Rainer Bonhorst / 25.02.2020 / 11:00 / 22 / Seite ausdrucken

Ein Orden für die Zuckerpuppe?

Von der weiten Öffentlichkeit kaum bemerkt, ist Bill Ramsey mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet worden. Und zwar nicht mit einem Wald- und Wiesen-Kreuz sondern mit dem am Bande. Das Kreuz sei ihm gegönnt. Aber ich wundere mich schon, dass die politisch korrekte Textüberwachungs-Brigade diese Ordensverleihung dem Berliner Senator durchgehen ließ. Denn Bill Ramsey hat nicht nur von Pigalle gesungen und von der Mimi, die ohne Krimi nie ins Bett geht. Zu seinem Repertoire gehörte auch die genderpolitisch höchst bedenkliche „süße Biene mit der Tüllgardine vor dem Baby-Doll-Gesicht“.

Wie konnte es passieren, dass diese Baby-Doll-Biene nicht sofort von humorfernen Kämpferinnen an den Pranger gestellt wurde? Oder steht uns der Sturm der Entrüstung noch bevor? Jedenfalls stellt sich die Frage, ob Ramsey seinen Orden früher oder später nicht doch noch wegen mangelnder Frauenverehrung zurückgeben muss.

Denn die Baby-Doll-Biene ist, um kurz ein klimapolitisches Bild zu wagen, nur die Spitze eines zweifellos schmelzenden Eisberges. Denn Ramseys einschlägiges Lied beginnt bereits mit der höchst fragwürdigen Zeile: „Kennt ihr die Zuckerpuppe aus der Bauchtanzgruppe, von der ganz Marokko spricht?“ Schon in der ersten Gesangszeile wird also die Frau zur Zuckerpuppe degradiert, und zwar zur Puppe einer – typische Männerphantasie – Bauchtanztruppe.

Wer so beginnt, fährt im gleichen Sinne fort: Es folgt die bereits erwähnte süße Biene, mit der Tüllgardine vor dem mehrfach angesprochenen Baby-Doll-Gesicht. Und als ob die Verniedlichung der Hauptprotagonistin ins babyhafte nicht ausreichte, nennt der Sänger die Suleika, um die es hier geht, auch noch eine „kleine Maus“. Also sozusagen ein Mäuschen. Geht's noch kleiner? Ach ja, die, wie gesagt, mehrfach erwähnte süße Biene ist noch kleiner als die kleine Maus.

Elfriede aus Wuppertal

Wie auch immer: Nicht genug mit der bedenkenlosen Missachtung der Genderproblematik, trivialisiert Ramsey auch noch den krisengeschüttelten Nahen Osten. Singt er doch die schnöde Zeile: „Da staunt der vordere Orient, da staunt der hintere Orient.“ Also wirklich. Hinzu kommen – es hört einfach nicht auf – zwei gedankenlose Klischees: „Und mancher Wüstensohn hat sie schon als Fatah Morgana geseh'n“. Wüstensohn und Fatah Morgana. Was soll ein stolzer Moslem dazu sagen, wenn er und seine Region auf diese zwei Begriffe reduziert wird.

Zwar versucht Ramsey, dem ganzen die weltpolitisch brisante Schärfe zu nehmen, indem er am Ende des Liedes die vermeintliche Suleika als Elfriede aus Wuppertal entlarvt. Aber er steckt da längst viel zu tief im Sumpf des politisch Unkorrekten, um sich auf diese Weise noch herausziehen zu können. 

Ramsey hat das Pech, noch unter den Lebenden zu weilen. Er wird also dem Zorn der Erinnyen auf Dauer nicht entgehen können. In dieser Welt nicht mehr zu belangen, sind hingegen Paul Knepler (Text) und Franz Lehar (Vertonung) wegen ihrer Paganini-Operettenzeilen: „Gern hab' ich die Frau'n geküsst, hab nie gefragt, ob es gestattet ist. Dachte mir: Nimm sie dir, küss sie nur. Denn dazu sind sie hier.“ Gegen diese Ungeheuerlichkeit aus der Vorkriegszeit wirkt Ramsey Zuckerpuppe wie ein Kinkerlitzchen aus den fünfziger Jahren. Aber täuschen wir uns nicht. Auch die Fünfziger Jahre werden dem strengen und – wie gesagt – humorfreien Blick der 2000er Jahre nicht entgehen. Mal sehen, wie lange Ramseys Orden dem drohenden tierischen Ernst standhalten kann.

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Leserpost

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Jörg Themlitz / 25.02.2020

Nicht schreiben! Handeln! Ich habe heut Vormittag damit zugebracht, im Umkreis von 30 Kilometern alle Bill Ramsey Denkmale niederzureißen. Auch wenn der Witz noch so flach ist, hätte neben Fatah (wie böse) noch Vaterh Morgana, Mutterh Morgana und Genderh Morgana kommen müssen. “Hamas oder Hamas nicht?” V. Pispers

Bechlenberg Archi W. / 25.02.2020

In “Souvenirs Souvenirs” singt er von einem Knopf an der Bluse der Lollo - das hat doch geradezu brüderle’sche Dimensionen! Was meint er damit? Worauf zielt diese Andeutung ab? Und wie kommt er an den Knopf? Hat sie ihm den freiwillig überlassen? Oder ist der Knopf eine Trophäe? War Weinstein mit im Spiel? Oder der Ex-Präsident mit dem selben Vornamen?

Paul Siemons / 25.02.2020

“Es war einmal ein Muselmann, / der trank sich einen Dusel an, / wann immer er nur kunnt. / Er rief dann stets das Muselweib / wo es denn mit dem Fusel bleib, / denn Durst ist nicht gesund.” Heinz Erhardt, von dem diese Zeilen stammen, wäre heute ebenso geächtet wie Uwe Steimle. Und den ihm 1979 verliehenen großen Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland könnte er in der Pfeife rauchen.

sybille eden / 25.02.2020

Bill Ramsey hat sich damit als frauenfeindlicher Nazi geoutet ! Sowas muss mit Stumpf und Stiel erbarmungslos ausgerrrrrottet wärrrden !!!

Jürgen Fischer / 25.02.2020

Na, den Orden wider den tierischen Ernst hätte er sich damit redlich verdient. Ich befürchte nur, er kriegt ihn nicht; man sehe sich nur die Liste der Preisträger an.

Sebastian Weber / 25.02.2020

ohh, Herr Bonhorst, mir schwant Schlimmes: wenn die links-grünen Krawallschachteln (= davon gibt es in Berlin ja genug—-) diesen faux-pas des Bundespräsidialamtes mitbekommen, gibt es Ärger ... Unser ehrenwerter Herr Bundespräsident wird einknicken, die Hacken zusammenschlagen, das Ganze auf ein Versehen seiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (oder soll man jetzt “Mitarbeitenden” sagen? Auch wenn sie gerade gar nicht arbeiten?) und den Verdienstorden wieder zurückfordern.

Peter Rosé / 25.02.2020

Lieber Herr Bonhorst, Bill kann zwar dafür verantwortlich gemacht werden, dass er diesen Schlager gesunge hat, nicht aber für den Text selbst. Dieser stammt von dem Duo Heinz Gietz und Hans Bradtke.  Sie liegen mit ihrer Prognose übrigens gar nicht so falsch. Auf einer Webseite (hitparade.ch), wo man den Schlager finden kann, stehen auch Kommentare, die meisten in typisch deutscher und schweizer moralionsaurer Überheblichkeit gehalten. Übrigens Léhar: Er hat in fürchterlichster Weise den Puffbesuch salonfähig gemacht mit der berühmten absteigenden Tonfolge zum Text” Da geh’ ich ins Maxim usw….” (aus: Die lustige Witwe”) Ich werde gleich zum Bezirksamt Eimsbüttel gehen und beantragen, dass man in HH die Léharstraße umbenennt, verkörpert er doch den Männlichkeitswahn, der die Freuen als käufliches Objekt behandelt und sie - schrecklich, schrecklich - beim Kosenamen nennt “Lolo, Chocho etc” Dass er als Melodie eine absteigende Skala verwndet, stetzt dem noch die Krone auf, symbolisiert eine derartige musikalische Figur doch das Niedersinken des Mannes auf die zumm wehrlosen Objekt erniedrigte Frau. Ich denke jetzt, wo die Grünen ihren Stimmen Anteil verdoppelt haben, wird es klappen. Man könnte noch weiter stöbern und würde in einigen der wunderbaren Werke Offenbachs fündig (z. B. Les contes d’Hoffmann), vor allem aber in dem Werk, das immer wieder Mal unter Beschuss gerät: Così fan tutte. Schließlich ist ja inzwischen auch bekannt, dass Wolfgang A. M. selbst kein Kind von Traurigkeit war.

André Dreilich / 25.02.2020

Bei der Bauchtanzgruppe muss ich an die Politfunktionäre denken, die Ernst Moritz Arndt seine Uni (Greifswald) und (in Leipzig) Straße nahmen. Es sei falsch, das Tun eines Menschen in seinem historischen Kontext zu bewerten. Vielmehr müsse man es im heutigen Kontext sehen. In diesem Sinne: Tapfer sein, Bill!

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