Vera Lengsfeld / 28.12.2009 / 20:20 / 0 / Seite ausdrucken

Doppeltagebuch 1989/2009- 28. Dezember

In der Nacht vom 27.zum 28. Dezember wird in Ostberlin das Ehrenmal in Treptow mit nationalistischen Parolen beschmiert. Der Ehrenhain ist den im 2. Weltkrieg gefallenen sowjetischen Soldaten gewidmet. Die Parolen sind geeignet, die Sowjetunion und besonders die in der DDR stationierte Westgruppe der Sowjetischen Streitkräfte, zu provozieren. Daneben diskreditieren sie den Einheitswillen der Mehrheit der DDR-Bevölkerung. Die SED reagiert, als hätte sie die Schmierereien bestellt, worauf viele Indizien deuten, was aber nie bewiesen werden konnte: sie wirft ihre Propagandamaschine an. Sie malt eine angeblich durch die mögliche Vereinigung drohende neonazistische Gefahr in den grellsten Farben. Dabei verschweigt sie natürlich, dass es neonazistische Tendenzen in der DDR immer gegeben hat, bis in die Reihen der Nationalen Volksarmee hinein. Die offizielle Erklärung lautet, Neonazis aus dem Westen wären die Verursacher gewesen, ohne dass je ein Täter dingfest gemacht werden konnte. Die Vorfälle in Treptow waren der Anlass für die SED, noch einmal einen „antifaschistischen“ Konsens zu propagieren, bei der die Partei und ihr Schild und Schwert, die Staatsicherheit, eine tragende Rolle spielen sollten. Die SED-Vorfeldorganisationen „Komitee der Antifaschistischen Widerstandskämpfer“ und die „Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft“ rufen zu einer „Kampfdemonstration“ auf und fordern eine „Einheitsfront gegen rechts“ Die Staatssicherheit ihrerseits demonstriert gegen den Auflösungsbeschluss des Runden Tisches, weil ohne sie der Kampf gegen den Rechtsradikalismus nicht gewährleistet sei. Kurzfristig geht die Rechnung der SED-PDS nicht auf- langfristig gelang es ihr allerdings die Atmosphäre im vereinten Deutschland erheblich zu vergiften. Bis ins bürgerliche Lager wurden die Warnungen vor einer angeblichen Gefahr von rechts aufgegriffen. So schrieb Friedbert Pflüger, damals CDU-Bundestagsabgeordneter, ein Buch „Deutschland driftet“, in dem er vor einem Rechtsruck im Land warnen zu müssen glaubte. Tatsächlich ist das Land, wenn überhaupt, nach links gedriftet und allmählich auf dem linken Auge so erblindet, dass die linksradikalen Gewalttaten der letzten Jahre, ja Jahrzehnte als Problem so lange geleugnet wurden, bis ein explosionsartiges Anwachsen dieser linksradikalen Gewalt es unmöglich machte. Selbst jetzt wagt man es aber nicht, Mittel aus dem millionenschweren Programmen „gegen rechts“ für die Bekämpfung des Linksextremismus einzusetzen. Ein nachhaltiger Sieg der alten SED-Ideologie, der so lange Bestand haben wird, so lange die Verengung des antitotalitären Konsens der Nachkriegszeit auf den „antifaschistischen Kampf“ beschränkt bleibt.

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