‘68’ jedenfalls war KEIN “rauschhafter Freiheitsausbruch”. Ganz im Gegenteil. Ich habe die roten Hanseln ja hautnah an der Uni. erlebt. Was sie wollten, war, uns Studienanfängern zu verbieten, in bestimmte Vorlesungen missliebiger Professoren zu gehen, “böse” Bücher zu lesen, “schlechte” Dinge zu lernen. Der Studentenfunktionär, der für uns eine Bibliotheksführung machte, ging zu den gesammelten Werken von Marx und Engels und meinte - ganz im Ernst! - “das hier ist alles, was Ihr wirklich lesen müsst!” Wenn wir uns aus Neugier nicht an den Boykott von bestimmten Professoren hielten (wir wollten ja wissen, was die Schlimmes sagen), dann war eben in der nächsten Woche eine linke Sitz-Blockade vor dem Seminarraum. Keiner konnte rein. Das war mein Schlüsselerlebnis mit den linken Freiheitsfreunden. Und die letzten 50 Jahre haben diesen ersten Eindruck mehr als bestätigt. Das ist Pack, verächtliches, herrschsüchtiges Pack. Nichts anderes.
Den deutschen Ordnungssinn sehe ich nicht als größtes Problem für die Freiheit an. Die Ursache der deutschen Freiheitsfeindlichkeit scheint mir in dem Bedürfnis nach einem Staat zu liegen, der den Menschen führt und ihm die Entscheidungen abnimmt. Dazu zählt nicht nur der autoritäre Obrigkeitsstaat, sondern auch der soziale Versorgungsstaat, der sich scheinbar fürsorglich um alle Belange des Bürgers kümmert. Der Staat wird zur Instanz der höchsten Wahrheit und Gerechtigkeit gemacht, der alle Menschen eint, die ihm folgen und an ihn glauben. Man kann, ohne sich mit Eigenverantwortung oder kritischem Nachdenken beschäftigen zu müssen, in der Masse gleicher Menschen aufgehen. Der Staat kümmert sich um alles, als Gegenleistung ist man folgsam. Ganz anders funktioniert die freiheitliche Gesellschaft, die auf den mündigen Bürger setzt. Der mündige Bürger hält eine kritische Distanz zum Staat, weil er sich der ständigen Bedrohung für den einzelnen Menschen bewusst ist, die vom Staat ausgehen kann. Er regelt seine das Leben betreffende Angelegenheiten lieber selbst. Er zieht es vor, Individuum statt Massenmensch zu sein. Doch diese Mündigkeit scheint vielen Deutschen zu anstrengend zu sein.
Die KZs waren auch sehr ordentlich. Sehr reglementiert. Sehr von oben herab. Sehr frei von Freiheit. Nein, danke.
“Funktionierender”? Deutschland im Jahre 2021? “Funktionierender” als einige Sub-Sahara-Staaten vielleicht, aber sicher nicht im Vergleich zur deutschen Vergangenheit. Wenn man sich auf etwas im neuen Deutschland verlassen kann, dann darauf, dass es eben nicht “funktioniert”. Von der Hetzjagd auf Andersdenkende vielleicht abgesehen, zugegeben, das “funktioniert” sehr gut. Gelernt ist eben gelernt.
Adolf hatte wohl die richtigen Saiten zum Klingen gebracht. Heute wird er gebraucht um jene zu makieren, die sich gegen die allseits zunehmende Unfreiheit wehren.
Am Frankfurter Hauptbahnhof bewundere ich die Penner, denn die sind wirklich “frei”: Keiner von oben verdient an ihnen und sagt ihnen, was sie zu tun haben (sie könnten es ja auch nicht mehr). Keiner von untern verlangt etwas (denn drunter geht´s nicht mehr), Keiner will etwas von ihnen, (da nichts zu holen ist). Das ist wahre Freiheit - Ich mag das Wort nicht, es bedeutet Unverantwortlichkeit und Bindungslosigkeit bzw. -unfähigkeit. Lassen Sie uns lieber von persönlichen Rechten sprechen, Selbstbestimmung, Unabhängigkeit im persönlichen und geistigen Sinn. Und das im Rechtsrahmen, sonst geht es zu Lasten anderer, bis diese “frei” sind im o.g. Sinne.
Ach ja, die Freiheit. Sie sollte nur einer Regel folgen: Leben und leben lassen. Also, ich werde so leben, dass ich niemandes Leben gefährde und erwarte, dass ich so leben kann, wie ich es möchte. Dazu braucht man Charakterstärke, weil Toleranz nötig ist. Das ist Mangelware in Deutschland, weil es nicht gelehrt und vorgelebt wird. Lebenslang begleiten uns Verbote, denen Bußgelder auf dem Fuß folgen. Und das Denunziantentum erlebt gerade wieder ein Blütezeit. Da fühle ich mich Ausland vielfach deutlich wohler.
Die Engländer sind nicht unordentlich, in vielen Orten dort sehen die Straßen auch aus wie geleckt, und die Vorgärten. Vor allem in den seaside towns, also den potentiellen Urlaubsorten an der Küste. Und deren arme Stadtviertel sind auch etwa mit deutschen armen Stadtvierteln zu vergleichen. Die Engländer sehen nur einige Dinge etwas pragmatischer. Wir Deutsche übertreiben die Bürokratie: so muss ein Antrag für die Förderung einer Solaranlage 12 x eingereicht werden, obwohl es für jeden Monat exact dieselben Zahlen sind: Größe der PV-Anlage. Auch haben wir in Deutschland im Inland sozusagen quasi-Pässe, genannt Perso. Die Engländer weigern sich, sich Persos aufdrücken zu lassen, eben aus Datenschutzgründen und aus Gründen des generellen Misstrauens gegen den Staat, der seine Nase nicht in Dinge stecken soll, die er nicht regeln soll oder nicht darf. Das Ergebnis sehen wir jetzt: in D werden wir vermutlich Impfpässe bekommen, die Engländer haben ihrer Regierung schon vor längerer Zeit klar gemacht, was sie von solchen Ideen halten. Auch haben die Engländer viel früher gelockert und sie haben keine Bundesnotbremse, die Merkel sehr wohl gebraucht.
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