Hermann Detering, Gastautor / 20.09.2018 / 06:25 / Foto: Kuebi / 67 / Seite ausdrucken

Der „Anstand“ und der Aufstand der Neo-Spießer

Unmittelbar nach dem Krieg hatte das Wort „Anstand“ unter den kritischeren Geistern eine eher schlechte Presse. Während CDU-Nachkriegspolitiker wie Adenauer auch weiterhin am nationalsozialistischen Sprachgebrauch festhielten und nicht nur den Soldaten der Wehrmacht, sondern auch den Mitgliedern der Waffen-SS bescheinigten,  „anständige Leute“ gewesen zu sein, war der Begriff, zumal bei jenen, die in der Nazi-Zeit Haft, Verfolgung und Schlimmeres erfahren mussten, gründlich desavouiert. Auch hallten die Sätze des Reichsführers-SS Heinrich Himmler noch in den Ohren. In seiner Posener Rede hatte der es als ein „niemals geschriebenes und niemals zu schreibendes Ruhmesblatt unserer Geschichte“ bezeichnet, dass seine Soldaten den Anblick von 100, 500 und 1.000 (exekutierten) Leichen „durchgehalten haben“ und „dabei anständig geblieben“ waren.

Kein Wunder also, dass der Begriff, zumal unter linken Intellektuellen, lange Zeit verpönt war. Abgesehen von allem anderen haftete ihm die satte moralische Selbstzufriedenheit des kleinbürgerlichen Milieus an, vielleicht auch die Erinnerung an Väter, die selbst vor drastischen Erziehungsmaßnahmen nicht zurückschreckten, um ihrem Nachwuchs „Anstand beizubringen“.

Wenn es richtig ist, was der österreichische Schriftsteller Ödön von Horváth in seinem Buch über den „ewigen Spießer“ sagt, wird dieser vor allem dadurch charakterisiert, dass er, ohne nachzudenken, weiß, was gut und was böse ist. Für den „Spießer“ stellt  der Begriff „Anstand“ in der Tat eine ideale moralische Kategorie dar, da er von vornherein jede Reflexion und Diskussion ausschließt und statt einer Handlungsbegründung auf das weist, was „man tut“ oder „man“ eben „nicht tut“. Sein Bezugspunkt ist die „öffentliche“ oder „veröffentlichte Meinung“, der Wunsch dazuzugehören oder die Angst vor Ausgrenzung, die menschliche Herde eben, der sich  der Spießer lemminghaft anschließt.

Sein erstes großes Revival erlebte der Begriff, als Kanzler Schröder nach dem Brandanschlag auf die Düsseldorfer Synagoge am 2. Oktober 2000 den „Aufstand der Anständigen“ ausrief. Das war gut gemeint, aber durchaus unreflektiert. Der Griff des Kanzlers in die kleinbürgerliche Klamottenkiste warf ein nicht uncharakteristisches Schlaglicht auf dessen eigene Mentalität und offenbarte einen erheblichen Mangel an Sprachsensibilität und Geschichtsbewusstsein. 

Mangel an geistig-kritischen Ressourcen

Symptomatisch für das inzwischen in der Bundesrepublik einsetzende, sich verflachende geistige Klima ist, dass der Begriff „Anstand“ trotz seiner fragwürdigen Geschichte im Nationalsozialismus heute wieder Karriere macht und heute sogar bei den Linken angekommen ist. Auch ein Hinweis darauf, dass deren populäre Vertreter häufig kaum noch über die notwendigen geistig-kritischen Ressourcen verfügen, um unabhängige System- oder Sprachkritik zu üben.

Schon vor Chemnitz war in den Medien viel von „Anstand“, „Haltung“, „Gesicht zeigen“ et cetera die Rede, und zwar durchaus nur dann, wenn von gewalttätigen Übergriffen Rechter auf Ausländer die Rede war (für den umgekehrten Fall fehlt es mir an Belegen). Nach Chemnitz ist der „Aufstand der Anständigen“ erneut in aller Medienmunde. Der vom ehemaligen Punk zu Deutschlands moralischem Gewissen der Nation aufgestiegene Campino stellte in einer Pressekonferenz vor dem Konzert fest: "Das ist ganz wesentlich, dass wir uns darüber im Klaren sind, dass es nicht um den Kampf links gegen rechts geht, sondern alles, was normalen Anstand hat.“

Die platte Unreflektiertheit und Ungeniertheit, mit der die Worte „normal“ und „Anstand“ ausgesprochen werden, hätte alten linken Denkern sicher die Schamesröte peinlicher Verlegenheit ins Gesicht getrieben. Tatsächlich scheinen sich diejenigen, die den „Aufstand der Anständigen“ beschwören, der Geschichte und Problematik des Begriffs kaum bewusst zu sein.

Denn während er den einen das beruhigende Gefühl geben mag, zu dem moralisch wertvolleren Teil der Gesellschaft zu gehören (getreu dem Motto Onkel Noltes aus Wilhelm Buschs „Frommer Helene“: „Ei da bin ich aber froh, denn Gott sei Dank, ich bin nicht so“), führt er auf der anderen Seite zu einer geradezu manichäischen Spaltung der Gesellschaft in „Anständige“ und „Unanständige“, Gute und Böse.

Wem es, aus welchen Gründen auch immer – sei es, dass er einfach zu bequem ist oder lieber Briefmarken sammelt, statt „Gesicht zu zeigen“ – nicht nach einem öffentlichen Bekenntnis seiner Gesinnung oder nach öffentlich bekundeter „Haltung“ gelüstet, macht sich rasch verdächtig. Er gerät unter Rechtfertigungsdruck oder muss im schlimmsten Fall mit sozialer Ächtung rechnen. Das war schon in DDR- („Sag‘ mir, wo Du stehst“) und erst recht zu Nazi-Zeiten so. Auch da wurde jeder, der sich dem öffentlichen Bekenntnis zu „Reich und Führer“ entzog, der Illoyalität verdächtigt, mit den bekannten Folgen für Karriere, Leib und Leben.

Über den „Anstand“ der „Anständigen“

Tatsächlich werden unter Grünen und Linken auch heute wieder ganz offen und unreflektiert all die Maßnahmen und Mechanismen diskutiert, die damals darauf abzielten, Regimegegner unschädlich zu machen. Im „Kinderstürmer“, der „taz“, heißt es im Zusammenhang mit den Ereignissen auf der Frankfurter Buchmesse („Mit Nazis reden bringt nichts“): „Man muss sie (= die „Nazis“) deshalb sozial ächten. Bis sie sich nicht mehr trauen, auch nur zum Bäcker zu gehen.“ Wer Nazi ist, bestimmt selbstverständlich die taz.

Und natürlich gehören auch Boykottaufrufe in diesen Kontext. Hieß es damals „Kauft nicht beim Juden“, fordert der Grünen-Funktionär Matthias Oomen via Twitter dazu auf, dass „man in Sachsen keinen Urlaub machen und auch sonst kein Geld ausgeben sollte“. Nur fungiert diesmal offenbar nicht mehr das „gesunde Volksempfinden“, sondern der „normale Anstand“ beziehungsweise das, was ein grüner Politiker dafür hält, als Begründung für derartige Aktionen. Den Leuten „Anstand beibringen“, so könnte man hinzufügen, erledigen dann die mit staatlichen Geldern gefütterten Kämpfer gegen Rechts und deren gewalttätige Helfershelfer in der Antifa.

Dabei ist man mit den Methoden nicht gerade kleinlich, wie überhaupt im „Kampf gegen Rechts“ alles erlaubt und der vielbeschworene „Anstand“ auf einmal ganz vergessen ist. Schon auf dem Konzert in Chemnitz glaubte manch ein verblüffter Zuschauer und Zuhörer seinen Ohren nicht zu trauen, als sich die Menge im Rhythmus zu Versen wie diesen bewegte:

„Ich ramm die Messerklinge in die Journalistenfresse.“ „Trete deiner Frau in den Bauch, fresse die Fehlgeburt.“

Oder:

„Eva Herman sieht mich, denkt sich: ‚Was’n Deutscher!’ / Und ich gebe ihr von hinten wie ein Staffelläufer / Ich fick sie grün und blau, wie mein kunterbuntes Haus / Nich alles was man oben reinsteckt, kommt unten wieder raus.“

Oder:

„Ich schleich mich ein bei Sarrazins, 6 Uhr, alles pennt noch, Selbstmord-Attentat.“

Oder:

„Wir danken dem schwarzen Block, dass er die Arbeit der Polizei übernommen hat.“

Ein Standpunkt, aber gewiss kein christlicher

Gleichwohl waren sich die meisten Berichterstatter und Journalisten, die über das Konzert berichteten, sicher, dass es sich bei dem Konzert um ein Friedenskonzert, eine Art zweites Woodstock also, gehandelt habe. Von der Pastorin Rabe-Winnen erfuhren wir am vergangenen Samstag im „Wort zum Sonntag“: All diese Menschen "waren dann friedlich bei Musik. In Chemnitz wurde wieder Mit-Menschlichkeit sichtbar." Von den eben zitierten Texten kein Wort. Die Pastorin weiß, dass sie auf der richtigen Seite steht. Und natürlich ist klar: Die mit dem Herz, der Mitmenschlichkeit, das sind wir, das ist sie, die mit der Hetze, der Menschenverachtung, das sind immer die anderen. – Auch ein Standpunkt, aber gewiss kein christlicher.

Bemerkenswert auch, dass die Süddeutsche Zeitung, die im August 2018 noch den „Anstand in der Sprache“ („Der neue Stil der Grünen“) beschwor, keinen Anstoß an dem Konzert in Chemnitz und den dort gesungenen Texten nahm. Ebenso der Bundespräsident, der gerade vor der „Verrohung der Sprache“ gewarnt und zu mehr sprachlicher Disziplin gemahnt hatte, aber keine Probleme damit hat, seine segnende Hand über das Konzert zu halten und die Ankündigung auf seiner Facebook-Seite zu verlinken. Auf eine Erklärung der Vorliebe des Präsidenten für linksextremistische Sudelverse wartet der ratlose Bürger bis heute vergebens. Glaubwürdigkeit und Seriosität sind eben nicht nur eine Sache des äußeren Auftretens oder der weißen Haare, sondern der inneren Haltung.

So zieht sich mit dem Begriff „Anstand“ eine gerade Linie urdeutscher Denke durch die Geschichte, und mit ihr eine Spur von Ausgrenzung, Diffamierung  und Verfolgung, aber auch Bigotterie und Heuchelei. Wer sein Weltbild aus den dumpfbackigen Hasstexten der in Chemnitz aufspielenden Bands bezieht, wird das nicht verstehen – es sei denn, er kennt außer Campino auch noch einen gewissen Herrn Kant: 

„Überhaupt ist Alles, was man Wohlanständigkeit … nennt, … nichts als schöner Schein“ (Anthropologie in pragmatischer Hinsicht, 1798. Erster Teil. Anthropologische Didaktik).

Dr. Hermann Detering, geb. 1953 in Oldenburg, ist evangelischer Theologe und Autor und war von 1982 bis 2009 Pfarrer in Berlin. Lebt heute in der Altmark. Veröffentlichungen unter anderem: “Die Lust der Welt und die Kunst der Entsagung“, Gütersloher Verlagshaus 2013. „O du lieber Augustin – Falsche Bekenntnisse“, Alibri, Herbst 2014

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Chris Groll / 20.09.2018

Vielen Dank Herr Detering für diesen großartigen Artikel.  Ist es wieder soweit wie 1933?  Das frage ich mich in letzter Zeit des öfteren. Wenn ein Bundespräsident (nicht meiner) zur Teilnahme an einem Konzert aufruft, mit solch grottenschlechten, linksextremen, miserablen Bands mit solch menschenverachtenden Texten, so ist das für mich einfach nur eine Schande. Das sich auch noch junge Menschen dazu hergeben, zu solcher Musik zu tanzen ist irgendwie abartig (man sollte nicht vergessen, das ein Mensch ermordet wurde und zwei weitere schwerverletzt) . Man stelle sich einmal vor, Präsident Trump (mein Präsident) hätte zu solch einem Konzert aufgerufen, das Geschrei der deutschen Medien und Politik hätte ich hören wollen.  Mir machen die Zustände in unserem Land nur noch Angst.

Andreas Keppel / 20.09.2018

Ein sehr treffender, intellektuell feinsinnig und ausgereifter Artikel. Auf den Punkt. Zu dem Punkt, dass Adenauer SS-Angehörige “anständige” Leute genannt habe. Ich erinnere mich gelesen zu haben, dass Adenauer ausdrücklich, auf eine Nachfrage eines ehemaligen SS-Generals (Steiner glaube ich) sogar niedergeschrieben hat, dass seine abgegebene Ehrenerklärung für die Wehrmacht auch Angehörige der Waffen-SS einschließe, soweit sie ausschließlich “tapfer und ehrenvoll” für Deutschland gekämpft hätten. Jeder wusste damals ohne jede antifaschistische Rhetorik als Beiwerk, dass sich diese Einschränkung auf die Verbrechen bezog. Franz-Josef-Strauß schrieb in seinen Erinnerungen sinngemäß, dass die “Vergangenheitsbewältigung” in ihrer Verlogenheit in den 60ern im Grunde erst ihren Anfang nahm, als im Prinzip die ältere -sprich direkt betroffene- Generation sukzessive bereits ihren Abschied nahm. Genau das beschreibt das Problem “Je zeitlich entfernter das Dritte Reich, desto größer ist der Widerstand dagegen”... Es ist das Einfallstor dafür, dass bei der beschriebenen primitiven Polarisierung “Gut-Böse”, sprich unbedingter Multikulturalismus oder Faschismus, jedwede Gegnerschaft zu den linken Politikprämissen Merkels und zum linksideologischen Mainstream -rücksichtslos und ungehemmt- mit dem Nazidreck bepudert wird.

Thomas Schmied / 20.09.2018

Es kommt nicht auf die Worte an, sondern darauf, was man mit ihnen verbindet. Verdrehungen, Pervertierungen und Mißbrauch von Worten zu niederen Zwecken wird es leider immer geben. Entgegen der vorherrschenden Meinung bin ich auch der Ansicht, dass Worte nicht “verbraucht” oder “verbrannt” werden können, weil ihre Bedeutung nicht “verbraucht” oder “verbrannt” werden kann. So viel Rationalität und Aufgeklärtheit sollten wir uns schon erlauben.  Diese Sichtweise hätte auch Kant nachvollziehen können. In Zeiten, in denen der Anstand mal wieder vor die Hunde geht, sollten wir nicht auch noch das Wort verdammen.

Belo Zibé / 20.09.2018

Nach der Lektüre dieses Artikels und davor Dr. Gniffkes gesammeltes Schweigen stellt sich auch prompt geistiges Völlegefühl und Übelkeit ein. Dagegen wirkt bei mir der   1’:10” dauernde Film von «Badesalz-Essen gegen Rechts» auf YouTube verlässlich.Es könnten auch Campino und Co. am Tisch gesessen haben…..

Frank Box / 20.09.2018

@Thorsten Helbing: “Jörg Ziercke, ehemaliger Präsident des BKA und im Besitz des SPD-Parteibuchs wurde vor 4 Tagen zum neuen Vorsitzenden des Weißen Ring gewählt. Nun wurde eine Pressemitteilung herausgeben welche besagt das zukünftig keine AfD-Mitglieder im Verein gewünscht seien. Spenden von AfD-Mitgliedern sollen abgewiesen werden” - Auf geht´s AfD! Jetzt aber SOFORT den “Blauen Ring” gründen! Dann über alle Sozialen Medien zu Spenden für Verbrechensopfer aufrufen! Einmal im Monat werden dann öffentlichkeitswirksam Schecks an Gewaltopfer oder deren Hinterbliebene übergeben! (VOR der Kamera natürlich nur bei denen, die zustimmen)

Dieter Stern / 20.09.2018

Ich finde es sehr wichtig, dass Sie in ihrem Beitrag die Geschichtsvergessenheit der Linken an den Pranger stellen, wenn diese mit dem politisch schwer belasteten Begriff des Anstands hantieren und ihn dabei - zufällig oder nicht - auch noch in der selben propagandistischen Absicht verwenden wie ihre unseligen historischen Vorläufer, nämlich als Freibrief für eigenes unanständiges Verhalten. Nun klingt es aber bei Ihnen so, als wollten sie den Begriff des Anstands lieber gleich ganz aus dem Wortschatz verbannt wissen. Daher möchte ich hier doch eine Lanze für den Begriff des Anstands brechen, der im Gegensatz zur Vorstellung der Sittlichkeit Regeln des täglichen Zusammenlebens meint, die zwar im Idealfall strikt und - da haben sie recht - unreflektiert, sozusagen aus dem Rückenmark heraus zu befolgen sind, aber eben nicht von einer entsprechenden inneren Haltung begleitet sein müssen. Der Anstand ist damit eine Grundvoraussetzung einer freien Gesellschaft, indem er die praktischen Auswüchse freier persönlicher Wünsche und Gelüste im Zaum hält, ohne die Freiheit des Denkens und Fühlens selbst anzutasten. Im Falle von K.I.Z. heißt das: den K.I.Z.-Leuten steht es frei, insgeheim Gewaltphantasien über Herrn Sarrazin nachzuhängen. Es öffentlich auszusprechen, ist durch eine radikale Interpretation der Meinungsfreiheit vielleicht noch gedeckt, aber es ist eben zutiefst unanständig, weil es gegen Regeln eines auskömmlichen Zusammenlebens verstößt. Darüber hinaus ist es möglicherweise als indirekter Mordaufruf justiziabel. Für die Posener Rede gilt, dass Himmler das Wort des Anstands doch kaum verwendet hätte, wäre ihm nicht klar gewesen, dass die massenhafte Exekutierung von Zivilisten eben keineswegs anständig war. Dabei suggeriert er, dass Anstand eine Art innere Haltung sei, was er aber eben nicht ist. Es geht bei Himmler wie in Chemnitz um eine bewußte propagandistische Verzerrung des Anstandsbegriffs.

Gottfried Meier / 20.09.2018

Ich würde mich schämen, wenn ich solche schrecklichen Bands unterstützt hätte. Wie kann man solche Liedertexte schreiben? Der Bundespräsident muss die doch auch gelesen haben!

Matthias Popp / 20.09.2018

Einer der seltenen Anlässe, wo ich einem Achse-Autor nicht zustimmen kann. So sehr es auch geboten ist, der um sich greifenden Manipulation unseres Denkens und unserer Sprache zu widersprechen, so sorgsam muss man doch selbst mit Begriffen umgehen. Den Begriff des Anstands biegt nun leider auch Detering so zurecht, wie es ihm in den argumentativen Kram passt. Vor allem, wenn er behauptet, sein (des Begriffes) Bezugspunkt sei die öffentliche oder veröffentlichte Meinung. Jede etwas sorgfältigere Analyse des Begriffs zeigt jedoch, dass er neben dieser gleichsam “außengeleiteten” Referenz, die sich von Nazis ebenso missbrauchen liess wie von gegenwärtigen Faschisten, eine charakterliche Bedeutung trägt, deren Bezugspunkt ein sittlich-moralischer Kompass ist, welcher unbeirrt von der Hetze der vielen dem einzelnen die Richtschnur des richtigen Handelns bietet. Dass dieser Sinn auch von den Nazis nicht ausgelöscht werden konnte, wusste etwa Heinz Galinski, der langjährige Vorsitzende der jüdischen Gemeinde Berlin und des Zentralrats der Juden, der, befragt, nach welchem Maßstab man denn das alltägliche Verhalten der Menschen während der Herrschaft des Nationalsozialismus und gegenüber Verfolgten beurteilen solle, sagte, der entscheidende Unterschied zwischen den Menschen sei gewesen, nicht ob sie arm oder reich waren, politisch links oder rechts stehend, gebildet oder nicht, sondern ob sie anständig waren oder nicht. 

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