Gastautor / 25.01.2022 / 06:15 / Foto: Alexander Heil / 156 / Seite ausdrucken

Die Freiheit ist ein Abenteuer: Lasst uns spazieren!

Von Okko tom Brok.

Am vergangenen Montag habe ich es getan: Ich war spazieren. Hier hat ein friedlicher Dialog von Menschen unterschiedlicher Überzeugungen stattgefunden. Gelebte Demokratie.

Am vergangenen Montag habe ich es getan: Ich war spazieren. Ein Freund und Kollege hatte schon vor Weihnachten hartnäckig, aber stets freundlich angefragt, ob wir uns nicht einmal montags gegen halb sieben in unserer Kreisstadt treffen wollten, um an der frischen Luft Gedanken zur Zeit und zur gegenwärtigen Coronapolitik auszutauschen.

Ich zögerte. Und erfand Ausreden. Vor allem vor mir selbst. Aber so ein bisschen frische Luft würde mir ja wirklich nicht schaden. Sagt mein Arzt. Und im Übrigen würde ich ja jederzeit gehen können, wenn mir tatsächlich gewaltbereite Rechtsextreme begegnen oder wenn mir Schwaden von aerosolgetränkter Atemluft hunderter hochansteckender, fiebrig umherirrender Ungeimpfter die Luft verschlagen würden. Also entschloss ich mich, schon aus reiner Neugierde, einmal mitzugehen.

In den Tagen unmittelbar vor dem bevorstehenden Montagsspaziergang verschärfte sich die Tonlage. Die Lokalzeitung warnte besorgt vor der Solidarisierung mit „rechtsextremen Gewaltverbrechern“, „Schwurblern“ und „Coronaleugnern“. Aber auch Esoteriker hatten in Deutschland schon bessere Zeiten, die jetzt regelmäßig mitgenannt werden, vermutlich weil sie allen Impfungen von jeher skeptisch gegenüberstanden. 

War das wirklich noch mein Weg?

Als schließlich auch noch der frischgewählte Bundeskanzler, quasi als erste Amtshandlung vor der Teilnahme an solchen „Märschen“ einer „kleinen extremen Minderheit“ warnte, schien mir als Beamtem Obacht angezeigt. Zur besseren Tarnung bestellte ich mir flugs eine Guy-Fawkes-Maske, wie sie die Internetrebellen um Anonymous oft tragen. Aber als sie am kommenden Tag per Post eintraf, kam ich mir albern vor. Und galt nicht auf Demos ohnehin schon seit Gorleben und der Startbahn West ein Vermummungsverbot?

Also musste etwas Dezenteres her, um auf dem Spaziergang einerseits nicht unangenehm aufzufallen, aber auch nicht sofort erkannt und bei der Arbeit mit unangenehmen Fragen behelligt zu werden. Eine Herrenperücke war die Lösung. Doch bei der Anprobe brachte ich zuerst meine Frau zum Lachen und meinen kleinen Sohn zum Weinen. War das wirklich noch mein Weg? Verstellung? Lug und Trug? War das nicht eher die Sprache derer, deren Coronapolitik meinen Freund und so viele andere Menschen überhaupt erst auf die Straße gebracht hatte? All die Verstellungen, die gebrochenen Versprechen, die fehlerhaften Statistiken, die unterschlagenen Informationen, die Rechtsbrüche und Amtsanmaßungen? Nein: keine Maskierung. 100 Prozent ich. Ein Demokrat, der sein Grundrecht wahrnimmt.

Die neue gefährliche „Antiva“

Der Montag kam näher. Ein schöner Wintertag im Januar. Die Lokalzeitung trommelte, man möge auf keinen Fall teilnehmen, aber wenn doch, gebe es ja auch eine sehr wertvolle Gegendemonstration eines wie immer „breiten Bündnisses“ gegen alles, was ausdrücklich niemand wollen kann. Aus meinen Studienzeiten hatte ich Bilder lautstark brüllender und Trillerpfeife blasender Antifa-Kämpfer vor Augen. Meine Frau sah mich schon mit Platzwunden am Kopf zurückkehren. Sollte ich nicht einfach zuhause bleiben und mir einen schönen Montagskrimi ansehen? Ich würde die Impfpflicht doch sowieso nicht verhindern können. Wie sagte mein Schwiegervater immer so treffend: „Da kannste doch sowieso nix machen!“ Sein Wahlspruch.

Meiner nicht. Als ich näher kam, sah ich schon, dass es manchmal besser ist, nicht so viel Phantasie zu haben. Keine Antifa, keine Polizeihundertschaften mit Schlagstöcken, keine Schäferhundestaffel wie in Amsterdam, aber dafür eine circa 200 bis 300 Personen starke Versammlung mit ein paar Kerzen, Blumen, Megafonen, Spruchbändern, Pappschildern, lustigen Gesichtsmasken und jeder Menge guter Laune. Das war sie also: die neue gefährliche „Antiva“, die radikale, extremistische Gegenbewegung zur Impfpflicht?

Bedrohung der öffentlichen Sicherheit

Ich war gleichzeitig enttäuscht und erleichtert. Erleichtert, dass ich hier heute Abend keine Kloppe kassieren würde, aber auch etwas enttäuscht. Würden diese freundlichen Leute wirklich jemals irgendetwas erreichen können? Waren die nicht viel zu „lieb“? Die Kernenergie haben „wir“ so harmlos doch auch nicht aus Deutschland vertrieben. Da ging es deutlich rustikaler zu.

Ja, ich bekenne mich schuldig, viele Jahre als Sympathisant der Grünen aktiv gegen die Kernenergie tätig gewesen zu sein. Es war ein Physiker, der mich mit der schlichten Information „bekehrte“, dass eine kleine Streichholzschachtel mit reinem Uran eine Stadt wie New York mit ausreichend Strom versorgen könne. Meine letzten Stromrechnungen tun ein Übriges. Aber das ist ein anderes Thema.

Bei der Menschenmenge am Marktplatz angekommen, hörte ich auch schon die ersten Durchsagen von Polizei und Gegendemonstranten. Der Veranstalter blieb auffällig ruhig. Während die niedersächsische Polizei angenehm zurückhaltend im Wesentlichen mit technischen und allgemeinen Hinweisen die Ausübung des verfassungsmäßigen Grundrechts der Versammlungsfreiheit sicherstellte, echauffierte sich eine ältere Dame am Mikrofon, dass man „Extremisten keinen Raum geben“ dürfe. Niemals und schon gar nicht hier und heute. Auch ein Spaziergang Ungeimpfter sei eine Bedrohung der öffentlichen Sicherheit, die man keinesfalls tolerieren könne. Eine Einschätzung, der die rund zwei Dutzend freundlichen Polizisten offenbar nicht folgen mochten.

Keine Reichsflaggen, Bomberjacken und Springerstiefel

Schließlich ergriff auch der Veranstalter das Wort, dankte für die Anwesenheit beider Gruppierungen, lud auch die Gegendemonstranten ausdrücklich ein, der Veranstaltung auf Wunsch bis zum Schluss beizuwohnen.

Reichsflaggen, Bomberjacken und Springerstiefel sah ich nicht. Neben mir stand ein junger Mann mit Parka und langen Haaren. Er erinnerte mich ein bisschen an mich selbst, wie ich früher war. Und während wir per Megafon noch als „Rechtsextremisten“ und „Coronaleugner“ tituliert wurden, fragten wir uns beide, was wir denn nun wirklich seien? Und hatte nicht sogar das „Netzwerk Linker Widerstand“ ebenfalls zum Spaziergang gegen die Coronapolitik aufgerufen? Wie denn nun?

Einzelne Teilnehmer skandierten passende Slogans, wie „Ungeimpfte und Geimpfte: Wir sind alle Menschen!“ Ich hätte im Leben nicht geahnt, dass solche Binsenweisheiten revolutionäres Potenzial entfalten könnten. Aber dann wurde mir klar, es war genau anders herum: Es sind die ignorierten, die mit Füßen getretenen, verratenen, gedemütigten und zuletzt vergewaltigten Binsenweisheiten, die das Potenzial haben, Revolutionen auszulösen.

Der Spaziergang durch unsere Kreisstadt verlief ohne weitere Zwischenfälle. Die tags zuvor noch mit Schaum vor dem Mund berichtende Lokalzeitung konnte am Folgetag nur konstatieren, dass hier ein friedlicher Dialog von Menschen unterschiedlicher Überzeugungen stattgefunden habe. Gelebte Demokratie.

Gerade schrieb mir mein Kollege, ob ich am Montag wieder dabei sei. Ich habe noch nicht geantwortet. Ich sehe momentan nicht, warum ich nicht dabei sein sollte. In seinem Essay „Abenteuer Freiheit“ tritt der Philosoph Carlo Strenger dafür ein, Freiheit als nicht selbstverständlich hinzunehmen. Freiheit wird nicht verliehen und erst recht nicht verschenkt. Sie muss immer neu errungen und verteidigt werden. Die gesunden Spaziergänge an frischer Luft sind dazu aus meiner Sicht ein sehr wertvoller Beitrag.

 

Der Autor schreibt unter dem Pseudonym Okko tom Brok und ist Lehrer an einem niedersächsischen Gymnasium.

Foto: Alexander Heil

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Paul Greenwood / 25.01.2022

Wem gehört dieses Land ?  Das ist die Frage die die Deutschen nie richtig beantwortet haben. Meiner Meinung nach gehört den Versicherungskonzernen, die Alles besitzen und Alles hinter den Kulissen bestimmen.

s.Braun / 25.01.2022

Wenn unser Bundesaugust von der “großen schweigenden Masse” schwafelt - - der soll mal froh sein, daß die große schweigende Masse die Füße noch stillhält . Die Faust in der Tasche hat man schon !

Andreas Schuem / 25.01.2022

In was für einer Gesellschaft wollen Sie leben? Es geht um viel mehr als nur um Sinn und Unsinn der Coronamaßnahmen. Es geht um die Zukunft wie wir leben sollen:  Eine Privilegiengesellschaft in der Privilegien nach Gutsherrn Art bei Unterwerfung und Wohlverhalten zugeteilt werden, in dem wesentliche Grund- und Menschenrechte dauerhaft außer kraft gesetzt wurden. Es geht um Freiheit oder Diktatur. Widerstand wird zur Pflicht. Wir müssen auf die Straße, für uns und die Zukunft unserer Kinder. Ich möchte nicht in einer Gesellschaft leben von der die Gates, Sorros und ökosozialistische Spinner träumen. Kommen Sie mit auf die Straße, es ist an der Zeit, den Herrschenden zu zeigen, wo die rote Linie ist.

Günter Lindner / 25.01.2022

2G tötet die Einzelhandels Wirtschaft. Verwaltungstechnisch ist das vom Deutschen Staat auch das Ziel.

T. Schneegaß / 25.01.2022

Gestern Abend geschahen in Sachsen unglaubliche Dinge. Der Reihe nach: 1. In Bautzen kündigte der Vize-Landrat Udo Witschas (den Namen sollte man sich merken) vor ca. 1.000 “Verachtern” des demokratischen Rechtsstaates (Haldenwang), kurz: Nazis, an, dass in seinem Landkreis die Impfpflicht im Gesundheitswesen NICHT umgesetzt wird. Um den Eklat, ein Gesetz einfach ganz offen zu brechen, noch die Krone aufzusetzen, sprach er die anwesenden Nazis mit “Meine Damen und Herren” an. Nun hat der sächsische Despot die Wahl: sofortige Amtsenthebung der Bautzener Gesetzesbrecher oder den Schneeballeffekt zu riskieren. 2. Der Freitaler Oberbürgermeister Uwe Rumberg sprach vor dem Rathaus zu den auch dort versammelten Nazis und solidarisierte sich mit deren Forderungen (wie wir wissen: Abschaffung des Rechtsstaates). Er kündigte an, alle seine Bürger, ob geimpft oder ungeimpft, ab sofort gleichzubehandeln und stellte zum Schluss eine Kerze als Zeichen der Versöhnung in das Fenster seines Arbeitszimmers. Nun hat der sächsische Despot…. (siehe 1.) 3. Mein live- Erlebnis: Als der Spaziergang von ca. 800 Nazis unseres Dorfes (darunter ich) die vielbefahrene Bundesstraße durch den Ort queren wollte und die Spitze ob des Verkehrs unschlüssig stoppte, stellte sich das uns seit Beginn des Marsches treu begleitende Polizei-Fahrzeug quer auf die Fahrbahn, schaltete Blaulicht ein, stoppte den Verkehr und gewährte uns so eine sichere Überquerung der Fahrbahn. Die Nazis applaudierten, Dabei hätten sie alle erkennungsdienstlich erfasst werden müssen, denn keiner trug Maske und hielt mehr als 30 cm Sicherheitsabstand zu seinem Nachbar. Um es mit Herrn Broder zu sagen: Was ist los in diesem Land?

Peter Woller / 25.01.2022

Über die Leute, welche die “Spaziergänger” ständig als Extremisten bezeichnen, könnte ich vor Wut platzen. Und was habe ich mich schon über die Staatsmedien aufgeregt. Den Staatsmedien und den staatshörigen Spießbürgern ist es nicht geheuer, dass da jetzt so viele Leute auf die Straße gehen. Also müssen sie diese “Spaziergänger” um jeden Preis schlecht machen.

Kilian A. / 25.01.2022

Ein Kriterium der verfassungsrechtlichen Prüfung ist die Durchführbarkeit einer möglichen Impfpflicht. Wenn alle Impfunwilligen gegen ihre Bußgeldbescheide bis vor das Bundesverfassungsgericht ziehen, dauert es Jahre, bis eine Impfung an ihnen vollzogen werden kann. Selbst wenn die Impfpflicht verfassungskonform wäre, wäre die Epidemie vorbei, bis alle geimpft würden. Das Mittel Impfpflicht hätte sein Ziel bereits im Ansatz verfehlt.

Kenneth Gund / 25.01.2022

Ergänzend zu meinem vorigen Kommentar: Man muss aber auch hervorheben, dass sich besonders gestern das Verhalten der Polizei deutlich gewandelt hat. Möglicherweise hat man andere Einheiten eingesetzt, das kann ich nicht beurteilen. Doch gestern war die Polizei zunächst nur im Bereich einer Handvoll Antifanten präsent, die saufend und kiffend in der Innenstadt herumlungerten. Als sich dann zwei Züge von Maßnahmengegnern vereinten, war die Polizei höflich und kooperativ. Sie wies zwar auf die Vorgaben des Regimes hin, aber das müssen sie ja. Das Auftreten war professionell und friedlich. Besonders schön war, einen alten Bekannten beim Spaziergang wiederzutreffen, den ich seit Jahren nicht mehr gesehen hatte.

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