Rainer Bonhorst / 17.04.2024 / 10:00 / Foto: Bayern.de / 31 / Seite ausdrucken

​​​​​​​Die Bayer(n)-Revolution

Rekordmeister Bayern muss den Meistertitel an Bayer abgeben. Ein Menetekel für die Politik?

Wie wird es weitergehen? San mir net mehr mir? Ist rheinisch das neue Bairisch? Dat jeht doch nit! O doch! Et is wie et is. Die Fußball-Revolution hat stattgefunden. Der Meisterschaftspokal ist von der Isar an den Rhein, von München nach Leverkusen getürmt. Die Bayern haben ihn elfmal hintereinander vor einem nach und nach snobistisch gewordenen Publikum hochhalten dürfen. Jetzt durften die Anhänger von Bayer ohne „n“ zum ersten Mal jubeln, und zwar bis zum Abwinken. Es ist, als hätte Nordrhein-Westfalens Regierungschef Hendrik Wüst den unverwüstlichen Bayern-Landesvater Markus Söder im Fingerhakeln vom Tisch gezogen.

Warum dieser Ausflug ins Politische? Sagen wir's mit der lustigen Witwe: Bei jedem Fußballschritt tanzt auch die deutsche Seele mit. Und ganz besonders die bayerische. Was soll nur aus dem Freistaat werden, sollte die schimmernde Schale nun auf elf Jahre in Leverkusen bleiben? Was, wenn die Rheinländer, seit einer Ewigkeit ihr sehnlichster Wunsch, den Münchnern auf Dauer die Lederhosen ausgezogen hätten?

Ein waschechter Münchner würde sagen: Das wäre unter Franz Josef Strauß nicht passiert. Das kommt davon, wenn der Freistaat von einem Franken regiert wird. Bei Günther Beckstein ist das ganz schnell in die Hose gegangen. Der Nürnberger Söder hält sich hartnäckiger, obwohl sein Heimatclub, kurz: der Club, fränkischer: der Glub, sich nur mittelmäßig in der 2. Bundesliga herumplagt. Auch der 1. FC Nürnberg war mal – vor einer Ewigkeit – meisterlich, zweimal deutscher Meister, einmal Pokalsieger, ehe es abwärts ging. Droht dem FC Bayern nun das Nürnberger Schicksal? Vom Dauermeister zum Altmeister? Oder auch nur das gerade überwundene Leverkusener Schicksal als ewiges Vizekusen? Nun also Vizebayern? Nicht auszudenken.

Ein böses Omen für Söder?

Sollte die Politik tatsächlich die Seele des Fußballs beeinflussen, dann muss Bayern München nicht alle Hoffnung fahren lassen. Denn auch am Rhein ist nicht alles Gold, was glänzt. Hendrik Wüst ist so wenig Rheinländer wie Markus Söder Altbayer ist. Er ist Westfale und also von anderem Temperament als die Leverkusener, die ja beinahe Kölner sind, nur dass sie besser Fußball spielen als die Nachbarn beim „Effzeh“. Also auch ihm mangelt es – wie Söder – ein bisschen an der unmittelbaren Seelenverwandtschaft.

Selbst Friedrich Merz, der Favorit beim Spiel um die Kanzlerkandidatur der CDU/CSU, ist Westfale. Auch er verfügt nicht über das rheinische Temperament. Das hat eher der faschingsfreudige Franke Söder, der ja klammheimlich auch von Berlin träumt. Auch wenn er es weit von sich weist. Er spielt den politischen Libero. Man weiß ja nie, ob Merz, der Mittelstürmer (heute: Goalgetter), in sicherer Schussposition nicht doch noch den Ball verstolpert. Andererseits ist für diesen Fall, also für den Fall des Friedrich Merz, auch noch der zweite Stürmer Hendrik Wüst im Spiel. Also, ob Merz oder Wüst, im Spiel um den großen politischen Pokal hat es der fränkische Bayer mit einer starken nordrhein-westfälischen Konkurrenz zu tun. Da kann Söder den Meisterschaftsverlust der Bayern durchaus als ein böses Omen verstehen.

Aber was hat dieser Ausflug ins Politische mit der Fußballrevolution zu tun? Man kann sagen: nichts oder nicht viel. Andererseits spielt der Fußball in der Wahlbevölkerung eine so starke Rolle, dass die frühere Bundeskanzlerin gerne mal bis in die Umkleidekabinen siegreicher Fußballer vorgedrungen ist. Angela Merkel wusste eben, worauf es ankam. Ob Arena, ob Parlament: Sieg ist Sieg, und Sieger sind Sieger.

Übrigens strahlt die deutsche Fußballrevolution bis weit hinaus ins Ausland. Die Spanier stellen natürlich ihren Xabi Alonso, den Wundertrainer heraus, der das abstiegsbedrohte Leverkusen zur Meisterschaft geführt hat. Und die Zeitungen unserer Nachbarn schrieben, nicht ohne eine gewisse – sehr deutsche – Schadenfreude vom „Ende der Bayern-Diktatur“ und etwas feiner vom Ende der Bayern-„Hegemonie“.

Am schönsten aber haben die sprachsensiblen italienischen Redakteure des Corriere della Sera den Meisterschaftswechsel von Bayern zu Bayer formuliert: „Es ändert sich ein Buchstabe, aber das verändert die Welt.“ Na, bitte.

 

Rainer Bonhorstgeboren 1942 in Nürnberg, arbeitete als Korrespondent der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung (WAZ) in London und Washington. Von 1994 bis 2009 war er Chefredakteur der Augsburger Allgemeinen Zeitung.

Foto: Bayern.de

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Leserpost

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Hans-Joachim Gille / 17.04.2024

So ganz auf der Höhe der Zeit sind Sie nicht mehr. Bayern wird wieder Meister, allerdings in der Frauen-Bundesliga. Die sehen auch besser aus, als Müller, Kane & Co. Wobei Söders Glub mutmaßlich aus der 1. Frauen-Bundesliga wieder absteigen wird. Da hätte Söder schon mal ein paar Mio. mehr von Bavaria 1 abzweigen müssen. Bei den Frauen ist das Sponsoren-Dasein auch noch nicht ganz so teuer. Hohe Ablösen liegen nur bei 500.000 Euro. Ist aber auch Geld.

Ilona Grimm / 17.04.2024

Schon wieder dieses Foto, das alles über den Charakter des Abgebildeten aussagt. Ich erinnere mich an eine Familie, die bei jenem Event des Erinnerns an Corona-Opfer anwesend war, weil ein 85jähriger Angehöriger mit bestandenem Corona-Test und Krebs im Endstadium gestorben war. Diese Familie war tief beeindruckt von der Feierlichkeit und der Empathie dessen, denn man nicht „Söd:::“ nennen darf. Ob stattdessen Sötler erlaubt ist?  Sorry, aber der FCB interessiert mich nicht die Bohne. Mögen die kickenden Millionäre angesichts ihrer Großmannssucht bekommen, was sie verdienen: vollständiges Vergessen. @Wilfried Kremer: „Kerzentrottel“ ist gut; das darf man sicher vorübergehend noch sagen.

A. Ostrovsky / 17.04.2024

@Jürgen Fischer : >>Muss man zu so einem Artikel ausgerechnet den Kerzensöder zeigen?<< ## Ich denke, ja. Es dient dem Training der Muskulatur am Kopf. Ich empfinde es eher als Mangel, dass nur Söder (und die Kerze natürlich) auf dem Bild sind. Aber andererseits muss ich auch erkennen, dass in der Einfachheit oft auch Klarheit steckt. Ich finde es nur leider etwas enggeistig, dass es hier um die Verwaltung des Fußballwesens geht. Das Problem ist viel größer, um das Denken auf solche läppischen Segmente beschränkt zu lassen.

Arnd Stricker / 17.04.2024

Bayern auch als Bundesland mag auf dem absteigenden Ast sein, aber mit Sicherheit ist NRW im Gegensatz zu Bayer nicht in der Erfolgsspur und wird Bayern als erfolgreichstes Bundesland ablösen.

Gerd Maar / 17.04.2024

Da hat der Klub wesentlich mehr Erfolg als sein Namensgeber. Bayer droht wegen katastrophaler Fehlentscheidungen (Monsanto, Biotech-Fehlinvestitionen etc.) demnächst zerschlagen zu werden.

Hubert Romero / 17.04.2024

Herr Schleif: “Genuine Mainstreamler sind meist Bayern-Fans”. Nö, kann ich nicht bestätigen.

Robert Schleif / 17.04.2024

Es ist schön, dass die Meister-Serie des FC Bayern, des BFC Dynamo des Westens, endlich beendet ist – schon um der Spannung und des ergebnisoffenen Wettbewerbs willen. Was hat das mit Politik zu tun? Genuine Mainstreamler sind meist Bayern-Fans, weil da die Aussicht am größten ist (war?), sich in einer besonders großen Masse über Siege und Titel mitfreuen zu können. Wenn sie nicht gerade Fußball gucken, gehen sie zur Corona-Impfung oder auf die Gegen-Rechts-Demo. Dann wählen sie ihre CSU oder, wenn sie nicht in Bayern leben, die CDU oder die GRÜNEN.

Sofie Humms / 17.04.2024

Das Bild ist super. Söder bei seiner Erstkommunion. Ich würde ihm. Ja eine Uhr schenken, die ihm zeigt wie die Zeit für die alten deutschen Eliten schon langsam abläuft.

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