Roger Letsch / 09.05.2022 / 12:00 / Foto: Pixabay / 14 / Seite ausdrucken

Der Krieg der Steine

Die Kriegsparteien in der Ukraine reißen sich gegenseitig die Denkmäler ab, und längst beerdigt geglaubte Symbole untergegangener Totalitarismen feiern eine Renaissance.

Ich bin mir nicht sicher, ob es der Geschichts- oder der Russischunterricht war, in dem ich den Namen Soja Kosmodemjanskaja zuerst hörte. Jedenfalls gehört er zu dem schlecht sortierten Scherbenhaufen russischer Vokabeln und Namen, die in meinem Kopf ein eher unbeachtetes Dasein führen. In letzter Zeit und aus gegebenem Anlass – etwa, weil ich mühsam ein paar kyrillische Buchstaben in einer Meldung auf Facebook oder Twitter entziffern muss – setzen sich einige der Scherben wieder zusammen wie auch der Name Kosmodemjanskaja, einer Partisanin aus dem Raum Moskau, Heldin der Sowjetunion, Ikone des Widerstands und Säulenheilige, nach der in der DDR Schulen und NVA-Panzerdivisionen benannt wurden. Gefangen und hingerichtet von der deutschen Wehrmacht am 29. November 1941 im russischen Dorf Perischtschewo. So kann man es auf Wikipedia nachlesen.

Anlass des Erinnerns war ein Video auf Facebook, in dem offensichtlich ein etwa lebensgroßes Denkmal Kosmodemjanskaja von mehreren Männern mit Seilen grob von seinem lädierten Sockel gezogen und zerstört wurde. Es war nicht allzu schwer herauszufinden, ob das Video echt ist und wo es aufgenommen wurde. Mit großer Wahrscheinlichkeit stammt es aus der nordukrainischen Stadt Tschernihiw und wurde im April 2022 aufgenommen (Hier sehen Sie das Ergebnis).

„Wer tut sowas?“, war die offensichtliche Frage und in der ukrainophoben Fraktion meiner Landsleute war die Antwort auf die Frage schnell bei der Hand. Nur die faschistischen Ukrainer würden sich derart brutal an der Erinnerung an eine russische sowjetische Antifaschistin vergehen!

Vergleiche kommen einem in den Sinn, die jedoch nur auf den ersten Blick treffend sind. Etwa als die Iraker in Bagdad mit Hilfe amerikanischer Militärtechnik das gigantische Standbild Saddam Husseins vom Sockel zerrten. Doch gehörte Kosmodemjanskaja nicht zu den Guten? Schließlich kämpfte sie für ihre Heimat und gegen die deutschen Besatzer, während Saddam recht eindeutig der Despot seines Landes und verantwortlich für ein brutales System der Unterdrückung war. Kosmodemjanskaja unterdrückte niemanden, ihr Denkmal in Tschernihiw wurde lange nach ihrem Tod errichtet, noch zu Zeiten der Sowjetunion. Was macht sie also bei den Ukrainern vor Ort so verhasst, dass diese nun auch Krieg gegen Steine führen? Und ist hier wirklich Faschismus am Werk, wie die Lautsprecher des Kremls es heute gern allem Ukrainischen anlasten?

Nirgends ein kleinster gemeinsamer Nenner mehr

Die ersten Statuen, die in der an heroischen Memorablen nicht gerade armen DDR abgeräumt wurden, waren die Stalins. Klammheimlich und ohne große Erklärungen verschwanden Denkmäler und Straßennamen aus den Stadtbildern. Die unter Chruschtschow verordnete Entstalinisierung war freilich auf den Straßen leichter durchzuführen als in den Köpfen. Mit dem Untergang der DDR verschwanden schließlich auch Lenins steinerne Handweisungen, jedoch recht zivilisiert mit Hilfe von Kran statt Hammer.

Auch wenn die zerfallende Sowjetunion damals genug mit sich selbst beschäftigt war, waren die Verantwortlichen im wiedervereinten Deutschland klug genug, nur eine gescheiterte imperiale Ideologie von den Sockeln zu holen und – etwa in Berlin-Treptow – die Gedenkorte an den Blutzoll der Roten Armee intakt zu lassen. Man nahm ihnen zwar das Pathos, die Patina jedoch ließ man ihnen.

Im Moment sieht es jedoch so aus, als wolle man überall „Tabula rasa“ machen mit allem, was irgendwie russisch oder – was in der Wahrnehmung der Welt schon immer identisch war – sowjetisch ist. Nicht nur in der überfallenen Ukraine werden Denkmäler geschleift. Auch in anderen Ländern, die der Westen zumindest lange Zeit gern und großzügig der „russischen Einflusssphäre“ zuordnete, findet sich Vergleichbares. Auch in Polen werden gerade Denkmäler der Roten Armee abgerissen. Ein Wunder eigentlich, dass sie ausgerechnet dort so lange gestanden hatten.

Der letzte Besatzer ist immer der Schlimmste

Von Deutschland aus betrachtet, erscheint es kleinlich, ja kindisch, sich an Steinen abzuarbeiten, die aus der Vergangenheit auf uns gekommen sind. Es ist und bleibt Vandalismus, und den werde ich nicht entschuldigen. Doch sollten wir bei der Betrachtung der zerstörten Statue in Tschernihiw etwas zurücktreten und auf Weitwinkel zoomen. Am 3. März 2022 begannen die russischen Luftschläge gegen die Stadt Tschernihiw. Es war die Zeit des Vormarsches der Russen in Richtung Kiew, und als Standort des ukrainischen „Armeekommandos Nord“ war Tschernihiw direkt Kriegsschauplatz. Die Kämpfe in der Region endeten erst am 4. April, etwa 700 Menschen kamen laut ukrainischen Angaben ums Leben.

Schaut man sich das Bild der zerstörten Statue der Kosmodemjanskaja genauer an, fallen am Gebäude im Hintergrund die kaputten Fenster und die Einschusslöcher in der Fassade auf. Ich weiß es natürlich nicht wirklich, aber es ist plausibel, dass Kämpfe auch dort stattfanden. Zoomt man noch ein wenig weiter raus, sieht man vielleicht, wie der „Krieg der Steine“ auf der anderen, der russischen Seite geführt wird. Verschiedene Meldungen (ich verlinke hier eine türkische) zeigen, dass im von Russland eroberten Mariupol eine Statue der „Großmütterchen Anya“ errichtet wurde. „Als Symbol des Mutterlandes für die gesamte russische Welt“. In den Händen hält sie die Fahne der Sowjetunion. In Henitschesk, einer kleinen, nun ebenfalls besetzten Stadt am Asowschen Meer, klebten die neuen Herren das im Jahr 2015 abmontierte Denkmal Lenins wieder zusammen. Die ukrainischen Nachrichtenseiten schäumen vor Wut, wenn sie über solche Vorfälle berichten und verbergen ihre Genugtuung nicht, wenn sowjetische Denkmäler abgerissen werden. Im Krieg der Steine laufen Abriss und Errichtung von Denkmälern gewissermaßen um die Wette.

Russische Kritzeleien im Berliner Reichstag

Dass dies alles einer wiedererwachten faschistischen Gesinnung entspringt, kann nur glauben, wer in dem wechselseitigen Steineverschieben ein Zeichen von Stärke sieht. Es handelt sich meiner Meinung nach um Zeichen der Schwäche. Auf beiden Seiten. Die Ohnmacht der Ukraine, die russische Invasion zu beenden und die fadenscheinige Rechtfertigung Russlands für die Invasion, für die man die toten Symbole einer gescheiterten Epoche bemühen muss. Und weil die letzten Besatzer immer die schlimmsten und bedrohlichsten sind, holt man in der Ukraine gegen die Gespenster der sowjetischen Zwangsgemeinschaft jene der Feinde der Sowjetunion aus dem Zweiten Weltkrieg hervor. Nicht wissend oder sehen wollend, dass nationalistische oder gar faschistische Gespenster Putin nicht erschrecken, sondern mühelos als Grund und Anlass dienen können.

Der Krieg der Steine wird weitergehen in der Ukraine, und er ist nur eines von vielen Schlachtfeldern, auf dem jeder genau die Bilder von Ungeheuerlichkeiten finden wird, die er sucht und glauben will. Der Hass auf alles, was die jeweils andere Seite ausmacht und definiert, ist so groß und alt, dass es, selbst wenn der Krieg heute enden würde, lange dauern würde, bis man in Russland und der Ukraine wieder Anknüpfungspunkte und sowas wie einen „kleinsten gemeinsamen Nenner“ finden kann.

Wer heute das Untergeschoss des Reichstagsgebäudes in Berlin besucht, kann dort die restaurierten Kritzeleien der Soldaten der Roten Armee betrachten, die diese nach ihrem Sieg im Jahr 1945 dort hinterlassen haben. Nur einige besonders obszöne wurden auf Wunsch der russischen Botschaft bei der Restaurierung des Gebäudes entfernt. Eines Tages, wenn dieser Krieg endet, so hoffe ich, wird solches auch in der Erinnerungskultur zwischen Russen und Ukrainern endlich möglich sein. Dann wird man den Lenin in der Ukraine endgültig abmontieren und hoffentlich auch Obszönitäten wie seine Mumie an der Kremlmauer verscharren und die Statue der Kosmodemjanskaja wieder auf ihren Sockel in Tschernihiw stellen.

Dieser Beitrag erschien zuerst auf Roger Letschs Blog Unbesorgt.

Foto: Pixabay

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A. Ostrovsky / 09.05.2022

Man muss aus der Kremlastrologie ein richtiges Ausbildungsfach machen und auch Prüfungen einführen, die ein Mindestmaß an Qualität sichert. Die bisherige Vermutung, man müsse den Leuten nur richtig gutes Geld zahlen und dann werden ihre Weissagungen auch gut, hat sich irgendwie nicht verstetigen können. Jetzt sind alle überrascht, das Putin am 9. Mai nicht genau das gesagt hat, was die Kremlastrologen vorausgesagt haben. So kann das nicht weitergehen. Der russische Bär Putin macht einfach nicht, was wir ihm sagen. Leute, das ist der Irrtum. putin ist kein Bär, er ist ein Wolf. Und wer nicht ganz blind ist, hätte das schon vor zehn Jahren erkennen können und BEHERZIGEN sollen.  Nun aus der einfachen Beobachtung, dass die Russen gar nicht das machen, was wir gesagt haben, zu schließen, dass denen die Ressourcen ausgehen, ist Hausfrauenlogik. Wenn Militärs solchen Bullshit erzählen, muss man die 112 wählen!

Dirk Jungnickel / 09.05.2022

Herr Precht, ich hatte hier schon mal einigen Hobby - Historikern, die vom postsowjetischen Rußland keinen Schimmer haben und sich als Putinfreaks gebärden, die BLUTINHILFE empfohlen. Es kann ja nicht sein, dass der arme Kerl wegen der Geschichtsklitterungen im Regen stehen gelassen wird. Herr Precht, ich empfehle Ihnen dringend Kontaktaufnahme mit dieser NGO, sicher können Sie sich nützlich machen…

Wilfried Düring / 09.05.2022

Meines Erachtens ist es ein großes Problem, daß die ‘Bewältigung’ von Vergangenheit und das Erinnern skrupel- und verantwortungslos in den Dienst gegenwärtigen Interessen gestellt und damit entwertet werden. Sage ich das, fange ich die (richtige) Antwort: ‘Das war schon immer so. Ja! Aber muß es auch immer so bleiben? Besser wäre es zu versuchen, ALLE Seiten mit ihren Zielen, Motiven, Hoffnungen, Illusionen und Widerspüchen, ihren Idealen und Verbrechen fair darzustellen. Fakten dürfen nicht aus Gründen der pc verschwiegen werden. Deshalb muß/müßte eben gleichermaßen erinnert werden an Auschwitz, den Archipel Gulag und Katyn, Babi Jar, Lidice und Nemersdorf, an den rassisch movierten ns-Vernichtungskrieg im ‘Osten’, an die Massenvergewaltigungen durch Angehörige der Roten Armee (seriöse Schätzungen beziffern diese mit etwa 2 Millionen), das bewußte Verhungern-Lassen von einigen Millionen in Deutsche Kriegsgefangenschaft geratenen Soldaten der Roten Armee, an den Bombenkrieg der Allierten, an das Leid der Vertriebenen und Deportierten und Ausgelieferten (Bleiburg, Tragödie an der Drau usw.), an die Betrogenen der ‘polnischen Heimat-Armee’, und an den ‘Krieg gegen die Frauen’  - vor allem, aber nicht nur -in Frankreich im Rahmen der ‘Abrechnung’ mit angeblichen Kollaborateueren. (googeln nach: ‘horizontale Kollaboration Frankreich; dann auf Bilder drücken). Auch das Sterben und Morden im ‘Rücken des Krieges’ (Auslöschung des jüdischen Volkes, Shoa, Euthanasie-Morde) darf nicht vergessen werden! Die Liste ist lang geworden und ich konnte doch nur einige der wichtigsten Beispiele nennen und skizzieren. Und von der chinesischen Kulturrevolution und den Morden in Afrika (Ruanda, Äthiopien, Mengistu) wurde noch kein Wort geschrieben ... . Zum Bemühen um Vergangenheits-‘Bewältigung’ gehört also: sich von dem millionenfachen Leid persönlich berühren zu lassen, und das (oft genug verlogene) oft postulierte ‘Nie Wieder!’ ernsthaft(er) zu verinnerlichen.

Arne Ausländer / 09.05.2022

@Emmanuel Precht: Sie beschreiben recht korrekt, wie auch der westliche Mainstream die russische Propaganda subtil unterstützt. (Mir fiel das schon während des Georgienkrieges auf, als im DFL über das nahe Tschetschenien brav geschwiegen wurde, um russische Topics nicht zu stören.) Seit Kriegsbeginn noch etwas subtiler, indem man z.B. bei allem, was die Russen bestreiten, selbser auf fehlende Beweise hinweist - selbst wo es diese reichlich gibt. Auch kein Zufall, wenn das notorische Asow-Regiment zu großen Teilen vom doch so Anti-Nazi-Westen finanziert wird, ein Geschenk für die russische Propaganda! Auch die minimale Beachtung Kadyrows, seines Islamismus sowie seiner exzellenten Kontakte zu Saudis, Emiraten und Pakistan. Ach, der Westen wird doch kein doppeltes Spiel betreiben? Wie Rußland in Bezug auf Nazis, die es in Westeuropa so nett föderte, daß sogar die NPD der Einladung zur Beobachtung des Krimreferendums im März 2014 folgte und bestätigte: Alles korrekt verlaufen! Nein, doppeltes Spiel auf Kosten der Ukraine? Das würde doch weder der Westen noch Rußland sich auch nur im Traum einfallen lassen!

Wilfried Düring / 09.05.2022

Soja Kosmodemjanskaja war 18 Jahre alt, als sie sterben mußte. Sie starb einen sinnlosen und grausamen Tod. Das junge Mädchen wurde gleichermaßen zum Opfer des ns-Verichtungskrieges gegen die ostisch-slawischen ‘Untermenschen’ und Stalins Politik der verbrannten Erde. In Deutschland wird die Diskussion über die verbrecherischen Aspekte von Stalins Partisanenkrieg und die Ursachen der russisich-ukrainisch- baltisch-kaukasischen Kollaboration von (am Anfang großen) Teilen der Bevölkerung (Bürgerkrieg, roter Terror, Kollektivierung und ‘Bauernlegen’, Unterdrückung der Kirchen, der nationalen Minderheiten und ‘Regionalisten’, Holodomor, Säuberungen incl. ‘Enthauptung’ der Roten Armee - nicht nur ‘Faschisten’ wollten diese Zustände unbedingt beeenden!) seit jeher unterdrückt! In Rußland gab es eine (kurze ?) Zeit, in der die notwendige Auseinandersetzung geführt wurde. Die ENGLISCHE Wikipedia berichtet davon (Diskussion in der russischen Wochenzeitung ‘Argumenti in Fakti’). Das Völkerrecht unterscheidet in Kriegszeiten zwischen Kombattanten und Nicht-Kombattanten. (ich beziehe mich auf die Seite ‘humanitaeres voelkerrecht.de’). Auch Guerilleros, Freischärler, Partisanen usw. können Kombattanten sein, wenn diese sich an definierte Voraussetzungen halten. Dazu gehören (*) Das Mitführen eines beibenden und von weitem erkennbaren Unterschei­dungszeichen (**) das offen Tragen der eigene Waffen (***)  das Einhalten der ‘Gesetze und Gebräuche des Krieges’ bei eigenen Kampfhandlungen. Das Niederbrennen der ärmlichen Hütten bäuerlicher Dorfbewohner, das Anzünden von Ställen und das Töten/Vernichtem von Tieren dürfte mit (***) nur schwer in Übereinstimmung zu bringen sein. Die Partisanen-Einheit ‘Sojas’ hat genau das getan! Es ist verlogen und idiotisch, antistalinistische Kollaborateure pauschal als ‘Faschisten’ zu denunzieren. Es ist geschichtsvergessen, Denkmäler zu sprengen und zu glauben, Aspekte der eigenen Geschichte dadurch entsorgen zu können.

Peter Holschke / 09.05.2022

“Nicht wissend oder sehen wollend, dass nationalistische oder gar faschistische Gespenster Putin nicht erschrecken,” Was findet gerade statt? Krieg oder Erschrecken mit Gespenstern? Dass ist die höhste Kunst des Journaliesimus! Kein Kompliment. Russland ist also Schuld, dass in der Ukraine eine Pro-Nazi-Ideologie als stubenrein gilt, was natürlich nur Ausversehen und mit Unwissenheit vorkommt. Also nur ein Problemchen, auch die Kampfmethoden entsprechender Verbände, welche sich zum Teil auch auf eine SS-Tradition berufen. Hmm. Mit etwas Geschichts- und Landeskenntnis kann man wissen, dass die ukrainischen Gebiete ein integraler Bestandteil der Sowjetunion waren, eines kommunistischen Vielvölkerstaates. Keinesfall war die Ukraine eine von Russen okkupiertes Territorium. Welche Herkunft waren z. B. noch Stalin, Chrustschow, Brechnew?

Arne Ausländer / 09.05.2022

Seit den Zeiten der Obeliske und Triumphbögen waren Denkmäler immer v.a. Symbole der Macht. Kulturelle Aspekte sind da sekundär, oft entstehen sie erst im Laufe der Zeit. - Ich war “not amused”, als ich vor Jahren ein Lenin-Denkmal in Thüringen in mitten eines Wald auf ehemaligem Militärgelände sah, frisch renoviert auf Landeskosten. Für Revolutionsromantik weiß ich zuviel von der wirklichen Geschichte, auch der unter Lenin. Dann 2014 sah ich, wie sich in der Ukraine die Putinisten gerade an Lenin-Denkmälern zu sammeln pflegten, bevor sie wirkliche oder vermeindliche Gegner prügelnd durch die Städte zogen. Der Anfang des heutigen Krieges. (Nicht der Maidan war das, da ging es um die Regierung in Kiew, eine innenpolitische Sache, egal ob sie einem gefällt.) Als Erkennungszeichen wurden an die Randalierer St.-Georgs-Bänder verteilt, meist als Armbänder getragen, wie bei Milizen üblich. Solche Bänder fand ich dann im Frühjahr 2014 auch an einem verrotteten sowjetischen Armeedenkmal der 1980er, nicht weit vom zuvor erwähnten frisch strahlenden Lenin, aber tief im Gebüsch versteckt. Seitdem sehe ich die russische Gefahr auch für Deutschland als real, natürlich belegt durch weit mehr als diese Bändchen. Wegen Hitler die neo-stalinistische und russisch-imperiale Gefahr zu unterschätzen, wäre etwa so, wenn man wegen Krebs sich nicht um Beinbruch kümmern wollte. Und natürlich gibt es außerdem noch viele andere Gefahren, reale, nicht die à la Lauterbach. - Der Umgang mit Erinnerungsstätten an 1945 ist wegen der unlöslichen Verquickung von Nazi- und Stalinthematik ein schwieriges Thema, was wohl während eines Konfliktes wie diesem lieber ruhen sollte, mangels Aussicht auf sinnvolle Lösungen.

Stephan Reichert / 09.05.2022

Der Krieg der Steine ist auch im Westen voll im Gange, nur dass es eher ein Bürgerkrieg der Steine ist.

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