Viele eigenwillige Dinge hört man von den Spitzengenossen der SPD, seit die letzte Vorsitzende sich Hals über Kopf verabschiedet hat. Zum einen erklärten Vorstandsmitglieder in die Fernsehkameras, dass sie jetzt beraten würden, mit welchen Inhalten sie die Wiederauferstehung der dahinsiechenden SPD vielleicht schaffen könnten. Den Spitzengenossen fällt offenbar ohne längeres Nachsinnen nicht mehr ein, mit welcher Grundhaltung eine stolze Sozialdemokratie einst einen Großteil der Deutschen für sich einzunehmen wusste. Das hatte – als Erinnerungshilfe – viel mit gesundem Menschenverstand zu tun.
Aber gut, der hat nicht nur in der SPD seine Heimat weitgehend verloren. Unterhaltungswert hatte es auch, dass plötzlich keiner mehr SPD-Vorsitzender werden wollte, nicht einmal übergangsweise. Finanzminister Olaf Scholz winkte ab, das könne er nicht schaffen bei so viel Regierungsarbeit. Wahrscheinlich hofft er, dass sich niemand daran erinnern kann, dass einstmals Bundeskanzler geschafft haben, den SPD-Vorsitz trotz Regierungsamt zu übernehmen. Es ist ja auch schon lange her und heutzutage kaum noch vorstellbar, dass es einmal SPD-Kanzler gab. Auch der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil fürchtete eine Überlastung und winkte ab. Für den Parteivorsitz stehe er nicht zur Verfügung.
Und nun folgte am Montagmittag eine weitere lustige Meldung aus dem Parteivorstand: „Trio soll Partei aus der Krise führen – Schwesig, Dreyer und Schäfer-Gümbel nominiert“, meldete Bild. Ein Trio? Toll! Mit dem Modell einer Dreierführung hat die SPD ja schon unwahrscheinlich überzeugende Erfahrungen machen können. Damals nannte man das Trio noch Troika, aber in heutigen Zeiten sind Lehnworte aus dem Russischen vielleicht nicht mehr ganz so beliebt.
Interessant ist hier ein kleiner Rückblick auf das, was manche Journalisten-Kollegen schrieben, als die SPD sich das letzte Mal von einem Dreigespann retten lassen wollte. Das letzte Mal war 2011 und dazu schrieb Susanne Höll damals treffend in der Süddeutschen Zeitung:
„Wie schwierig der Zusammenhalt in einer Dreiergruppe ist, weiß man aus Kindertagen. Manchmal herrscht Eintracht, oft aber machen zwei gemeinsame Sache gegen den Dritten im Bunde. Der ist beleidigt, nimmt übel, trampelt die Sandburg kaputt - und schon herrschen Zank und Hader. Trios, das sagt die Lebenserfahrung, sind selten Brutstätte harmonischer Beziehungen.
Deswegen wundert man sich über die Eigenart der Sozialdemokraten, das Dreigestirn zu einer Art politischem Strukturprinzip zu erheben. Den meisten anderen Parteien sind solche Konstellationen fremd. Die Union käme niemals auf die Idee, sich ein Führungstrio zu geben. […]
In der SPD heißt das Trio Troika. Und die war, wie man heute weiß, keineswegs immer ein Erfolg. Das erste Dreigestirn, bestehend aus dem Parteivorsitzenden Willy Brandt, Fraktionschef Herbert Wehner und Kanzler Helmut Schmidt funktionierte zunächst gut, war zuletzt aber von Antipathie und Misstrauen beherrscht.
Gerhard Schröder, Rudolf Scharping und Oskar Lafontaine, die nächste Troika, gönnten sich wechselseitig nicht die Butter auf dem Brot. Der Parteivorsitzende Sigmar Gabriel weiß sehr wohl um diese Verwerfungen der Vergangenheit - und kürt dennoch ein neues Team, holt Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier und Ex-Finanzminister Peer Steinbrück eng an seine Seite.“
Wie erfolgreich die letztgenannte Troika war, ist inzwischen bekannt und die handelnden Personen sind aus der SPD-Spitze längst verschwunden. Was ist jetzt anders? Die Troika heißt inzwischen auch bei der SPD Trio und sie könnte die letzte sein, denn eine SPD-Führung kann nicht mehr oft scheitern, bis sie ihre Bruchlandung vollendet hat. Die beiden Genossinnen Ministerpräsidentinnen und ihr glückloser Genosse Dauerwahlverlierer aus Hessen werden den Weg ihrer Vorgänger wahrscheinlich trotzdem konsequent fortsetzen.
In Sachsen, wo am 1. September gewählt wird, kam die SPD bei der Europawahl nicht einmal auf acht Prozent. Vielleicht wird ja der Landtag in Dresden das erste demokratisch gewählte deutsche Nachkriegsparlament ohne SPD-Abgeordnete. Das wäre dann wahrscheinlich wieder eine Zäsur, die nach einer neuen Führung schreit. Vielleicht wechseln die Genossen dann zum Quartett.