Felix Schnoor, Gastautor / 22.09.2014 / 08:56 / 13 / Seite ausdrucken

Der Untergang des Wischiwaschi-Liberalismus

Felix Schnoor

Eine Woche ist es nun her, da verteilten die Wähler die nächsten beiden Ohrfeigen an die FDP. Selbst, wenn man die beiden Wahlergebnisse in Thüringen und Brandenburg addiert, wird die Fünf-Prozent-Hürde nicht überschritten. Dem Vorsitzenden der einst so stolzen Partei merkte man seine Ratlosigkeit an, als er am Wahlabend sagte, die Durststrecke der FDP sei noch nicht vorüber.

Man muss sich allerdings einmal die Frage stellen, was diese Leute denn erwartet haben. Der Absturz begann noch unter Westerwelle, als klar wurde, dass die FDP zwar gern große Worte schwingt, aber eben nicht liefert, sondern allenfalls Partikularinteressen erfüllt. Dieses Glaubwürdigkeitsproblem konnte von Philipp Rösler, einem sicherlich netten, aber gänzlich profillosen Politiker, nicht gelöst werden und auch unter einem Christian Lindner hat sich nichts geändert. Jedem wirklich Liberalen müssen sich angesichts der Rufschädigung, die ihm diese Partei beifügt, die Nackenhaare sträuben. Lindners Liberalismus scheint sich darauf zu beschränken, die AfD zu diffamieren („Bauernfängertruppe“ - je nach Blickwinkel könnte man das auch als eine Diffamierung der Bauern in diesem Land verstehen), anstatt sich tatsächlich mit ihr auseinanderzusetzen, die Rente mit 63 doof zu finden und eine Abschaffung der kalten Progression zu fordern. Auch andere in der Parteispitze scheinen sich eher als Opfer zu sehen (Kubicki am letzten Sonntag: „Könnte heulen“), als bereit zu sein, Verantwortung zu übernehmen und einen klaren Kurswechsel zu vollziehen.

Es muss einmal klar darauf hingewiesen werden, dass die FDP keine liberale Partei ist. Die FDP ist eine Systempartei, die es sich gemütlich gemacht hat, zwischen all den übrigen Systemparteien. Parteien in einer Demokratie funktionieren schließlich nicht anders als Unternehmen in einer Marktwirtschaft. Mit dem Unterschied, dass Parteien Macht erlangen wollen und können. Macht, die sie dazu befähigt, fremde (!) Ressourcen verteilen zu können. Nur darum geht es: Die Parteien, die in deutschen Parlamenten sitzen, haben jeweils unterschiedliche Zielgruppen. Sowohl dahingehend, wem sie etwas wegnehmen/verbieten möchten, als auch, wem sie etwas zuteilen möchten. Das nennt sich dann Programm und wird entsprechend mit allen Mitteln des Marketings ausgeschlachtet. Je nach Zielgruppen nennt es sich dann „grün“, „sozialdemokratisch“, „konservativ“ oder im Falle der FDP „liberal“. All diese Begriffe sind allerdings ohne wirkliche Aussagekraft. Auch die Grünen nennen sich gern liberal (auch schon mal libertär) und auch die Linken in Amerika haben diesen Begriff erfolgreich für sich vereinnahmt. Unterschiede findet man zwischen den Systemparteien nur im Hinblick auf die Zielgruppen, nicht jedoch im Hinblick auf das Prinzip als solches.

Die FDP jedenfalls hat ihre Glaubwürdigkeit in diesem Spiel namens Demokratie verloren und es ist nur schwer vorstellbar, dass diese Partei jemals wieder auf die Beine kommt, so lange sie nur ein wenig die Plätze im Präsidium rochiert.

Traurig braucht man darüber als Liberaler aber keineswegs zu sein.Im Gegenteil: Diese FDP schadet der liberalen Sache, weil sie den Eindruck vermittelt, Liberalismus bestünde in der Forderung nach einem Erhalt der (staatlichen) Gymnasien. Tatsächlich aber besteht Liberalismus in einem privaten, wirklich vielfältigen Bildungssystem. Liberalismus besteht auch nicht aus Zentralismus à la EU, sondern in einer möglichst weit ausgeprägten Unabhängigkeit der einzelnen Regionen und Nationen (natürlich mit Freihandel). Liberalismus besteht auch nicht aus milliardenschweren Rettungsschirmen.

Liberalismus steht für eine konsumentenunfreundliche Wettbewerbswirtschaft. Warum setzt sich die FDP also nicht beispielsweise für eine Deregulierung des Apothekenmarktes ein? Das würde ihr Glaubwürdigkeit zurückbringen. Warum nicht offensiv für die Legalisierung von Cannabis? Warum nicht für ein Ende des staatlichen Geldmonopols? Warum nicht für ein Ende der (erzwungenen) Rundfunkbeiträge? Warum nicht für ein Steuersystem, welches einfach ist und alle entlastet? Es gibt so viele Themen, bei denen sich die FDP profilieren könnte, aber es scheint ihren Mitgliedern und ihrer Führung an Mut und an einer wirklichen Vorstellung dessen, was Liberalismus eigentlich - außer einem Begriff – ist, zu mangeln.

Liberalismus ohne einen Ansatz von (natürlich friedlicher) Rebellion ist in der heutigen Zeit wertlos. Schließlich leben wir in einem Land, in dem nach und nach immer alles sozialdemokratischer, sprich kollektivistischer wird. Anstatt, dass die FDP diese Entwicklung nutzt und ein tatsächliches Gegengewicht bildet, versucht sie, ihr Heil in einem Wischiwaschi-Liberalismus zu suchen und im Zweifel in Selbstmitleid zu ertrinken. So etwas hat der Liberalismus nicht verdient. Dann ginge es ihm besser ohne Partei.

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Leserpost

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Thomas Petersen / 22.09.2014

Die FDP habe nicht “geliefert”? Man muss sich nur anschauen, was die große Koalition nach der Machtübernahme beschlossen hat und weiterhin plant: Mindestlohn, Rente mit 63, Autobahnmaut. Sämtliche Hemmungen, die Bürger auszuplündern und das Geld anderer Leute großzügig zu verteilen ohne sich Gedanken darüber zu machen, wie es eigentlich erwirtschaftet wird, sind gefallen. Der Erfolg liberaler Politik zeigt sich nicht zuletzt darin, welchen Unsinn sie verhindert hat.

Bernd Zeller / 22.09.2014

Richtig, richtig, aber jetzt stellen wir uns mal vor, die FDP würde mit Liberalismus ankommen und damit so werben, wie es das mediale System heute und hier verlangte – die FDP müsste sich von der Linkspartei abgucken, wie man eine emotionalisierte Kulissen-Idee pflanzt, die also der „Gerechtigkeit“ entspräche. Liberalismus muss sie ja nicht heißen, auch Freiheit, Marktwirtschaft, Individualität, Sicherheit sind diskreditiert. Rechtsstaatlichkeit wäre noch übrig, gutes Recht für alle, Grundrechte oder Rechtsschutz, so könnte man das nennen. Und nun müsste man alles dahingehend umdeuten, dass Entrechtung und Einschränkung der Rechtsstaatlichkeit herrschen und man sich besser fühlen würde, wenn die FDP sich wieder darum kümmert. Viel Mühe dürfte die Umdeutung nicht machen. Man würde sich aber damit echte Probleme einhandeln. Man müsste benennen, wer gerade Recht und Rechtsstaatlichkeit erodieren lässt. Hier sieht man den logischen Widerspruch; die anderen könnten nicht auf diesen Zug aufspringen, ohne eigene Herrschaftsgrundlagen preiszugeben. Die Medienleute eingeschlossen. Die FDP könnte also mit dem logischen Widerspruch nicht Wahlkampf machen, und man kann den Restlern nicht verübeln, dass sie sich nicht mit der Meute anlegen wollen und stattdessen versuchen, sich nett über fünf Prozent zu mogeln.

Frank Mora / 22.09.2014

FDP als Opfer? Ja, aber in der Weise, dass die Westerwelle-Truppe in einer konzentrierten Aktion des “linksgrün versifften deutschen Journalismus” (A. Pirincci) niedergemacht wurde. Unter großem Beifall der deutschen Bevölkerung. Schlagwort: Neoliberal. Was ist eigentlich der Unterschied zwischen liberal und neoliberal? Zudem hat die FDP in der Regierung nicht als Klientelpartei agiert. Die Entlastung der Hotels (von der Millionen Hotelgäste profitiert haben) war dem Steuerdruck aus dem Ausland geschuldet und eine Herzensangelegenheit der CSU. Für Geschäftsreisende, übrigens ohne Belang. Übel umgesprungen ist gerade die FDP mit z.B. einer Kernklientel, den Apothekern. Denen ist es dank Entscheidungen von FDP-Ministern wirtschaftlich so schlecht gegangen wie nie. Man frage ruhig einmal seinen Apotheker des Vertrauens. Und nicht einen der Kampagnenjournalisten. Schließlich hat sich die FDP nach ihrem überraschenden Wahlerfolg (15%) selbst desavouiert, weil sie die Hoffnungen des bürgerlichen Milieus, das sie überproportional gewählt hatte,  komplett enttäuschte. NICHTS wurde geliefert, was im Wahlkampf verkündet worden war. Der liberale Gedanke, wenn er denn jemals wirklich Bestandteil der politischen Kultur war, ist im staatsgläubigen Versorgungsstaat D mit der entsprechenden Bevölkerung entbehrlich.

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