Rainer Bonhorst / 02.06.2020 / 14:00 / 22 / Seite ausdrucken

Der Gewhatsappte

Neulich, bei einer Fußball-Übertragung im Radio (mein Verein hat mal wieder verloren), sagte der Moderator: Gerade hat mir jemand etwas gewhatsappt. Wie bitte? Gewhatsappt? Von einem Sportmoderator hätte ich früher eher einen Satz erwartet wie: „Er schoss ein Tor, das sich gewaschen hat.“ Aber gewhatsappt? Ja, unser Neudeutsch hat alle Lebensbereiche erobert. Auch den des Fußballs. Erstaunlich, dass der Kölner Video-Beweis-Keller nicht Video-Checkpoint heißt.

Nun gut, ich bin kein Sprachpurist, sondern erfreue mich einfach an der unfreiwilligen Komik vieler Anglizismen. Der Gewhatsappte hat halt die Sprache des Landes benutzt, in dem das Whatsapp erfunden wurde, und hat es eingedeutscht, oder genauer: verdeutscht, wobei man für verdeutscht auch verhunzt sagen kann. Hätte jemand in Deutschland das Whatsapp erfunden, dann würden heute vielleicht die Amerikaner sagen: „I got a new Was-ist-los-Anwendung.“ Vielleicht.

Früher sind ja Wörter wie Kindergarten, Schadenfreude, Weltanschauung und „German Angst“ aus dem Deutschen ins Englische hinüber gewandert. Heute geht es zu fast hundert Prozent in umgekehrter Richtung, vom englischen Sprachraum zu uns. So ist das Leben. Eine Lawine, ob analog oder digital, ist schwer aufzuhalten. Man darf sich spaßeshalber aber die Frage stellen, wie ein korrektes Eindeutschen der digitalen (oder auch analogen) Anglizismen aussehen sollte. Und das will ich hier mal tun.

Der gewhatsappte Hörfunk-Kollege hat – bewusst oder unbewusst – die Frage der korrekten Eindeutschung auf beispielhafte Weise aufgeworfen. Nämlich so: Warum ist er gewhatsappt worden und nicht whatsgeappt? Mir erscheint whatsgeappt sauberer als gewhatsappt. Es entspricht mehr dem deutschen Sprachgebrauch. Man sagt ja auch „angerufen“ und nicht „geanrufen“. Oder „abgesagt“ und nicht „geabsagt“. Aber ich fürchte, dass das Gewhatsappte angesagter (geansagter?) ist als ein von mir bevorzugter Whatsgeappter.

Gelockdownt, lockgedownt, gedownlockt oder downgelockt?

Beispielhaft ist die Sache, weil sie anglizismusübergreifend ist. Nehmen wir die gerade erst abklingende Zeit, als wegen Corona alles dicht war. Also die Zeit des Lockdowns. Waren wir da gelockdownt, lockgedownt, gedownlockt oder downgelockt? Ich bin für downgelockt. Aber lockgedownt ist auch ganz verlockend. Oder: Nach Wochen des Social Distancing bleibt immer noch die Frage unbeantwortet, ob wir gesocialdistancet sind oder socialgedistancet. Ich bin logischerweise für socialgedistancet. Wenn man gemailt hat oder angemailt wird, stellt sich dieses Problem zum Glück nicht. Angemailt ist angemailt, auch wenn daraus in der deutschen Aussprache gelegentlich angemehlt wird. Aber die Aussprache ist ein anderes Thema.

Interessanterweise gibt es bei uns sogar Anglizismen, die es im Englischen so gar nicht gibt. Der schönste ist das Handy, von dem weder Amerikaner, Briten, Australier noch Neuseeländer jemals gehört haben, es sei denn, es verschlägt sie nach Deutschland. Leider kommt unser autochthones Handy langsam aus der Mode. Es wird nach und nach von einem Phone, nämlich vom Smartphone abgelöst. Die neueren Phones sind ja auch smarter als die alten Handys. So ein Smartphone kann zum Beispiel nicht nur whatsappen, es kann auch smsen. Ich bin erst neulich angesmst worden und habe gleich zurückgesmst. Allerdings habe ich noch nicht getwittert und bin auch noch nicht angetwittert worden. Mein Nichtgetwitter hat nichts mit meiner Donald-Trump-Skepsis zu tun. Der Mann soll twittern, soviel er will.

Statt zu twittern, zwitscher ich mir lieber mal ein Gläschen draußen auf der Terrasse, während die Vögel am Himmel twittern. Das kann ich mir leisten, weil ich schon seit einiger Zeit gehomeofficet beziehungsweise homegeofficet bin. 

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Leserpost

netiquette:

Gabriele H. Schulze / 02.06.2020

Rapunzel, Rapunzel, laß dein Haar herunter. Also downgelockt, aber zügig!

Ilona Grimm / 02.06.2020

„Er/sie hat mir gewhatsappt“ habe ich schon oft gehört; noch nie aber: „Er/sie hat mir whatsgeappt“. Mir gefällt von allen vorgestellten Varianten die erste am „wenigsten schlecht“. Denn man sagt ja auch, „Er/sie hat mir geantwortet“; aber nicht, „Er/sie hat mir antgewortet“. Wie auch immer, ich whatsappe überhaupt nicht; ich habe nicht einmal ein schlaues, tragbares Fernsprechgerät. Wenn ich aber whatsappen würde, dann würde ich eine Nachricht per „Whatsapp“ verschicken. Ihr Beitrag hebt meine Stimmung beträchtlich, und dafür danke ich Ihnen. Das Tor, welches sich gewaschen hat, reißt mich fast von meinem Swopper-Hocker. Das liegt sicher daran, dass ich an Sportreportagen nicht gewöhnt bin.

Sonja Dengler / 02.06.2020

es ist nicht ganz so einseitig, wie Sie das beschreiben. In USA gibt es z.B. die Aussage “I got a Fahrvergnügen!” Das ist auch nicht von schlechten Eltern - so einen Felsrutsch im eigenen Land kann man, glaube ich, nicht aufhalten.

Thomas Holzer, Österreich / 02.06.2020

Und bitte nicht zu vergessen: “Public viewing”

Karl-Heinz Vonderstein / 02.06.2020

Hab mir auch einige Neuanglizismen ausgedacht, haben alle mit Präsident Trump zu tun:“getrumpt werden” heißt entweder von Trump verarscht werden oder Anhänger von Trump zu sein, “tweetstrumpen” heißt, einen Tweet nach dem anderen raushauen, die sich gewaschen haben und “trumpgetweetet werden” oder “getrumptweetet werden” heißt entweder von Trump durch einen Tweet fertig gemacht werden oder gelobt werden oder “trumpen” heißt, mit den USA aus irgendwas aussteigen und “einen Trump machen” heißt entweder ins Fettnäpfchen treten oder einen Deal machen.  

Belo Zibé / 02.06.2020

Gewhatsappt ist Produkt der deutschen Reflux-Krankheit , Entschuldigung, deutschen Sprachsodbrennens ,

Petra Wilhelmi / 02.06.2020

Mein Sprachhit ist immer wieder: Public viewing. Und irgendwie stimmt es ja auch, wenn man an die Zirkusspiele denkt, an Brot und Spiele, wenn viele einem Fußballspiel in der Öffentlichkeit folgen - es IST im übertragenen Sinne Leichenbeschau.

Guido Wekemann / 02.06.2020

Lieber Herr Bonhorst, köstlich, einfach köstlich Ihre Glosse. Sprachwitz mit Tiefgang!

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