Manfred Haferburg / 17.08.2016 / 12:25 / Foto: Tomaschoff / 34 / Seite ausdrucken

Ein Auswanderer erkennt sein Land nicht mehr

Mein liebes Deutschland! Was wird aus Dir? Was wird aus den fleißigen klugen Menschen, die dieses Land nach dem furchtbarsten aller Kriege zum Blühen gebracht haben? Was wird aus den lieblichen Kulturlandschaften mit den sanften Hügeln und den bergigen Wäldern? Was aus den kleinen Kirchen in den alten Haufendörfern? Was aus den Jahrhunderten von Tradition?

Die ersten vierzig Jahre meines Lebens kannte ich nur Unterdrückung. Der deutsche Sozialismus kostete 1000 Menschen an den Grenzen das Leben, ausgelöscht von Fanatikern, die eine bessere Welt auf ihren Leichen bauen wollten. Die Nachbarn: Polen, Tschechoslowaken und Ungarn waren auch sowjetische Satelliten, aber sie schossen ihren Landsleuten an den Grenzen nicht in den Rücken. Das machten nur die deutschen Kommunisten. Ich selbst wurde von der Stasi zersetzt, mit der tatkräftigen Hilfe meiner Freunde und Bekannten ins politische Gefängnis Hohenschönhausen der psychischen und physischen Folter der Mielke - Schergen ausgeliefert. Zur Wende wurde ich mit verbundenen Augen aus einem fahrenden Auto auf eine regennasse Straße in Berlin Köpenick geworfen. Ich kenne mich aus mit Weltverbesserern. Ich habe gelernt sie zu fürchten, ohne Angst vor ihnen zu haben.

Und dann passierte etwas Wunderbares. Wie war ich dankbar, dass mein Vaterland 1990 in Demokratie einig wurde. Wie war ich stolz, als auch noch „eine von uns“ Bundeskanzlerin wurde. Wie blühten durch die fleißige Arbeit der Bürger die heruntergewirtschafteten Städte wieder auf. Sogar der Ort meiner stillen Jugendtrauer, die Dresdener Frauenkirche erstand in alter neuer Schönheit. Welch ein Glücksgefühl.

Die Täter von gestern saßen plötzlich im Parlament

Ja, es gab auch ein paar Dinge, die nicht so schön liefen. Viele Ostdeutsche fühlten sich abgehängt, einige waren es wirklich. Wie nach dem zweiten Weltkrieg die Nazis kamen diesmal die sozialistischen Täter wieder aus ihren Löchern gekrochen, redeten ihre Verbrechen klein und logen ihr unter- und pleitegegangenes System schön. Wieder wurde der Fortschritt auf Kosten der Opfer vorangetrieben. Die Täter von gestern saß plötzlich im Parlament und salbaderten von Demokratie. Und dann machten sie gemeinsame Sache mit den alten linken Kräften, die da nach dem Marsch durch die Institutionen schon lange das Sagen hatten. Das konnte einem schon ein bisschen Angst machen.

Aber es gab eine funktionierende Demokratie. Erkennbar an einer gesunden Opposition. Und es gab christlich- demokratische Kräfte, die rechts von der Mitte die Balance hielten. Jedenfalls schien es mir so. Ich war voller Hoffnung für die Zukunft meiner Kinder und die der süßen Enkelkinder.

Unmerklich passierten kleine Veränderungen, die das System unaufhaltsam aushöhlten. Der „Zeitgeist“ nagte nahezu unsichtbar aber beharrlich an allen möglichen Stellen der Demokratie gleichzeitig. Die linken Lehrer hatten ganze Arbeit geleistet und eine ganze Generation indoktriniert. Die linken Journalisten stachen der vierten Gewalt das linke Auge aus und setzten ihr ein Zweites rechtes ein. Die linken Juristen entwickelten ihren Täterkult und ihre Opferverachtung. Die Polizei als Exekutive wurde zersetzt, kaputtgespart, der öffentlichen Verachtung preisgegeben und am Ende zu einer Witzfigur enteiert. Die Armee wurde praktisch abgeschafft, ihre traurigen Überreste kann heute jeder bewundern – sie haben weniger funktionierende Hubschrauber, als die „Verteidigungsministerin“ Kinder hat.

Wieder „Eliten“, die das Volk verachten und ihm zutiefst misstrauen

Der Zeitgeist bemächtigte sich unter der Führung einer immer eigenmächtiger agierenden Ostfrau nun der Legislative. Es war 2014, wo ich das erste Mal im Spaß sagte: „Frau Merkel erinnert mich an Erich Honecker“. Daraus wurde bitterer Ernst. So wie das Parlament in Größe wuchs, so verlor es an Bedeutung für die Demokratie. Die konservativen Kräfte rutschten mehr und mehr nach links, bis keiner mehr die unkenntlich gewordenen Parteien CDUCSUSPDFDPGRÜNELINKE voneinander unterscheiden konnte. Die „Alternativlosigkeit“ wurde zur Staatsdoktrin und die Demokratie konnte einpacken. Wie in der DDR wurde das Parlament nicht mehr gefragt - oder noch unwürdiger - zum Jubelverein degradiert.

Die  „Eliten“ ob Politiker, Journalisten oder Wirtschaftsführer – alle waren plötzlich im Jahre 2015 einer alternativlosen Meinung. Wer einen eigenen Gedanken oder gar Bedenken äußerte, war „rechts“. Was noch vor fünf Jahren zu einer funktionierenden Demokratie gehörte, nämlich die Balance zwischen „rechts“ und „links“, war plötzlich vorbei. „Rechts“ wurde zu „voll Nazi“ und durfte ausgegrenzt, zensiert, beschimpft, zersetzt und verboten werden.

Mit Entsetzen stelle ich fest, dass ich urplötzlich wieder im „entwickelten System des Sozialismus“ angekommen bin. Noch ist es komfortabler und besser ausgestattet, als die DDR. Aber mein Deutschland – darf ich das eigentlich noch schreiben „mein Deutschland“? - ist zu einer Scheindemokratie verkommen, wo ich mir wieder überlegen muss, was ich sage oder hier schreibe. Wo es wieder eine Gedankenpolizei gibt. Wo man Soldaten „Mörder“ und Deutschland ein „mieses Stück Scheiße“ nennt. Wo die „Eliten“ wieder das Volk verachten und ihm zutiefst misstrauen – mit Fug und Recht. Weil das Volk anders denkt, muss es wieder unterdrückt werden. Wieder wird die Wirtschaft von der Ideologie angegriffen und zerstört. Wieder wird das Volksvermögen unter den Herrschenden aufgeteilt und der Rest mit vollen Händen durch diverse ideologische Fenster geworfen. Ob Finanzpolitik, Energiepolitik oder Flüchtlingspolitik – die Herrschenden machen ihre Geschäfte gegen das Volk und ersticken jede Opposition im Keim. Eine Horde von Ideologen hat sich die Demokratie unter den Nagel gerissen.

Das Schlimmste ist, dass ich kein Licht am Ende des Tunnels sehe. Immer wenn ich denke: „Nun muss doch das Offensichtliche eingesehen und eingestanden werden! Nein, mitnichten, es werden neue Lug- und Trugberge aufgetürmt. Und das mit immer mehr Unverschämtheit. Es ist zum Depressiv werden – keine nennenswerten Gegenstimmen erheben sich, keine Alternativen zur herrschenden Alternativlosigkeit tun sich auf. Ich fühle mich einsam, isoliert, ausgegrenzt, gemeinsam mit einem ganzen Volk. Das macht mir mehr als Angst. Auch das verhalten dumpf grollende Schweigen dieses Volkes zur sich anbahnenden Misere macht Angst. Sollte die deutsche Gründlichkeit wieder einmal erst zuschlagen, wenn es zu spät ist?

Ich bin ausgewandert. Auch meine Kinder und Enkel sind teilweise schon weg. Ob uns das helfen wird, weiß ich nicht. Mein liebes Deutschland! Was wird aus Dir?

Foto: Tomaschoff

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Michael Scheffler / 17.08.2016

Herr Weiß, prinzipiell haben Sie recht! Nur was soll ein Volk (auch Sie haben auch schon das politisch korrekte Neusprech-Wort “Bevölkerung” in ihrem Beitrag benutzt) tun, das von den Fans von 40 schlimmen Jahren im kleineren Teil Deutschlands mit Hinweis auf 12 schlimmste Jahre in Gesamtdeutschland eingeschüchtert wird, wenn es sich zu sich selbst bekennt? Allenfalls bei Fußballmeisterschaften getraut man sich, die Fahne rauszuhängen, aber selbst das möchten manche noch verbieten.

Karl Rannseyer / 17.08.2016

Vor etwa 15 Jahren stellte sich bei meiner Frau und mir das Gefühl ein daß etwas seltsames in unserem Land vorgeht, etwas ganz furchtbar schief läuft. Es war eine schleichende, nicht wirklich greifbare Veränderungen im Gange deren Entwicklung nicht absehbar war. Ich entschied für mich, daß ich dafür ‘89 nicht auf die Straße gegangen bin, mein bischen Freiheit und körperliche Unversehrtheit habe ich für dieses Deutschland nicht riskiert. Was tun? Die Idee des auswanderns bekam Konturen und wurde durchdacht und zu Ende gedacht. Seit etwas mehr als neun Jahren leben wir außerhalb Deutschlands, haben komplett neu angefangen und mehr, in kürzerer Zeit erreicht, als es uns in Deutschland möglich war. Bis jetzt kann ich mit Fug und Recht behaupten die richtige Entscheidung getroffen zu haben.

Gero Micheler / 17.08.2016

Auf traurig-nachdenkliche Weise beschreibt die Seite ‘Nicht mehr mein Deutschland’ sehr ähnliche Gedanken wie dieser Artikel. Es gibt sie, die kritischen, klar formulierten Stimmen, doch es sind so schrecklich wenige. Die meisten in dieser Republik sind scheinbar entweder sehr kurzsichtig und der Gehirnwäsche verfallen, oder sie befinden sich in einer von Ungläubigkeit und Angst geprägten Duldungsstarre. Sehr trübe Aussichten für ein Land, das noch vor wenigen Jahren zu den freiesten und lebenswertesten der Welt gehörte.

Alexander Damaskinos / 17.08.2016

Der Text trifft ja sehr gut die Situation in Deutschland - allerdings mit einer ganz gravierenden Lücke! Er klammert die tatsächlich vorhandene Opposition in einer nahezu sträflichen Weise aus - nämlich die AfD. Und ich gehe noch weiter: Ein ganz wesentliches Problem ist gerade, dass auch viele andere, ansonsten vernünftige Leute wie Herr Haferburg dies tun. Und dies ist auch der Grund, warum sich fast so viele untragbare Leute in der AfD tummeln wie bei den Grünen. Würden sich die Kritiker statt auszuwandern aktiv in die Parteiarbeit einbringen oder sie wenigstens massiv durch ihre Pressebeiträge unterstützen, dann täten sich die Vernünftigen auch in der AfD leichter. Sie ist genau die Kraft, die “rechts von der Mitte die Balance hält”. Aber das Volk ist - Gott sei Dank - offensichtlich weiter als Herr Haferburg in seinem letzten Absatz: Es schweigt eben nicht “dumpf grollend” oder “depressiv”, sondern wählt immer mehr die “nennenswerten Gegenstimmen” und “die Alternativen zur herrschenden Alternativlosigkeit” - trotz allem Gegenwind. Und das gibt Hoffnung.

Stefan O. W. Weiß / 17.08.2016

Das Kernproblem, das man einfach nicht sehen will, besteht darin, dass die Deutschen nicht mehr Willens sind, sich selbst zu reproduzieren. Das dürfte wohl das erste Mal in der Weltgeschichte sein, dass eine Bevölkerung, die in Frieden und ohne Seuchen lebt, schrumpft. Ich bin immer wieder erstaunt, wie gleichgültig dieser Umstand alle läßt. Aber das Faktum ist nun mal da. Als Ausländer würde ich sagen. “Okay, ihr Deutschen, wenn ihr euch nicht fortpflanzen wollt, dann müßt ihr eben uns Ausländer zulassen. Und da ihr sowieso bald völlig verschwinden werdet, brauche ich auch keine Rücksicht auf euch nehmen”.

Wieland Schmied / 17.08.2016

” Mein liebes Deutschland! Was wird aus Dir?” Wie oft habe ich mir in den vergangenen etwa 30 Monaten diese Frage schon gestellt. Ich gestehe freimütig, daß ich wegen der - natürlich - ausgeblieben Antwort, auch schon geweint habe. Teils auch aus Sorge um meine Familie und deren Zukunft hierzulande, aber auch verbunden mit Wut darüber, daß es offenbar keinerlei Regung in der Bevölkerung gibt, dem Treiben der Despoten praktisch ein Ende zu setzen. Gegen die verkommenen Eliten anzuschreiben mag anfangs von demokratisch gesonnenen Journalisten ja sehr gut gemeint und Hoffnung gebend gewesen sein. Etwas Konkretes zu Verhinderung des Wegs zum grünroten Sozialismus war das nicht und wird es auch weiterhin nicht sein. Es fehlen die Instrumente und dazugehörige Virtuosen, die den Resonanzboden Bevölkerung endlich zum Schwingen und dröhnen bringen.

Magdalen Kreuzritter / 17.08.2016

Lieber Herr Haferburg, sie werden es bestimmt nicht zum ersten Mal hören, aber Sie sprechen mir aus dem Herzen - auch wenn ich nicht im Geringsten das erlebt habe, was Sie 40 Jahre lang ertragen mussten. Ich habe mit dem Satz “Frau Merkel erinnert mich an Alleingänge aus eigentlich längst vergangenen Zeiten” fast eine FAmilienkrise ausgelöst - auch daran sieht man, welche Kreise Indoktrination wieder zieht. Bestenfalls werde ich gefragt “...was denn dann die Lösung der Flüchtlingskrise…” sei - eine ehrliche Antwort wird dann aber direkt, milde gesagt, “verurteilt”. Als Aussiedler habe ich bereits eine Migration 1989 hinter mir - in Gedanken so manches Mal eine weitere.

Markus Werner / 17.08.2016

Obwohl ich aus dem Westen stamme, kann ich die Analyse des Autors vollumfänglich nachvollziehen und teilen. Auswandern - also Flucht - ist als persönliche Entscheidung zu respektieren. Ich wünsche mir allerdings eher, dass wir uns wehren und dem “entwickelten Sozialismus” der “ganz großen Koalition”  unser Land nicht resigniert einfach so überlassen. Schützen wir unsere Freiheit, beenden wir die “Scheindemokratie” und verteidigen wir unsere Heimat. Wir habe nur diese eine.

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