in ihren Reihen, meinen Sie im Ernst, es hätte diese überfordert, selbst einen solchen Antrag zu formulieren? Doch was wäre passiert? Sie deuten es ja an. Harbarth und Co. hätten den Antrag, selbst wenn er bis auf Punkt und Komma identisch formuliert gewesen wäre, mit Pauken und Trompeten abgelehnt. So ist er durch und die AfD hat als faktisch einzige Oppositionspartei einen deutlich zu verortenden Anteil daran. Und der Sache sowie den Bürgerinteressen ist gedient. Besser geht’s nicht, mögen der Focus und die Bild noch so vor Wut schäumen, das verfängt inzwischen immer weniger bei der bürgerlichen Mitte. Zu Herrn MdB Heilmann ist im Übrigen noch anzumerken, dass er vermutlich nicht geklagt hat, um die Bürger vor diesem Gesetz zu bewahren: Er möchte es lediglich „verbessert“ wissen. Als Vorsitzender der „Klimaunion“ gehört auch er zu den Klimafanatikern innerhalb der CDU. Die Unionsparteien sind und bleiben Wegbereiter und Steigbügelhalter grüner Ideologie.

Eberhardt Feldhahn / 07.07.2023

Wenn ich das ponem des F. Merz sehe, fallen mir auf keinen Fall Worte wie Optimismus, Tatkraft, Entschlossenheit, Machtwillen etc. ein, sondern höchstens Schwäche, Mutlosigkeit, elendes Taktieren. DER politische Flop der 20er Jahre. Wohl ein Menetekel für die deutsche Demokratie.

P.Schöffel / 07.07.2023

Ich kann´s nicht mehr hören. Das AfD-Parteiprogramm sieht aus wie CSU 1980. Mit Volksentscheiden nach schweizer Muster. Völlig normal und auch noch ziemlich vernünftig. Einfach mal lesen. Niemand hätte damals die CSU für “braun”, “räächts” oder “nazi”, gehalten.

Sebastian Weber / 07.07.2023

Vorschlag: bei der nächsten Kanzlerwahl stimmt die “i-gitt-bah-Partei” mit für den designierten Kanzler. Nach dem bislang üblichen Procedere darf der dann die Wahl nicht annehmen ...

Christian Feider / 07.07.2023

Die Frage sollte man keineswegs aus “Respekt vor der Unabhaengigkeit der Justiz” unterlassen, denn seit Merkel Ihren Getreuen Harberth installiert hat,ist offensichtlich,das manche Anträge und Eilklagen trotz offensichtlicher Richtigkeit abgelehnt werden. es war auch vorher schon “zweifelhaft”,ob das Verfassungsgericht “neutral” ist,mit Peter Müller,dem ehemaligen MP aus dem Saarland,aber jetzt ist sein Ruf “versaut”

T. Schneegaß / 07.07.2023

@Fritz kolb: Ein mittelständisches Maschinenbauunternemen (über 150 Jahre Familientradition) in Düren (alle Achtung, würde auch vielen sächsischen Unternehmen gut zu Gesicht stehen) bringt es auf den Punkt. Auf einem großen Plakat über dem Firmeneingang sind der Habock und die Baerziege zu sehen und darunter der Spruch: “Wenn ein Clown in einen Palast einzieht, wird der Clown nicht zum König, sondern der Palast zum Zirkus” (Quelle: Servus TV Deutschland)

Fritz Rosenberger / 07.07.2023

Der Autor stellt zwar die Frage, was geschehen wäre, wenn der BVerfG-Beschluss (notabene: es erging kein Urteil, sondern ein Beschluss) nicht durch Herrn Heilmann von der CDU, sondern allein von AfD-Mitgliedern erwirkt worden wäre. Die erstrangige Frage, ob das BVerfG genauso entschieden hätte, wenn ausschließlich AfD-Abgeordnete Antragsteller gewesen wären, stellt der Autor nicht. Dabei ist diese Frage im Hinblick auf die Zusammensetzung beider Senate des BVerfG durchaus naheliegend. Und es ist eine spannende und durchaus nicht ohne weiteres zu beantwortende Frage. Für eine Zurückweisung eines allein von der AfD formulierten Antrags auf einstweilige Anordnung würde sprechen, dass das BVerfG die parlamentarischen Rechte der AfD in der Vergangenheit nur sehr stiefmütterlich geachtet hat. Ich erinnere daran, dass das BVerfG die AfD-Fraktion z.B. mit ihrem Begehren im Regen hat stehen lassen,  ihr entsprechend dem parlamentarischen Usus wie allen andren im Bundestag vertretenen Parteien das vorenthaltene Amt des BT-Vizepräsidenten zu garantieren.

T. Schneegaß / 07.07.2023

Es ist doch sehr bequem für diese Regierungsbande, auf der einen Seite jeden Antrag, jede Initiative der AfD abzulehnen und auf der anderen Seite zu behaupten, diese Partei würde um Parlament nichts für die Bürger bewirken. Als könnte die AfD, wie jede zahlenmäßig unterlegene Opposition, die geschlossene Nationale Front überstimmen und deren Katastrophengesetze stoppen. Diese Heuchelei hatte lange beim Wahlvolk Erfolg und der schwindet jetzt rapide. So rapide, dass der Bande klar ist: wir werden entweder verschwinden (und möglicherweise sogar für unsere Politik der Zerstörung Deutschlands zur Verantwortung gezogen) oder wir versuchen über ein Verbot der einzigen Oppositionspartei die Flucht nach vorn. Der Souverän hat es in der Hand, diese “Flüchtlinge” aufzuhalten.

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