Mit Großbritannien und Schweden scheren gleich zwei europäische Länder aus der EU-Klimapolitik aus. Gut so. Doch nun muss auch grundsätzlich gefragt werden, was die Argumente der Klimapolitik wert sind. Die Beweispflicht liegt bei denen, die damit wohlstandsvernichtende Maßnahmen begründen.
Wenig später, nachdem Großbritannien seine Klimaambitionen aus Rücksicht auf die britischen Bürger zurückgeschraubt hatte, schlug Schweden in dieselbe Kerbe. Der frühere Klima-Musterschüler legt eine „erstaunliche Kehrtwende“ hin, wie Welt formuliert. In der Tat: 2017 verpflichtete sich Schweden als erstes Land der Welt verbindlich zur „Klimaneutralität“, womit die damalige rot-grüne Regierung des skandinavischen Landes sogar der EU weit voraus war, die sich erst 2021 auf dieses Ziel festlegte.
Heute, so Welt weiter, dreht die „rechtskonservative Regierung seit ihrem Amtsantritt im vergangenen Jahr Schwedens Klimaambitionen Stück für Stück zurück“, laut Haushaltsentwurf für das nächste Jahr werde Schweden das Ziel der Klimaneutralität bis 2045 verfehlen. „Ein Grund: Die Regierung will Benzin durch Steuersenkungen günstiger machen, was für mehr Verbrauch sorgen dürfte.“ Zwar sollen die langfristigen Ziele im Auge behalten werden, doch „jetzt müsse es darum gehen, die Menschen angesichts stark gestiegener Lebenshaltungskosten zu entlasten“ – eine klare Ansage von Finanzministerin Elisabeth Svantesson. Auch sie bringt, wie zuvor der britische Premierminister Rishi Sunak, die soziale Frage zurück ins Spiel, wenn sie sagt: „Sie dürfen nicht vergessen, dass die Zeiten für viele Menschen sehr hart sind.“
Damit nicht genug. Welt weiter: „Verbunden war die Ankündigung mit einer Warnung: Auch andere Umweltschutzziele könnten dem härter gewordenen wirtschaftlichen Klima zum Opfer fallen. Von 19 Klima- und Umweltschutzzielen für das Jahr 2024 könnten sieben voraussichtlich nicht erfüllt werden, heißt es in dem Haushaltsentwurf. Nur zwei Ziele würden mit Sicherheit erreicht.“ Wenig überraschend hat die schwedische Bevölkerung damit keineswegs ein Problem. „Tatsächlich nehmen ausgerechnet im Heimatland von Greta Thunberg die Menschen vergleichsweise gleichmütig hin, dass die rechtskonservative Regierung in den vergangenen Monaten einen Kursschwenk beim Klimaschutz vollzogen hat.“
Wann ZDF-Journos noch beunruhigter wären
Für Deutschland, das seit seinem selbstschädigenden Kernkraftausstieg Nettostrom-Importeur wurde, dürfte dasselbe gelten: Die Wahlumfragen sowie Ergebnisse der Landtagswahlen in Hessen und Bayern sprechen für einen Wählerwunsch nach einem Mitte-Rechts-Bündnis als verständliche Reaktion auf rotgrünes Scheitern; auch die Beliebtheit des Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) rührt aus ihrer Kritik der Energiepolitik, statt „Klimarettung“ priorisiert sie bezahlbare Strompreise für die Industrie. Die Menschen, ob in Großbritannien, Schweden oder Deutschland, „sind nicht mehr bereit, dabei zuzusehen, wie sie für eine undurchsichtige Klima-Ideologie täglich ärmer gemacht werden“, wie Dirk Maxeiner festhielt.
Diese Abkehrbewegungen rechtfertigen sich „nur“ mit neu vorgenommenen Abwägungen, die Klimapolitik als solche gerät (noch) nicht ins Kreuzfeuer. Bis dato verneigt man sich auf den offiziellen Entscheidungsebenen vor einem angeblichen wissenschaftlichen Konsens. Die Angst, als „Klima-Leugner“ gescholten zu werden, muss jedoch nicht ewig währen, wo der Spieß doch nur umgedreht werden muss. Denn für triftigen Einspruch müssen sich Bürger, Journalisten oder Politiker gar nicht erst zu Wissenschaftlern erklären, die letztgültige Einsichten in die ganz großen Naturzusammenhänge beanspruchen. Sie sollten lediglich auf nachvollziehbare Argumentationsketten seitens der Klimapolitik-Befürworter bestehen, in denen diese Schritt für Schritt darlegen, warum Maßnahmen wie Heizungsgesetze oder der Elektroumstieg bzw. überhaupt ein radikaler Emissionsstopp unbedingt nötig und verhältnismäßig, also verfassungskonform seien. Nicht wir müssen die Regierung vom Unsinn der Klimapolitik überzeugen, die Beweislast liegt vielmehr auf deren Seite. Allein Sätze wie „Experten sind sich einig“ überzeugen nicht.
Wir erinnern uns: Die im Gestus wissenschaftlicher Selbstverständlichkeit erlassenen Corona-Maßnahmen konnten im Nachhinein nicht als wirksam ausgewiesen werden, im Gegenteil: Die offizielle Evaluation konnte keine Korrelation zwischen Maßnahmenintensität und Verlauf der Infektionszahlen feststellen (siehe hier, S. 70). Was, wenn es sich mit den Klima-Maßnahmen ganz genauso verhält?
Gehen wir drei Monate zurück, fühlen wir der Argumentation der Klimaaufgeregten einmal auf den Zahn. Nach einem verregneten Juli, in dem richtige Sommer-Stimmung nicht aufkommen wollte, titelte das ZDF Anfang August: „Juli 2023 heißester je gemessener Monat“. Nach Daten des EU-Klimawandeldienstes Copernicus wurde der Monat nämlich „mit einer globalen Durchschnittstemperatur von 17,08 Grad“ angegeben. Der Sache nach tischt uns der ZDF-Bericht Folgendes auf: Der globale Durchschnitt aller regionalen Julis – der Juli in der Subsahara unterschied sich bekanntlich vom (verregneten) Juli in Deutschland und vom Juli in der Antarktis – betrage ca. 17 Grad. Der Klima-EU-Dienst muss es wissen, schließlich hat er überall auf der Welt aufs Thermometer geschaut und die Mess-Ergebnisse dann in einen Computer eingespeist: „Die Copernicus-Daten beruhen auf computergenerierten Analysen, die Messungen von Satelliten, Schiffen, Flugzeugen und Wetterstationen auf der ganzen Welt einbeziehen.“ Dabei kam heraus: Der ideelle Gesamt-Juli im Jahr 2023 (was auch immer das sein soll) lag – auf die zweite Nachkommastelle hin genau berechnet – mit „0,72 Grad über dem Durchschnitt der Jahre 1991 bis 2020.“ Bei satten 0,79 Grad Erhöhung würden ZDF-Redakteure derzeit womöglich noch unruhiger schlafen.
Die Hitze beim Bau der Chinesischen Mauer
Doch es kommt noch dicker. „So warm wie seit Tausenden Jahren nicht mehr“ sei dieser letzte Juli gewesen, in dem unsere Sommerfans beim Blick aus dem Fenster meist Trübsal bliesen. Wer sich nun fragt, woher man eigentlich so sicher weiß, dass der „globale Juli“ im Jahr 2023 heißer war als die Julis während des byzantinischen Reiches oder jene Julis, als Chinesen an ihrer weltberühmten Mauer werkelten, bekommt vom ZDF folgende Erklärung präsentiert.
„Die Copernicus-Daten gehen zwar nur zurück bis 1940. Aber die Klimaforschung, die das historische Klima aus Baumringen oder Luftblasen in Gletschern rekonstruiert, lege nahe, dass die Juli-Temperaturen beispiellos seit Tausenden von Jahren seien. Das sagte der Copernicus-Direktor beim Europäischen Zentrum für mittelfristige Wettervorhersage (ECMWF), Carlos Buontempo, Ende Juli.“
Geniale Methode! Die Klimaforschung schaut sich Baumringe und/oder Luftblasen in Gletschern an, generiert daraus Daten und vergleicht diese dann mit über den Globus verteilt gemessenen Temperaturen (mit einem Super-Computer). So kommt sie zu dem Ergebnis: Dieser Welt-Juli war heißer als der Welt-Juli zu Zeiten Jesu. Da wird selbst dem letzten Klimamuffel klar: Ein Juli heißer als seit tausenden von Jahren erfordert einen Heizhammer. Auch die Experten sind sich einig; jedenfalls solche, die man beim ZDF gern hört oder im „Vetternwirtschaftsministerium von Robert Habeck“, wo ein gewisser Graichen-Clan „haust wie die Made im Speck“ (Claudio Casula), bzw. gehaust hat. Merke: Informiert ist, wer die EU/ZDF-Argumentation als stichhaltig bewertet, desinformiert hingegen, wer zweifelnde Fragen stellt.
Klimakatastrophen-Luisa nutzte die Nachricht seinerzeit jedenfalls noch am selben Tag dazu, sofort Druck auf den Kanzler auszuüben: „Nach dem heißesten Juli fordern wir den Kanzler auf, das Klimagesetz zu stärken (…).“ So läuft das: Die geneigte Wissenschaft liefert, Medien kolportieren, der Aktivismus baut Druck auf, die Politik reagiert. Darum sind unsere Stromrechnungen exorbitant hoch.
Weniger Katastrophen seit 2000
Die Grundlage für Katastrophenstimmung wurde neulich in der Welt bestritten, wenngleich mit einigen (wohl für die Unterbringung solch provokanter Artikel nötigen) Zugeständnissen an die Klimapolitik. Wie dem auch sei: Unter dem Titel „Die Katastrophenlüge“ zeigt Chefreporter der Wissenschaft Axel Bojanowski ein paar bezeichnende Diagramme, deren Aussage man so zuspitzen könnte: keine Apokalypse, eher tote Hose. Seit 2000 zeigen „die Grafiken einen Rückgang der Häufigkeit von Wetterkatastrophen“, was die Forscher vom Center for Research on the Epidemiology of Disasters (CRED) „der Öffentlichkeit nur schwer vermitteln konnten.“ Sie sagen: „Wir bekommen Hassmails, weil unsere Daten nicht zeigen, dass Katastrophen zunehmen“. Denn niemand wolle gute Nachrichten.
Jene Diagramme (hier und hier) erinnern in ihrer beruhigenden Gleichmäßigkeit an die Intensivbetten-Statistiken, die während der dreijährigen „Jahrhundertpandemie“ (Spahn) bundesweit konstant eine etwa 80-prozentige Auslastung offenlegten. Aber noch etwas anderes verweist auf die Corona-Politik. Welt: „Allein von 1981 bis 1983 registrierte EM-DAT [die internationale Katastrophen-Datenbank] in drei Jahren sieben Desaster für die Sowjetunion. Ein ähnliches Bild zeigt sich auch bei Erdbeben und Vulkanausbrüchen, die nicht mit dem Klimawandel zusammenhängen: Zunächst gab es kaum Meldungen, erst seit den 1980ern nehmen sie zu. Die Anzahl der Naturkatastrophen steigt also unweigerlich mit der steigenden Zahl der Meldungen.“ Dass die gesteigerte Testaktivität Einfluss auf die Höhe der Infektionszahlen hatte, wurde in der Corona-Evaluation ebenfalls eingeräumt (siehe hier S. 70). Klar: Verändert sich das Messverhalten, bekommt man keine aufeinander beziehbaren Ergebnisse. Schulwissen, sollte man meinen, jedenfalls kein Regierungs-, Talkshow- und Expertenrat-Wissen.
Was also tun? Dem Weg Schwedens und Großbritanniens folgen! Und darüber hinaus grundsätzlich werden, Fragen stellen und faktenfreie Textbausteine nicht als Argument gelten lassen. Daneben sollten frustrierte Regenjuli-Sommerfans den EU-Klimawandeldienst Copernicus vielleicht mit folgender Forschungsfrage beschäftigen: „Wann wird's mal wieder richtig Sommer, ein Sommer, wie er früher einmal war?“ Die Antwort spuckt sicher der Computer aus.
Lesen Sie als gut gealterten Grundlagentext von Thomas Maul auch: Grünifizierte Gesellschaft, Teil eins, zwei und drei.
Felix Perrefort ist Redakteur und Autor der Achse des Guten.