Roger Letsch / 10.03.2017 / 13:33 / 11 / Seite ausdrucken

Der Axt-Mann aus Pangäa

Wenn es um Israel geht, können unseren Journalisten die Herkunftsbezeichnungen nicht genau genug sein. Hergestellt in Jerusalem? Na da wollen wir aber schon wissen, ob damit nicht „Ost-Jerusalem“ gemeint ist, wo die bösen Besatzer hausen!

Bei der Herkunft unserer Attentäter hingegen reicht hingegen eine ungefähre Richtungsangabe, nicht dass die Leute sich da noch irgendwas zusammenreimen – Teile der Information könnten die Menschen, die schon länger hier leben, verunsichern. Die Berichterstattung im Fall des Axtschwingers von Düsseldorf kann man denn auch nur als grotesk bezeichnen. Er sei psychisch labil gewesen, das stand für alle Kommentatoren schnell fest. Auch wenn zu dem Zeitpunkt die einzigen verlässlichen Informationen von den Einsatzkräften vor Ort kamen und noch kein Psychologe einen Blick auf den Attentäter werfen konnte.

Mal abgesehen davon, dass man in keinem denkbaren solchen Fall von robuster geistiger Gesundheit und Resilienz beim Täter ausgehen kann, ist eine solche Ferndiagnose für Journalisten wie Polizisten eine gewagte Sache. Aber nachdem man bereits Präsident Trump immer und immer wieder vernichtende Ferndiagnosen ausgestellt hat, scheint man sich in der Zuschreibung von Störungen aller Art eine gewisse Expertise angeeignet zu haben.

Das Erstaunlichste jedoch war die Herkunftsbenennung des Täters als aus dem „ehemaligen Jugoslawien“ kommend. Donnerwetter, das nenne ich mal begriffliche Wiederauferstehung! Falls Sie Anfang 20 sind, wissen Sie jetzt vielleicht überhaupt nicht, was das sein soll: Jugoslawien. Haben eigentlich alle Slowenen, Kroaten, Bosnier, Serben, Mazedonier und Kosovaren irgendein geheimes gemeinsames Merkmal, ein drittes Auge vielleicht oder einen Sprachakzent, der es ermöglicht, einen Menschen zwar dem gesamten „ehemaligen Jugoslawien“ zuzuordnen, jedoch keinesfalls einem der Nachfolgestaaten?

Oder ist es nicht vielmehr so, dass man überhaupt erst auf die Idee mit dem „ehemaligen Jugoslawien“ kommen kann, wenn man sicher weiß, dass der Täter entweder aus Slowenien, Kroatien, Bosnien, Serbien, Mazedonien oder dem Kosovo kommt? Warten wir also mal ab, was die Ermittler über den Wuppertaler Fatmir H. aus dem „ehemaligen Jugoslawien“ noch herausfinden werden. Um die Spekulationen aber in Zukunft noch etwas weiter auseinanderzutreiben, empfehle ich statt des Begriffs „ehemaliges Jugoslawien“ die Verwendung von „ehemalige österreichisch/ungarische Kronlande“ oder „römische Provinz Dalmatia“. Oder besser gleich „von irgendwo auf Pangäa“, das schränkt die Möglichkeiten nicht so stark ein.

Dieser Beitrag erschien zuerst auf Roger Letschs Blog Unbesorgt hier

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Leserpost

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Georg Siegert / 10.03.2017

Köstlich. Mich wundert ja, dass die einschlägig agierenden Medienvertreter noch nicht den Ball aufgenommen haben, den die Kanzlerin ihnen so schön zugespielt hat: bei dem Täter handelt es sich um jemanden, der schon mehr oder weniger lang hier lebt (vielleicht sogar “schon länger”), und somit auf alle Fälle ein Mitglied des Volks ist.

Axel Kracke / 10.03.2017

Warum nicht einfach “ein Homo sapiens vom Planeten Erde”?

Steffen Fritzsche / 10.03.2017

Wenn unsere Medien derartig rumeiern kann man davon fast sicher sein das es sich um einen Zugewanderten mit iIslamischen Glauben handelt. Es hat alles natürlich mit nix zu tun auch wenn es im heiligen Buch der Mohemedaner steht. Es sollen ja nicht alle Muslime so sein aber einige nehmen den Text so wie er ist und eifern ihren großen Vorbild nach.

Wolfgang R. Weichselgärtner / 10.03.2017

Das wird die Opfer ja entspannen und trösten: Psychische Ausnahmesituation, Einzeltäter und nur ein bisschen Migrationshintergrund! Dann können wir alle wieder zur Tagesordnung übergehen.

Thomas Schade / 10.03.2017

Man ist allmählich geneigt, die Berichterstattung bei Gewalttaten in Deutschalnd als eine Art Dechiffrierspiel zu betrachten.

Joachim Schmidt / 10.03.2017

Immerhin ein paar wenige Zeitungen berichten nun, dass es sich um einen Asylbewerber aus dem Kosovo handelt.

Dirk Jäckel / 10.03.2017

„ehemalige österreichisch/ungarische Kronlande“ Reizvolle Idee. Da aber “Fatmir” ein albanischer Name ist, wäre die bis 1912 zutreffende Zuschreibung “osmanisches Vilayet Kosovo” jedoch sinnvoller.

Hubert Bauer / 10.03.2017

Sehr guter Text. Kann die Achse bitte mal bei der Polizei in Heidelberg nachfragen, was zwischenzeitlich über den dortigen Todesfahrer und Messerfuchtler bekannt ist? Die Fotos, die ich beim Mirror gesehen habe, lassen mich zweifeln, ob es sich tatsächlich - wie angegeben - um einen “Deutschen ohne Migrationshintergrund” handelt. Nachfragen von Journalisten, ob es sich um einen zum Islam konvertierten handelt, werden angeblich nicht beantwortet. Aber keine Antwort ist ja auch eine Antwort.

Horst Lange / 10.03.2017

Sehr geehrter Herr Letsch, exakt dies dachte ich mir am heutigen Morgen auch. Ich denke, Serbe oder Kroate hätte man noch geschrieben, aber bei Bosnier oder Kosovare bzw. Albaner ist man ja gleich in einer Assoziationsspirale eingebunden. Und diese ist alles andere als postfaktisch. Diese andauernde Angst vor Reaktionen aus der pöhsen rechten Ecke führen wahrlich zu immer neuen Verrenkungen, Zungenbrechern und Wortchimären. Leider ist die Wirkung eine genau gegenteilige und führt zu unnötigem Unmut in der Bevölkerung. Vor was haben wir bzw. was macht Menschen Angst? Vor dem Ungewissen, vor dem, was wir nicht erfassen und begreifen können. Können wir die Dinge nicht klar beim Namen nennen, rational analysieren und Folgen für das eigene, auch politische und gesellschaftliche Handeln ableiten? Stattdessen wandeln wir durch den wabernden Nebel der beliebigen PC, stolpern von Katastrophe zu Katastrophe. Ich würde mir wünschen, dass endlich mal Klarheit vorherrscht und Verantwortung übernommen wird, denn nur so können wir auch zukünftig ein vorurteilsfreies Miteinander gewährleisten, wenn wir wissen, dass nichts vertuscht und “verlückt” wird. Da wird man ja ganz vellü... verrückt bei.

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