Dirk Maxeiner / 10.06.2018 / 06:25 / Foto: Tim Maxeiner / 9 / Seite ausdrucken

Der Sonntagsfahrer: Haija Safari

Viele Menschen geben sehr viel Geld aus, um dem Tierleben näher zu kommen. Sie buchen eine Safari – von Afrika bis Sumatra. Dabei wird immer mal wieder ein Reisender gefressen oder totgetrampelt, weil er ein Flusspferd mit der Milka-Kuh verwechselt. Sehr beliebt ist es auch, mit einem Alligator fangen zu spielen. Wer Geld sparen und trotzdem gefressen werden will, sollte sich in den nächsten Safari-Park begeben und – wie jüngst eine französische Familie – versuchen, einen vierbeinigen Carnivoren zu streicheln. Die alpenländische Variante besteht darin eine Kuhweide aufzusuchen, auf der Rindviecher mit ihrem Nachwuchs wiederkäuen.

Es schreitet ja nicht nur die Fiffisierung des Mannes voran, die Wolfgang Röhl so herrlich auf der Achse beschreibt, auch die Fiffisierung respektive Knutisierung des Verstandes macht große Fortschritte. Für den pazifierten Großstädter ist ein ausgewachsener Löwe so eine Art Golden Retriever, der ein bisschen Mundgeruch hat und ein bisschen sabbert, aber ansonsten durch gutes Zureden lammfromm wird. Wobei auch umgekehrt gewisse zivilisatorische Veränderungen feststellbar sind: So wurde in diesem Video ein Elefant gefilmt, der an einem Besucherauto in einem Nationalpark kostenlos den Reifen wechseln und den Ölstand prüfen will, sich dabei aber ein wenig ungeschickt anstellt.

Der einzige Löwe, den ich bisher persönlich kennen gelernt habe, hieß Matata und ich traf ihn während eines frühmorgendlichen Spaziergangs auf einer Farm in Namibia, die Tierwaisen aufzieht und auswildert. „Matata“ heißt übrigens „Problem“. Gottseidank war das Problem erst ein paar Monate alt, 57 Kilo schwer und in Begleitung eines menschlichen Erziehungs-Beauftragten, der allerdings etwas entfernt an einen Baum pinkelte. Matata war deshalb der Meinung, er dürfe jetzt ein bisschen Fangen spielen. Als er mich entdeckt wird er gaaanz ruhig, duckt sich gaaanz weit runter und schaut mir gaaaanz tief in die Augen. 

Ich wusste nicht, wie rau sich eine Löwenzunge anfühlt

Ich bleibe erschrocken stehen. Der Löwenkenner in mir sagt: Matata will dich jetzt fressen. Und der Löwenkenner in mir hat recht: Mit einem gewaltigen Satz springt Matata mich an, und ich gehe zu Boden. Das Viech freut sich riesig, dass ich so schön mitspiele. Es kaut mir freundschaftlich im Genick. Ich wusste übrigens gar nicht, wie rau sich so eine Löwenzunge anfühlt. In der Regel können die Betroffenen darüber auch nicht mehr berichten.

Matata bekommt einen Anschiss und tut so, als hätte ich angefangen. Der Erziehungsbeauftragte deutet dann noch auf Matatas großen Fußabdruck im Sand und gibt mir einen Tipp fürs Leben: „Wann immer Du eine solche frische Spur in freier Wildbahn siehst, steckst Du tief in der Scheiße“.

Schwer beeindruckt hat mich auch der Besuch einer Rinderfarm im australischen Kimberley, die über ein paar Touristenzimmer und so einer Art Freiluft-Toilette verfügte. Australische Rinderzüchter sind mit einer besonderen Art von Humor ausgestattet. Und der sagte ihnen, dass es sehr lustig sei, eine schwarze Plastikschlange ins Regal neben dem Klo zu legen, die man aber erst sieht, wenn man auf der Schüssel Platz genommen hat. Nachdem dieser Schreck verdaut war, entdeckte ich dann morgens auf dem Rasierspiegel eine faustgroße Spinne. Hahaha dachte ich, die verarschen mich nur einmal. Gerade wollte ich die Plastik-Imitation entfernen, da begann sie sich zu meinem Erstaunen zu bewegen...

Doch auch die heimatliche Flora und Fauna bereitet immer wieder Freude und Überraschungen. So bin ich gestern morgen zur Bank gegangen, um Geld zu holen. Auf dem Weg liegt ein kleines Kirchlein auf dessen Vorplatz jemand heimlich Futter für die Tauben auslegt, die mir anschließend die Garten-Garnitur vollscheißen. Während ich die Taubenversammlung passiere unterläuft mir eine ruckartige Bewegung, die den ganzen Schwarm mit lautem Flattern in die Lüfte steigen lässt.

Ein Herr mit Hund beobachtet die Szene, wobei Haltung und Gesichtsausdruck des Hundes mir sagen, dass er jetzt auch gerne Tauben jagen würde. Darauf richte ich das Wort an den Hund: „Ja mach schon!“. Der Hund bellt aber mich und nicht den gurrenden Schwarm an. „Du sollst die Tauben jagen nicht mich, du blöder Hund“ weise ich das Tier auf seine evolutionär vorgesehene Rolle hin. Seinem Besitzer ist die Sache sichtlich peinlich. Wir sind in Bayern, da ist es schon ein schweres Schicksal wenn der eigene Hund sich in der Friedensbewegung engagiert.  

Foto: Tim Maxeiner

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Leserpost

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Gabriele Schulze / 10.06.2018

Es wäre vielleicht nicht schlecht, den eigenen tierischen Anteil zu aktivieren - bis hierher und nicht weiter, cave canem, noli me tangere, usw. Ich habe mir jedenfalls schon ein paar verbale Reaktionen als Ersatz für’s Knurren ausgedacht! Denn in der humanoiden Einheitssauce sind der Respekt und die nötige Distanz abhanden gekommen. Übrigens, ein bißchen vermenschlichen darf man Tiere schon - macht Spaß, senkt den Blutdruck, und manchmal klappt die Kommunikation sogar!

Karla Kuhn / 10.06.2018

Vor kurzem habe ich gelesen, daß es Überlegungen gibt, wieder Braunbären anzusiedeln. Dann hoffe ich ich doch, daß diese “zahmen Tierchen” auch nur die “Richtigen” fressen.  Trotz allem wieder ein fröhlicher Sonntagsfahrer.  ” Wir sind in Bayern, da ist es schon ein schweres Schicksal wenn der eigene Hund sich in der Friedensbewegung engagiert. ”  Göttlich !!

Hjalmar Kreutzer / 10.06.2018

Oh, je! Zum Glück wollte Matata wohl nur mal zeigen, wer Chef ist, nicht ernsthaft verletzen. Die Safariparkszenen sind ja mitunter eindrucksvoll. Den Spitzenplatz der Dämlichkeit erringt für mich die französische Familie. Mit einem Baby auf dem Arm zwischen Raubkatzen spazieren! Kinder, Narren und Betrunkene haben wohl doch einen Schutzengel. Einem Bekannten von mir ist in einem dänischen Safaripark ähnliches passiert: Statt den angebotenen Tourbus des Parks zu nutzen, musste er unbedingt im eigenen Auto fahren und machte prompt die Bekanntschaft eines Elefanten, der zum Glück nur ein wenig die Vorderfront des Autos eindrückte. Wieder zurück aus dem Urlaub, aber noch nicht in der Werkstatt gewesen, geriet er in eine allgemeine Verkehrskontrolle. Auf die Frage nach der Delle im Auto: „Da hat ein Elefant draufgetreten.“ Worauf ihn die Beamten freundlich aber bestimmt baten, doch mal eben ins Röhrchen zu pusten.

Andreas Rochow / 10.06.2018

Mit Fug und Recht erinnern Sie an die längst eingestellte, unterhaltsame, politisch inkorrekte, der naturgesetzlichen Faktentreue verpflichtete Freitagskolumne in der WELT. Seiner Zeit voraus zu sein und dem Kollegen- und Aktivistenheer gegenüber kritisch zu bleiben, eigentlich eine Kernaufgabe von Journalisten und Naturwissenschaftlern,  schien zeitweise das Alleinstellungsmerkmal von Maxeiner & Miersch, Wendt und Kulke zu sein. Zuletzt war es das Ende der WELT-Kolumne, das mir den Abschied vom Abo leicht gemacht hat. Es ist mir Freude, Genuss und Gewinn zu erleben, dass Ihr Engagement immer wieder Humor und Poesie daherkommt. “Matata bekommt einen Anschiss und tut so, als hätte ich angefangen”: Wo bekommt man sonst noch so ernsten Anschauungsunterricht über die Unschuldsvermutung zu lesen? Danke, verehrter Dirk Maxeiner, danke liebes Achgut-Team.

Dr. Roland Stiehler / 10.06.2018

Aber auch die schottischen Hochlandrinder sind nicht ohne. Als ich mich anschickte, eine Weide mit diesen friedlich grasenden Tierchen zu queren, um einen Umweg zu umgehen, bin ich bei meiner Unsportlichkeit mit einem wahrscheinlich sehr eleganten Sprung zurück über den Zaun in die Sicherheit gesprungen.  Gesehen hat das nur meine hämefreie liebe Frau und natürlich die gehörnten Weibchen dieses Untieres, diese mit sichtlichem Erstaunen und Genugtuung. Ihre Sonntagsgeschichten erheitern mich immer sehr und sind eine Erholung von der verqueren Politik.

Rolf Lindner / 10.06.2018

Jeder Hundebesitzer weiß, oder sollte wissen, dass in seinem Hund ein Wolf steckt. Vor allem bei den größeren Exemplaren kommt es immer wieder zu Tötungsdelikten oder schweren Körperverletzungen an anderen Lebewesen bis hin zum Menschen. Auch Hauskatzen sind Raubtiere geblieben, die possierliche Vögel und Mäuse jagen. Ab und zu übertragen sie auch Krankheiten und Ungeziefer. Beide Arten tuen zahm und lieb, wenn sie sich beobachtet fühlen. Keiner kommt trotzdem auf die Idee, diese Raubtiere wieder in die Wildnis zurückzuschicken, woher sie einmal gekommen waren, denn sie sind ja auch Nutztiere, die sich ihr Futter verdienen müssen. Sie verursachen halt eben Kollateralschäden, die man in Kauf nimmt. Und da regen sich diese schlimmen “Rechtspopulisten” über ein paar Mörder, Messerstecher, Vergewaltiger und Betrüger auf und möchten sie in die mittelalterliche Wildnis zurückschicken, aus der sie zu uns kommen. Sind halt Kollateralschäden, die diese verursachen.

Werner Arning / 10.06.2018

Ich war einmal zu Besuch bei einem Rinderzüchter in der argetinischen Pampa. Er hieß Pepe und wir machten einen gemeinsamen Rundgang durch einen Teil seiner Ländereien. Auf einer großen Weide kamen wir an einer Ansammlung dort herumstehender Kühe vorbei. Ein völlig harmloser Anblick. Im Vorübergehen wies mich Pepe darauf hin, dass ich einer bestimmten Kuh, die dort auch stand, nicht in die Auge schauen sollte. Er nannte sie „la vaca loca“, die verrückte Kuh. Ich hielt seine Bemerkung eher für einen Scherz. Da sein Hinweis jedoch ernst gemeint zu sein schien, nahm ich mir vor, ihn zu befolgen. Aber wie das eben in so einem Fall ist : Ich konnte mir einen kleinen Seitenblick auf die Kuh nicht verkneifen. Das war ein Fehler. Eben noch friedlich grasend, kam sie auf mich zugeschossen. Wie von der Tarantel gestochen. Auch Pepe konnte nichts mehr für mich tun. Ich rannte um mein Leben. Hab es so gerade noch über einen Zaun geschafft. Man soll die Natur nicht herausfordern.

Steffen Bartels / 10.06.2018

Tja, auch Muttis Paradies mutiert zum Jurassic Park… Nur wer unterscheiden kann zwischen a) Achtung vor der Schöpfung, b) Güte, c) grenzenloser (sic!) Dummheit und d) Selbstverleugnung, wird nicht als Clown gemessert - oder vom Ali Rex gefressen. Merke: der Fehler liegt bei uns, nicht beim Exoten.

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