Peter Grimm / 28.03.2023 / 06:15 / Foto: Olaf Kosinsky / 37 / Seite ausdrucken

Die Koalition streikt mit

Die Regierungsparteien wollten sich am Sonntagabend im Koalitionsausschuss eigentlich auf einen gemeinsamen politischen Kurs einigen. Ab Montagmorgen streikten große Teile des Öffentlichen Dienstes und die Koalitionäre streikten einfach mit, statt sich auf schmerzliche Einsichten einzulassen.

Die "Fortschrittskoalition", die bislang immer versuchte, den Eindruck zu vermitteln, sie hätte einen gemeinsamen Plan, kann sich auf wichtige Entscheidungen nicht mehr einigen, obwohl sie sich doch schon darauf geeinigt hatte, noch wichtigere strittige Entscheidungen zu verweigern. Es wird halt immer deutlicher, dass nicht zusammenwachsen kann, was nicht zusammen gehört. Zwanzig Stunden saßen die führenden Ampelmännchen und -weibchen im Kanzleramt zusammen und beschlossen wurde am Ende nichts. Also nichts außer der Fortsetzung der Gespräche am heutigen Dienstag. Beim Marathongespräch der Regierenden schien sich genauso wenig zu bewegen, wie an deutschen Bahnhöfen. Vielleicht hätten die Spitzen von SPD, Grünen und FDP ihre Runde ab Montagmorgen zu einem Solidaritätsstreik für die Mitarbeiter der Bahn und anderer öffentlicher Verkehrsunternehmen erklären sollen.

Wenn Sie den letzten Gedanken einfach nur für schlechte Satire halten, haben Sie recht. Um eine Grundversorgung mit Realsatire ist die Bundesregierung zudem erfolgreich bemüht. Das ZDF berichtet beispielsweise:

"Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) ist zufrieden mit sich und der Koalition. Nach rund 19 Stunden Verhandlungen im Koalitionsausschuss habe man 'sehr, sehr gute Fortschritte' und 'viele, viele Verständigungen' erzielt. Scholz sagt: 'Wir wissen, es hat viele Jahrzehnte gegeben, in denen alles viel zu langsam voranging. Das muss sich ändern und das wird sich auch ändern.'"

Es dauert jetzt also länger, damit es dann später schneller geht? Wer soll das glauben?

Keine Zweifel an der "Energiewende"

Im ersten Jahr der Koalition funktionierte das Zusammenspiel ja noch ganz gut. Deutschland hatte eine rot-grüne Bundesregierung mit zuverlässigen FDP-Mehrheitsbeschaffern. Die musste nach dem russischen Einmarsch in die Ukraine einen für manche Koalitionäre schmerzhaften, für andere überraschend leichten Paradigmenwechsel in der deutschen Politik vollziehen. Statt früher um Friedenspolitik, ging es plötzlich um Waffen, Panzer und die Ausrüstung des eigenen, wie des ukrainischen Militärs, um Letzterem im Verteidigungskampf zur Seite zu stehen. Gleichzeitig nutzen die Koalitionäre aber die Chance, die teuren Folgen verfehlter deutscher "Energiewende"-Politik pauschal zur Kriegs-Folge zu verklären.

Das ist auch teilweise erfolgreich, könnte allerdings - wenn die Krisenerscheinungen schmerzhafter werden - eine ungeplante Nebenwirkung haben. So die Mehrheit der Deutschen zu der (falschen) Überzeugung gelangen sollte, der Krieg sei schuld an der Krise, liegt die Schlussfolgerung nahe, man müsse den Krieg um jeden Preis beenden, um aus der Krise wieder herauszukommen.

Aber noch ist es den Regierenden wichtiger, dass niemand die "Energiewende" in Frage stellt. Die FDP hatte im letzten Jahr lediglich einen mehr als laschen Versuch unternommen, in der Energiekrise wenigstens die Abschaltung der letzten drei deutschen Atomkraftwerke zu verhindern. Es gab nur eine kurze Verlängerung im "Streckbetrieb". In nicht einmal drei Wochen wird das teure Gut Energie noch weiter verknappt, wenn nicht noch ein politisches Wunder geschieht.

Hätten die Koalitionäre über den Weiterbetrieb der Atomkraftwerke gesprochen, hätte man die Dauer der Gespräche vielleicht noch verstehen können, doch solch dicke Bretter haben die Ampelvertreter dem Vernehmen nach längst ad acta gelegt.

Am Sonntag und Montag soll es um Verkehrsprojekte und Heizungsverbote gegangen sein. Das Problem für die Verhandler ist, dass die FDP mit dem Rücken zur Wand steht. Statt als Stimme der Vernunft im ideologischen Ampelchor hörbar zu sein, hatte sie bislang fast alle rot-grünen Projekte mitgetragen und allenfalls leicht verwässert. Dafür wurde sie in den letzten Landtagswahlen von den Wählern bestraft und muss nun etwas für ihren Ruf tun. Allein die kleine Ausnahmeregelung beim EU-Verbrennerverbot wird nicht reichen, um wieder Ergebnisse sicher oberhalb der Fünf-Prozent-Marke einzufahren.

Heute nun treffen sich die Ampel-Unterhändler wieder. Kann man mehr als Formel-Kompromisse erwarten? Wird es Überraschungen geben? Oder wird einen höchstens die Phantasie und Kreativität bei der Formulierung der Einigungen aufs rot-grüne "Weiter so" überraschen? Vielleicht verhandeln sie ja auch noch bis zum Wochenende und präsentieren dann einen Aprilscherz.

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Leserpost

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Horst Jungsbluth / 28.03.2023

Ich habe schon seit einiger Zeit den Eindruck, dass diese Koalition gefährlicher ist, wenn sie etwas tut, als wenn sie gar nichts tut.

B. Klebelsberg / 28.03.2023

Es ist schon erschreckend in welchem Geisteszustand diese Leute meinen wichtige Entscheidungen treffen zu können. Jeder von uns, der schon einmal Nächte durchgearbeitet hat weiß, dass die Arbeit im Zustand der Übermüdung meistens nur Müll produziert. Aber unsere Idioten finden das cool wenn sie somnambul irgendwelche Entscheidungen treffen, die sie selbst im Wachzustand nicht hingekriegt haben. Wer zuerst einschläft hat verloren. Vielleicht hilft auch ein bisschen Koks oder Meth bei der Findung der allergrößten Dämlichkeiten? Normale Leute wissen etwa seit der Oberstufe des Kindergartens, dass Entscheidungen unter diesen Bedingungen eigentlich keinen wirklichen Wert haben. Wie kann man diesen Figuren noch vertrauen. Wir sollten die Dummköpfe erst unter die kalte Dusche stellen und dann fristlos kündigen!

Jan Blank / 28.03.2023

@george samsonis-  das ist der Punkt. Es ist dasselbe Dilemma der deutschen Fußballnationalelf, die sich ja bekanntlich auch darauf eingelassen hatte sich mit albernen Armbinden ein wenig moralisch vergewaltigen zu lassen. Wären die damals ob der Zumutungen einfach geschlossen vom Platz gegangen, dann wären die für mich - kein Fußballfan- ewige Superhelden gewesen.  Und genau so würde auch der deutsche Wähler diese Partei zweistellig belohnen dafür, dass sie diesem Irrsinn ein Ende macht. Und ich schätze, dass genau diese Überlegungen momentan in Herrn Lindners Hirn herumtoben. Tja - nicht so einfach, ein Held zu sein…...

Roland Magiera / 28.03.2023

“Scholz sagt: ‚Wir wissen, es hat viele Jahrzehnte gegeben, in denen alles viel zu langsam voranging. Das muss sich ändern und das wird sich auch ändern.” Klingt für mich wie eine Drohung. Kommt jetzt nach progressiv etwa hyperprogressiv? Das würde nur beweisen, dass die vom Regieren rein gar nichts verstehen! Wer regiert momentan dieses Land? Niemand! Außer man setzt Kuchenbacken im Sandkasten mit Flugzeugentwicklung gleich. Ein Volk und insbesondere eine sesshafte, saturierte, industrielle Wohlstandsgesellschaft muss immer von der sicheren Seite aus regiert werden! Experimente mit unklarem Ausgang nur dann wenn es unvermeidbar erscheint. Aber die pfuschen munter in den Eingeweiden der Gesellschaft am offenen Herzen herum, als wäre es nur eine Simulation im Computer und so geht vorhersehbar fast alles was die anfassen stramm gen Süden. Ab sofort gehören ganz besonders für exponierte Politiker wie Minister strenge Prüfungen eingeführt, bei denen allgemeines und fachspezifisches Wissen sowie strategisches Denken geprüft werden. Erst nach bestandener Prüfung werden die mit Bekanntgabe der Noten auf das Volk losgelassen. Das hätte uns so einige Nieten an den Hebeln der Macht und viel Ärger erspart.

Michael Hinz / 28.03.2023

Die Deutschlandabschaffer im 4. Akt:  das retardierende Moment. Der 5. Akt bringt Gewissheit; dann wird alles ganz schnell gehen. Die Dodos werden lernen, daß die Zerstörung nur ihren Interessen dient: Autos, Heizung, Strom, Energieversorgung, Fleisch als Lebensmittel, funktionierende Wirtschaft mit Arbeitsplätzen, Berufs-, Reise- gar Meinungsfreiheit - wer hat all diesen Blödsinn erfunden, brauchen wir nicht. Wir brauchen Elektroautos, Windmühlen, Solarenergie für grünen Strom, Zuwanderung, Infektionsschutzgesetze, Impfpässe, feministische Außenpolitik, Gleichstellungsbeauftragte, Antirassismusbeauftragten, Sprachpolizei und veganes Essen. #Ich freu mich drauf#

Gerald Weinbehr / 28.03.2023

„Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) ist zufrieden mit sich und der Koalition.” - Man muss befürchten, dass Scholz das tatsächlich so meint. - “Scholz sagt: ‚Wir wissen, es hat viele Jahrzehnte gegeben, in denen alles viel zu langsam voranging. Das muss sich ändern und das wird sich auch ändern.’” - Die Linksgrünen wollen das Deutschland, das wir kannten, schon lange weghaben. Insofern ist die Aussage, dass das (aus ihrer Sicht) viel zu langsam voranging und dass sich das ändern wird, schauerlich richtig. - Die FDP in der Ampel-Koalition wurde von vielen als potenzieller Bremsklotz gegen linksgrünen Unfug gesehen. In der Ampel vertrug man sich halbwegs, solange die FDP alles brav mitmachte. Nun, da sie aus Existenzangst tatsächlich mal auf die Bremse tritt, ist es sofort vorbei mit dem Koalitionsfrieden. In der Ampel murkst zusammen, was niemals zusammengehören wird.  Hoffentlich platzt diese “Fortschrittskoalition” möglichst bald.

Lutz Liebezeit / 28.03.2023

Wer heute nicht geeignet ist, wird es morgen noch weniger sein. Ovid

Ralf.Michael / 28.03.2023

Wie lange müssen wir diesen Gnom Olaf noch ertragen ?

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