Nach dem Arbeiteraufstand vom 17. Juni 1953 textete Bertolt Brecht in dem allseits bekannten Gedicht “Die Lösung” in Bezug auf eine mögliche Lösung des Problems einer offenkundigen Kluft zwischen Regierung und Volk in der damaligen DDR der fünfziger Jahre:
“Wäre es da nicht doch einfacher, die Regierung löste das Volk auf und wählte ein anderes?”
Selbstverständlich hat der olle Brecht m.E. nach wie vor Recht in Bezug auf die Niederschlagung des 17. Juni 1953 und deren Folgen für die spätere Entwicklung der DDR.
Was jedoch die bevorstehende Landtagswahl in Sachsen am 30.08.2009 betrifft, so bleibt festzuhalten, daß es dem amtierenden Ministerpräsidenten Stanislaw Tillich (CDU), der als sog. “Blockflöte” erst 1987 der DDR-CDU beitrat und der noch im Jahre 1989 als Stellvertretender Vorsitzender des Rates des Kreises in Kamenz Enteignungen im Auftrag der SED durchführte, offenbar immer besser gelingt, den “Stolz der Sachsen” auf das seit 1990 im Freistaat Erreichte der von ihm selbst betriebenen “suboptimalen” Aufarbeitung seiner eigenen Vergangenheit als Nomenklaturkader des DDR-Systems entgegenzusetzen.
Insofern scheint es wohl eher unangebracht, allzu große Hoffnungen in die Mündigkeit des sächsischen Wählers zu setzen, die problematische Vergangenheitsbewältigung von Tillich zu durchschauen und ihn hierfür in gebührender Form bei der bevorstehenden Landtagswahl abzustrafen.
In der Tat besteht das Hauptproblem bei der bevorstehenden Landtagswahl in Sachsen weniger in der sicherlich suboptimalen Vergangenheitsbewältigung eines Stanislaw Tillich, denn in einer landesweit zu beobachteten Solidarisierungswelle - nicht nur unter (potentiellen) CDU-Wählern - gegenüber sog. “Nestbeschmutzern” aus dem Westen, die nach Meinung von SED-Altkadern, DDR-Blockflöten aus CDU und LDPD sowie gewendten Schalmeien in den Reihen der sog. “LINKEN” nicht das Recht haben, über fragwürdige DDR-Biographien der Vorwendezeit zu richten, da sie nicht selbst im “real existierenden Sozialismus” leben mußten.
Daß ein derartiges “Totschlagargument” jegliche Kritik mundtot machen soll, liegt auf der Hand. Tatsache ist jedoch auch, daß es offenbar auf eine weitverbreitete Zustimmung in der Bevölkerung Sachsens trifft, was man den in der sächsischen Presse abgedruckten Zustimmungserklärungen zur Art und Weise des Umgangs des gegenwärtigen Ministerpräsidenten mit seiner Vergangenheit in der späten DDR entnehmen kann.
Insofern ist das Hauptproblem in Sachsen derzeit eindeutig das Volk selbst, das offenbar nichts dagegen einzuwenden hat, nach der kommenden Landtagswahl von einer Art großer Koalition der “Schönredner” in Bezug auf die Vergangenheit der DDR regiert zu werden.
Ein solches Volk gehörte m.E. in der Tat aufgelöst, wenn auch nicht im Brechtschen Sinne durch die Regierung, sondern vielleicht eher durch eine Aberkennung der eigenen Mündigkeit und ggf. des aktiven und passiven Wahlrechts.