Eine echte Bedrohung der Demokratie

Die Reichsbürger sind gefährlich, aber die Überreaktion der Regierung ist noch gefährlicher.

Rund 3.000 Polizeibeamte im Einsatz, 54 Verdächtige und 25 Festnahmen im Kampf gegen die Reichsbürger – das vermeldeten die Nachrichtensender letzte Woche. Bei den Festgenommenen handelt es sich um mutmaßliche Verschwörer, die den Bundestag erstürmen und Teile der Infrastruktur lahmlegen wollten.

Schon kurz nach der Razzia äußerten sich einige Politiker zufrieden mit der Aktion. Kanzler Olaf Scholz zum Beispiel sprach von dem Handeln eines entschlossenen Staates. Nun wüssten alle, dass man einen wehrhaften Staat habe und eine wehrhafte Demokratie, die solche Rechtsverletzungen und Planungen mit ihren Sicherheitsbehörden durchkreuzen könne, und dies sei die wichtigste Konsequenz der Aktion.

Die Reichsbürger sind tatsächlich reaktionär, antidemokratisch und konspirativ. Sie behaupten, das alte Deutsche Reich, das am Ende des Ersten Weltkriegs zusammengebrochen ist, sei nie rechtmäßig abgeschafft worden und das heutige Deutschland daher ein illegales Konstrukt. In ihren Augen leben wir in einer Scheindemokratie, hinter der sich ein geheimer tiefer Staat verbirgt. Zur Wiederherstellung der alten Ordnung gehört für viele auch die Rückkehr zu einem Kaiser als Herrscher.

Eher verwirrte Rentner als hartgesottene Aufständische

Die Tatsache, dass eine solch bizarre Bewegung in den letzten Jahren wachsen konnte – von rund 19.000 Anhängern im Jahr 2019 auf angeblich 23.000 im Jahr 2022, wie die Polizei angibt – zeigt uns, dass in Deutschland eindeutig etwas schiefläuft. Die Reichsbürger sind jedoch nicht in einem politischen Vakuum größer geworden. Vielmehr haben sie, teilweise, als Reaktion auf den autoritären Umgang der deutschen Regierung mit der Corona-Pandemie neue Unterstützer gewonnen. Ihre schwarz-weiß-roten Fahnen (die Farben der Flagge des alten Deutschen Reichs von vor 1918) waren oft bei Demonstrationen gegen die Lockdowns zu sehen. Dies machte es der Pro-Lockdown-Lobby leicht, jeden Widerstand gegen die Corona-Beschränkungen als Produkt rechtsextremer Verschwörungstheoretiker darzustellen.

Dass Mitglieder der Reichsbürger auch vor Gewalt nicht zurückschrecken, zeigte sich 2016. Bei dem Versuch, das Haus eines Reichsbürgers zu durchsuchen und ihm seine Waffen abzunehmen, kam es zu einem Schusswechsel. Drei Polizisten wurden verletzt und einer getötet. Anfang dieses Jahres überfuhr ein Sympathisant der Bewegung bei einer Kontrolle einen Polizisten mit seinem Auto. Auch dieser Polizist wurde lebensgefährlich verletzt. Da einige der Verhafteten von vorletzter Woche ehemalige Soldaten (darunter ein ehemaliges Mitglied der Eliteeinheit KSK) sind, ist davon auszugehen, dass sie über gute militärische Fähigkeiten verfügen.

Dennoch ist es wichtig, die Bedrohung des deutschen Staates durch die Reichsbürger nicht zu übertreiben. Genau das aber scheint die Regierung zu tun. Innenministerin Nancy Faeser sprach von einem „Abgrund terroristischer Bedrohung“, obwohl die Verhafteten eher wie verwirrte Rentner als wie hartgesottene Aufständische aussahen. Von den großen Waffenlagern, die im Anwesen des mutmaßlichen Anführers – Prinz Reuss – gefunden wurden, ist bislang wenig Konkretes bekannt gegeben worden (gefunden wurden wohl Schwerter, Gewehre und Armbrüste).

Wie eine „PR-Aktion“

Es wird Aufgabe der Gerichte sein, zu entscheiden, ob die Reaktion der Regierung der von den Reichsbürgern ausgehenden Gefahr angemessen war. Das Vorgehen wirft jedoch Fragen auf. Einige Kommentatoren haben zu Recht auf das Medienspektakel hingewiesen, mit dem die Verhaftungen verbunden waren: „Normalerweise, wenn etwas sehr Gefährliches passiert in diesem Land, arbeiteten Behörden besonders diskret. Da treten schwarz gekleidete Polizisten nachts die Tür ein und holen Verbrecher aus dem Bett. Warum? Damit sich die Brüder weder absetzen, Beweismittel verschwinden lassen oder noch größeres Unheil anrichten können“, schreibt Jesko zu Dohna in der Berliner Zeitung.

Warum also schien das übliche Anti-Terror-Protokoll nicht für die Reichsbürger zu gelten? Weil die Razzien von mehreren Fernsehsendern gefilmt wurden, sagte die Linken-Abgeordnete Martina Renner – nicht zu Unrecht – das Ganze habe auf sie wie eine „PR-Aktion“ gewirkt. Sie behauptete sogar, manche Medienvertreter hätten bereits zwei Wochen vor den Razzien die Namen und Adressen der Verdächtigen gekannt sowie den Zeitpunkt der geplanten Aktion.

Besorgniserregend ist aber vor allem die Art und Weise, wie die Reichsbürger-Affäre nun von Mitgliedern der Regierungskoalition instrumentalisiert wird. So hat Innenministerin Nancy Faeser bereits eine Reihe gesetzlicher Verschärfungen angekündigt. Noch in diesem Jahr will sie zum Beispiel ein Gesetz, das die Entlassung von Extremisten aus dem Beamtenverhältnis beschleunigen soll, auf den Weg bringen. Zeitweise deutete die Ministerin sogar an, die Beweislast umkehren zu wollen, um dem Staat den komplizierten und langwierigen Prozess der Schuldzuweisung zu ersparen. Alle Beamten – vom Lehrer bis zum Feuerwehrmann – müssen, sollte es dazu kommen, besonders auf der Hut sein, damit ihnen keine „verfassungsfeindlichen“ Aktivitäten vorgeworfen werden können.

Auch die AfD ist in die Kritik geraten, weil eine der Hauptverdächtigen ein ehemaliges Mitglied ihrer Bundestagsfraktion ist. Führende Politiker – darunter der niedersächsische Innenminister Boris Pistorius von der SPD – haben nun ein Verbot der AfD gefordert. Andere, wie Konstantin von Notz von den Grünen, spielen mit dem Gedanken einer Zutrittsbeschränkung für die Abgeordneten der AfD zum Bundestag: „Das Sicherheitskonzept des Bundestags ist nicht dafür gemacht, dass Verfassungsfeinde mit Zutrittsprivilegien ins Parlament gewählt werden“, sagte er. Der Verdacht liegt nahe, dass solche Vorstöße nicht ohne Hintergedanken erfolgen. Immerhin hat die AfD in letzter Zeit angesichts steigender Inflation, Energieknappheit und Krieg spürbar an Zustimmung gewonnen.

Die Reichsbürger sind alles andere als harmlos. Und es ist richtig, dass der Staat gegen jede mögliche Gewaltandrohung vorgeht. Aber es sieht so aus, als ob zu viele in der Regierung die Verschwörung nutzen, um ihre Gegner zu schädigen und sogar zum Schweigen zu bringen. Wenn hier also eine Gefahr für die Demokratie besteht, dann geht sie nicht nur von den Reichsbürgern aus, sondern auch von jenen Politikern, die bereit sind, zentrale demokratische Grundsätze auszuhöhlen, während sie vorgeben, die Demokratie zu verteidigen.

 

Dieser Beitrag erschien zuerst bei Novo-Argumente.

Foto: Pixabay

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Leserpost

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Patrick Meiser / 23.12.2022

“Warum schreibe ich noch hier ?” @ Rudolf Dietze - diese Frage kann ich Ihnen natürlich nicht beantworten, ich meinerseits habe diese Frage bereits für mich beantwortet. Stichtag ist der 31.12., dann ist Schluß hier.

Franz Klar / 23.12.2022

„Von dem Fall haben wir heute, wie die meisten Bürger auch, erst aus den Medien erfahren. Wir verurteilen solche Bestrebungen und lehnen diese nachdrücklich ab. Nun gilt es die Ermittlungen abzuwarten. Wir haben vollstes Vertrauen in die beteiligten Behörden und fordern eine schnelle und lückenlose Aufklärung.“ (Stellungnahme der AfD-Bundessprecher Tino Chrupalla und Dr. Alice Weidel zu der Groß-Razzia / Berlin, 7. Dezember 2022) .  Sämtliche Foristenkommentare preschen daran vorbei ... wer kann mir das einordnen ?

Lutz Liebezeit / 23.12.2022

Die Reichsbürger sind ein Popanz der SPD. Nach dem Grundgesetz war der westdeutsche Staat in gewisser Hinsicht mit dem Deutschen Reich gleichzusetzen. Insofern, als er nur die Hälfte des Ganzen war. Das ging ja gar nicht anders, schließlich wollte alle Welt Reparationen. Wenn wir keine Reichsbürger sind, dann verlange ich alle gezahlten Reparationen zurück! Die Reichsbürger, die der Razzia zum Opfer gefallen sind, sind jedenfalls keine. Die sind von V-Leuten unterwandert und die setzen denen Flöhe ins Ohr wie, wir hätten keine Verfassung, Deutschland stehe unter Besatzungsstatut, es gelte die Feindstaatenklausel. Kann sein, daß das bei der SPD und den Grünen so ist, die agieren ja auch, als hätten die noch nie eine Verfassung gelesen, aber völkerrechtlich ist Deutschland zwar angeschlagen und teilamputiert, aber identisch mit dem Deutschen Reich. Das Dritte Reich ist natürlich nicht das Deutsche Reich, das Dritte Reich ist eine Erfindung und die basiert scheinbar sogar auf apokalptischen Leserten des biblischen Buchs Daniel. Die Propaganda hätte es gern, wenn Hitler als ein Antagonismus betrachtet würde, eine Art Alien, aber rechtlich war Hitler ein deutscher Kanzler in der Nachfolge von Friedrich Ebert, Philipp Scheidemann, Adolf Hitler und Vorgänger von Helmut Kohl, Angela Merkel .. Sonst könnten wir das Kanzleramt jetzt genauso unter Quarantäne setzen und Scholz als Antagonismus aussortieren.  

Sabine Heinrich / 23.12.2022

@ Arndt Schuster: Na klar sind Sie ein Verschwörungstheoretiker - so wie ich auch! Jeder, der das Selberdenken noch nicht aufgegeben hat und mainstreammedial verblödet ist, muss zu diesem Schluss kommen. So wie die ganze peinliche Aktion bestens dazu geeignet war, schnell von dem Mord und dem Beinahe- Mord an den beiden Mädchen abzulenken. Von denen redet keiner mehr. Das war ja nur ein “Kollateralschaden” im Zusammenhang mit unserer deutschenfeindlichen Einwanderungspolitik. - Ich kenne keinen einzigen Reichsbürger, habe mich auch nicht mit deren Gedanken auseinandergesetzt. Gefährlich? Dass ich nicht lache! Gefährlich, bedrohlich ist Merkels schwarze Garde, die Antifa, die vor ein paar Jahren beim G20- Gipfel in Hamburg mörderische Attacken auf Polizisten ausgeübt, gebrandschatzt und ein Feld der Verwüstung hinterlassen hat. Die feigen Ableger dieser schwarzen Garde terrorisieren seit Jahren in einer Mittelstadt in S-H einen mir bekannten Menschen, der zu den Querdenkern gehört; in öffentlichen Fahrstühlen fanden sich wiederholt hingeschmierte Mordaufforderungen unter Angabe seiner Adresse gegen ihn - und es gibt seit Monaten Hetzaufrufe per Aufkleber gegen C-Ungeimpfte. Aber von denen geht natürlich keine Gefahr aus. - Da ich keinen Reichsbürger kenne und mich mit ihrem Gedankengut noch nicht beschäftigt habe, verzichte ich auf Verunglimpfungen und Beleidigungen. Ich weiß als C-Impfkritikerin und Gegen-den-Strom-Schwimmerin ziemlich gut, wie sich das anfühlt, als “Spinner”, “Nazi”, rrrächtz” tituliert und von vermeintlich guten langjährigen Freunden als “egoisisch”, “dumm” und “unsozial” betitelt zu werden, nur weil ich mir die Giftbrühe nicht spritzen lassen wollte.

STeve Acker / 23.12.2022

Die perfide Tour der Politik. Viele Menschen sehen dass unsere Demokratie in einem erbärmlichen Zustand ist. und versuchen dagegen anzugehen. Die Politik stellt sie dafür als Demokratiefeinde dar.

George Samsonis / 23.12.2022

Wirklich brandgefährlich für das Land - für Wohlstand, die Gesellschaft auf Basis christlich-westlicher Werte, Freiheit und Demokrarie - ist LinksGrün. Damit ist alles gesagt!

Peter Thomas / 23.12.2022

Die Reichsbürger sind gefährlich, und die CDU ist das konservative Rückgrat unserer Deutschen Demokratischen Republik. // Frau Beppler, ich bin gespannt auf weitere Enthüllungen.

WF Beck / 23.12.2022

Ich bin ein mir ” reichst Bürger”. Absolut unfähige Dillitanten zerstören den Staat und rauben unverschämt das Land aus. Korruption ist das antidemokratischte Herrschaftselement. Rotgruen bedient sich der gleichgeschalteten Presse um nach und nach, die DDR 2.0 wieder zu beleben. Alle Parteien, außer der AFD, spielen das Spiel mit. 10 000 neue linksgruene unfähige Parteigänger werden in staatliche Ämter gehieft. Das ist die eigentliche Revolution. Die Staatsstreichverdächtigen sitzen im Bundestag. Dort müsste der Verfassungsschutz ansetzen. Die größten Verfassungsfeinde sitzen in den Ministerien.

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