Vera Lengsfeld / 22.02.2012 / 12:28 / 0 / Seite ausdrucken

Die künstliche Empörung- Gauck-Gegner im Netz

Kaum war die Nominierung eines DDR-Bürgerrechtlers für das höchste Amt im Staate bekannt geworden, formierten sich die Gegner dieser Entscheidung im Netz. Eine merkwürdige Allianz aus Linke, NPD, Piraten und linken Grünen unter der Führung von Christian Ströbele, attackierte Joachim Gauck mit entschlossener Demagogie. Aus dem Zusammenhang gerissene Sätze und Fehlinterpretationen wurden durch den Cyberspace gejagt. Gauck wäre ein Sarrazin- Verteidiger, ein Befürworter von Vorratsdatenspeicherung, ein Verächter von „Occupy“, und Hartz- IV- Demonstrationen, kurz, ein Präsident des Neoliberalismus, oder, wie die Linke es formulierte, einer „mit kaltem Herzen“. Die linke Netzcommunity echauffierte sich gar, dass Gauck „Eigenverantwortung“ fordere. Das scheint bei manchem Empfänger von staatlichen Wohltaten inzwischen die schlimmste Drohung zu sein.

Man könnte diesen Netzsturm im Wasserglas ignorieren, wenn sich manche Qualitätsmedien nicht befleißigt hätten, ihn auf ihren Seiten ausdrücklich zu würdigen. Die Volksmeinung, wie in manchen Überschriften nahegelegt wird, drücken diese Netzaktivisten nicht aus. Jeder Berichterstatter musste auch einräumen, dass die Vorwürfe einer Überprüfung nicht standhielten. In jedem Fall hatte Gauck, ging man zurück zur Textquelle, anders oder differenzierter, argumentiert.

Der künftige Präsident ist ein Mann, der nachdenkt, abwägt, fest auf dem Boden des Rechtstaates steht, der keine „Spezialmoral“ gelten lässt, die von professionellen Dauer – Empörten so gern absolut gesetzt und gegen Recht und Gesetz in Stellung gebracht wird. Für ihn ist die Welt nicht schwarz oder weiß, sondern ein komplexes Gebilde mit vielen Schattierungen. Zeitgeistphrasen , wie sie der zurückgetretene Bundespräsident von sich gab, wird man vom neuen Staatsoberhaupt nicht hören. Statt dessen kluge, differenzierte Einschätzungen. Joachim Gauck wird ermutigen, zur Mitgestaltung der demokratischen Prozesse ermuntern, die Selbstständigkeit fördern. Er wird vor allem der Präsident der Menschen sein, die mit ihrer Produktivität und ihrem Engagement dieses Land am Leben erhalten. Das wird denen am wenigsten gefallen, die sich angewöhnt haben, die Gesellschaft als einen Selbstbedienungsladen zu betrachten, der Bedürfnisse oder Ansprüche ohne Gegenleistung erfüllen soll. Aus dieser Ecke kommt der Widerstand.

Joachim Gauck hat in seinem Leben schon etliche Desinformationskampagnen überstehen müssen. Er wird sich durch diese neue, durchsichtige Attacke   nicht einschüchtern lassen.  Die mündigen Bürger, die sich des eigenen Verstandes bedienen, statt demagogische Versatzstücke aus dem Netz zu apportieren, werden sich nicht beirren lassen. Mit Gauck zieht der Geist der Revolution von 1989, der schon ausgelöscht schien, ins Schloß Bellevue ein. Das wird unserem Land und auch seiner brach liegenden Debattenkultur gut tun.

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