Henryk M. Broder / 04.02.2010 / 06:54 / 0 / Seite ausdrucken

Der “Soli” und der “Tali” oder: Die Deutschen und das Geld

Der Vorschlag des deutschen Außenministers, Guido Westerwelle, ein Aussteigeprogramm für Taliban mit 50 Millionen Euro zu finanzieren, ist sowohl in der Bundesrepublik wie auch außerhalb des Landes mit Staunen und Heiterkeit aufgenommen worden. „Erst der Soli, dann der Tali“, spottete Harald Schmidt in Anspielung an den unbeliebten „Solidaritätszuschlag“, der für den „Aufbau Ost“ erhoben wird. Auch seriöse Kommentatoren konnten der Idee, die Taliban mit Geld zur Aufgabe ihrer Lebensweise zu überreden, nichts Gutes abgewinnen.

Westerwelle war dagegen von seinem Einfall dermaßen angetan, dass er ihn mehrfach wiederholte – als hätte er bei dem Wettbewerb „Jugend forscht“ das Ei des Kolumbus erfunden.

Man könnte dem deutschen Außenminister das exklusive Wegerecht auf der Strecke zwischen Ahnungslosigkeit und Naivität einräumen und auf den nächsten Einfall zur Befriedung krisengeschüttelter Regionen warten, wenn hinter seinem Reha-Einfall nicht mehr stecken würde, nämlich: Das Verhältnis der Deutschen zu Geld. Es „widersprüchlich“ zu nennen, wäre schon eine Schmeichelei. Die Deutschen, wenn diese Pauschalisierung an dieser Stelle erlaubt ist, verachten das Geld und beten es doch zugleich an. Die beliebtesten Parolen der letzten Jahre, die zu geflügelten Worten geworden sind, waren „Kein Blut für Öl“ und „Geiz ist geil“.

Die Friedensbewegten, die ihren Öko-Strom aus derselben Steckdose beziehen, aus der auch der Atomstrom fließt, und die Schnäppchen-jäger, die Hunderte von Kilometern fahren, um beim Tanken ein paar Euro zu sparen, marschieren Seit’ an Seit’, wenn es darum geht, dem Kapitalismus eins auszuwischen bzw. von seinen Sonderangeboten zu profitieren. Geld ist etwas Anrüchiges, es sei denn, man findet eine Möglichkeit, es zu sparen. Anders als in Holland oder der Schweiz, wo man gerne handelt und sich nicht schämt, dabei reich zu werden, ist in Deutschland der Übergang vom „ehrlichen Kaufmann“ zum „üblen Geschäftemacher“ fließend und hängt vor allem von der Höhe der Rendite ab. Steuerhinterziehung wird in Deutschland in der Regel härter als Totschlag bestraft, noch heute kann man in Debatten über Hitler das Argument hören, er habe sich immerhin nicht persönlich bereichert und kein Nummernkonto in der Schweiz gehabt - im Gegensatz zu George W. Bush jr., dessen Familie in Geschäfte mit der Bin-Laden-Sippe verwickelt war.

In einigen Supermärkten in Holland werden, um das Abkassieren zu beschleunigen, die Beträge auf- bzw. abgerundet. Wer 18.52 Euro zahlen müsste, zahlt nur 18.50; im Gegenzug werden statt 18.53 Euro 18.55 berechnet. In Deutschland wäre so ein Verfahren unmöglich, der Kunde würde sich in jedem Fall übervorteilt fühlen.
Seit ich als „Hassprediger“ gelte, bekomme ich mails, in denen ich gefragt werde, ob ich mich nicht schämen würde, mit so einer Arbeit „auch noch Geld“ zu verdienen. Würde ich für Gottes Lohn arbeiten, könnte ich mildernde Umstände geltend machen – als „ehrenamtlicher“ Hassprediger.

Die Geldanbetung und die Geldverachtung, die in Deutschland synchron gepflegt werden, vereinigen sich in der Überzeugung, dass man mit Geld praktisch alles kaufen, alles erreichen und im schlimmsten Fall auch Wunden heilen kann. Die Reparations-zahlungen an die im Dritten Reich verfolgten Juden wurden als „Wiedergutmachung“ deklariert, am Ende der Reise zum moralischen Status quo ante waren die Deutschen überzeugt, dass sie nicht nur ihre Schulden abgezahlt, sondern auch alle Schuld beglichen hatten.

Mit Kindergeld, Elterngeld, Erziehungsgeld, einer Herdprämie und anderen Anreizen soll heute die Geburtenrate angehoben und sozial schwachen Familien geholfen werden. Sozialromantiker aller Parteien, von Heiner Geissler bis Gregor Gysi, glauben, man müsse nur den „Reichen“ das Geld wegnehmen und es den „Armen“ geben, um soziale Gerechtigkeit herzustellen. Wer es wagt, darauf hinzuweisen, dass Umverteilung kein Allheilmittel und unter Umständen sogar kontraproduktiv ist, wird als „herzlos“ gebrandmarkt. Und wenn es ein alter und erfahrener Sozialdemokrat wie der Neuköllner Bürgermeister Buschkowsky ist, der sich mit der Feststellung, die Hilfen für die Unterschicht würden „versoffen“, ein Verfahren wegen Volksverhetzung einfing.

Zumindest in dieser Hinsicht steht Westerwelles Vorschlag zur Reso-zialisierung der Taliban auf festen Füßen. Die Jungs saufen nicht.

C: Weltwoche, 4.2.10

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