In Krisenzeiten empfiehlt es sich, auf große historische Vorbilder zu schauen. Dies gilt auch dann, wenn die Lehre, die sie bieten, ernüchternd ist. Im gegenwärtigen finanzpolitischen Chaos lehren uns Carl Barks und seine kongeniale deutsche Mitstreiterin Erika Fuchs anhand mehrerer Enten, dass es ewige, für Fortschrittsgläubige leider enttäuschende Wahrheiten gibt. Soll man also „ächz, seufz, stöhn“ sagen, wie man es in Entenhausen formulieren würde?
Zwei Entenhausener, Donald Duck und sein Onkel Dagobert, sollen hier beispielhaft betrachtet werden, weil sie die äußeren Pole des Kapitalismus und damit den Kern unserer aktuellen Probleme markieren. Wie verhalten sie sich in der Doppelkrise, also angesichts der extremen Niedrigzinspolitik und als Betroffene der fortdauernden internationalen Finanzkrise?
Nun, Donald Duck fühlt sich von der Niedrigzinspolitik kaum betroffen. Er verfügt über kein erwähnenswertes Kapital, das er anlegen könnte und über keine Altersversorgung, um die er bangen müsste. Zugleich sind seine Chancen, die niedrigen Zinsen als Kreditnehmer zu nutzen, gleich Null, da er den Banken keine Sicherheiten bieten kann, die ihn kreditwürdig machen würden. Alles in allem sagt er sich also: Was kümmert’s mich?
Und der Phantastilliär Dagobert Duck? Er hat sein Geld nie in riskanten Spekulationspaketen, ja nicht einmal in vergleichsweise soliden Aktienfonds angelegt. Er vertraut seine Phantastillionen auch keinem Sparbuch an. Er handelt extrem konservativ. Sein Vermögen, das er im Goldrausch ergatterte, hat er konsequent zunächst unter dem Kopfkissen und dann in seinem Geldsilo angehäuft. Den kann er inzwischen als Swimmingpool benutzen und in einem Meer aus Münzen und Scheinen baden. Anders als der frustrierte Sparer zieht er damit auch in Zeiten von Strafzinsen einen praktischen Nutzen aus seinem Vermögen. Seine einzige Sorge in der Krise ist die gelegentliche Bedrohung durch die Panzerknackerbande.
In der globalen Gesamtkrise, also unabhängig von der gegenwärtigen Niedrigzinsproblematik, stellen wir ein bemerkenswert statisches Verhältnis zwischen den soziologischen Typen Donald und Dagobert fest. Auf der einen Seite ist da der karriereferne Donald, der stets Mühe hat, sich und seine Neffen finanziell über Wasser zu halten. Eine prekäre Existenz zwischen Hartz IV und Leiharbeit. Auf der anderen Seite der reiche Onkel, dessen Phantastillionen alle Krisen, die es um ihn herum geben mag, unbeschadet überstehen.
Der ewig Superreiche und der ewig Prekäre - die politische Botschaft aus Entenhausen ist unübersehbar: Sie weist auf eine starre Gesellschaft hin, die dem Kern des amerikanischen Traums vom individuell möglichen Aufstieg für jedermann widerspricht, aber auch dem Grundgedanken der sozialen Marktwirtschaft mit ihrem Angebot der solidarischen Aufstiegsgemeinschaft.
Dagobert Duck verkörpert die reichen Dynastien, die zum dauerhaften Geldadel der westlichen Gesellschaften geworden sind. Wer einmal, wie Dagobert, reich und oben ist, läuft kaum noch Gefahr, nach unten abzugleiten. Donald Duck hingegen verkörpert diejenigen, die sich ewig am unteren Rand der Mittelklasse bewegen, ja vielleicht schon in die Unterklasse abgeglitten sind. Er wacht jeden Morgen, nach einem schönen Traum vom Aufstieg, wieder tief unten auf.
Hinzu kommt ein Drittes: Donald muss erleben, dass andere Angehörige des Prekariats mehr Glück haben als er, nicht weil sie mehr leisten sondern weil ihnen das Schicksal unverdientermaßen hold ist. Wir sprechen vom verhassten Vetter, dem unseriösen Glücksritter Gustav Gans, der mit Leichtigkeit und Chuzpe die Unsicherheiten des Lebens im Kapitalismus meistert.
Finanzpolitisch, wirtschaftspolitisch und gesellschaftspolitisch betrachtet hat das Entenhausener Dreigestirn Donald, Dagobert und Gustav also Grund und immer neuen Anlass, in einem ewig gleich besetzten Dreiklang „ärger, fluch“, „entspann, genieß“ und „jubel, freu“ zu rufen.