Walter Schmidt / 05.07.2010 / 11:19 / 0 / Seite ausdrucken

“Nur eine tote Richterin ist eine gute Richterin”

So oder ähnlich kommt es einem vor, wenn man die zahlreichen Nachrufe auf die Berliner Jugendrichterin Kirsten Heisig liest, die sich stets für eine konsequente Strafverfolgung von Jugendlichen mit und ohne Migrationshintergrund eingesetzt hat, statt auf dem Wege einer falsch verstandenen “Kuschelpädagogik” für mehr Empathie mit straffälig gewordenen Jugendlichen zu werben.

Einer jener Nachrufe, die eher gut gemeint als wirlich gut sind, ist jener des Erziehungswissenschaftlers und Kinderpsychologen Wolfgang Bergmann, den die Tageszeitung “Die Welt” heute als Gastkommentar auf der Meinungsseite abgedruckt hat.

Bergmanns Kommentar spiegelt m.E. die totale Hilflosigkeit sämtlicher Täterversteher wider und kann daher nur als Affront gegenüber Leben und Werk von Kirsten Heisig verstanden werden.

Schon mit seinem Titel “Sie war eine Zweiflerin” versucht Wolfgang Bergmann die zahlreichen Steine, die man Kirsten Heisig nicht zuletzt vonseiten der Berliner Justizverwaltung in den Weg gelegt hat, einfach, mir nichts, dir nichts, mit einer kurzen Handbewegung beiseite zu schieben und ihren (Frei-)Tod letztendlich auf mehr oder weniger persönliche Probleme zurückzuführen.

Das entscheidende Motiv für Heisigs “(Frei)-Tod” liegt für Bergmann darin begründet, daß sie selbst zuletzt immer stärkere Zweifel an der Richtigkeit einer harten, konsequenten Linie der Justiz gegenüber Jugendlichen Straftätern zu hegen schien. Bergmann begründet dies u.a. mit persönlichen Gesprächen, die er mit Heisig am Rande von TV-Talkrunden zum Thema “Jugendkriminalität” geführt habe.

Woher nimmt Bergmann diese scheinbar sichere Erkenntnis?

Alle öffentlichen Äußerungen und Stellungnahmen Kirsten Heisigs in ihrer eigenschaft als Jugendrichterin und nicht zuletzt auch der Titel ihres demnächst erscheinenden Buches “Das Ende der Geduld” sprechen eindeutig dagegen!

Es bedarf schon einer gewissen Chuzpe vonseiten Wolfgang Bergmanns, der toten Kirsten Heisig zu unterstellen, sie habe nach einem “wahrhaftigeren Verhalten in ihrem Amt” gesucht und sei mehr oder weniger an dieser persönlichen suche verzweifelt. Tatsache ist, daß Kirsten Heisig nicht nur vonseiten der Berliner Justizverwaltung gemobbt, sondern auch von einem Teil der Mainstreammedien wie auch von sog. “Täterverstehern” à la Wolfgang Bergmann, die auch mehr als 40 Jahre nach 1968 jugendliche Straftäter immer noch primär als “Opfer der Gesellschaft” betrachten, in die “rechte” Ecke gestellt wurde, obwohl sie in ihrem gesamten Denken und Handeln lediglich dem Recht in Bezug auf jugendliche Straftäter zum Durchbruch verhelfen wollte.

Wenn Wolfgang Bergmann sich jetzt eher halbherzig hinter die tote Jugendrichterin Heisig stellt, so tut er im Grunde genau das, was er Kirsten Heisigs Befürwortern grundsätzlich vorwirft, nämlich diese strenge aber auch konsequente Richterin, die nach Feierabend zugleich noch als Sozialarbeiterin in Neukölln und anderswo tätig war, für eine Art von “Kuschelpädagogik” zu vereinnahmen, für die sich im Lebenswerk Heisigs allerdings keinerlei Anhalts- bzw. Bezugspunkte finden lassen.
Die tote Kirsten Heisig kann sich nun weder gegen die z.T. heuchlerische Trauer ihrer obersten Dienstherrin, der Berliner Justizsenatorin von Aue (SPD), noch gegen eine heuchlerische Solidarisieung von Symbiosepädagogen wie dem Hannoveraner Erziehungswissenschaftler und Kinderpsychologen Bergmann zur Wehr setzen.
Bezeichnend ist auch, daß nahezu alle Kommentatoren im Falle Heisigs von Selbstmord als letzter Konsequenz eines ganz persönlichen, z.T. auch familiären Dramas ausgehen.

Auf einer solchen Grundlage läßt es sich trefflich über “Deutschlands strengste Jugendrichterin” urteilen.

Sie lesen gern Achgut.com?
Zeigen Sie Ihre Wertschätzung!

via Paypal via Direktüberweisung
Leserpost

netiquette:

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen
Walter Schmidt / 30.09.2010 / 12:43 / 0

Leipzig erwacht

Die Stadt Leipzig und insbesondere ihre zahlreichen Gutmenschen sowie die hiesige “Antifa” befinden sich in heller Aufregung. Am Samstag, 16.10.2010, wollen nicht nur wie bisher…/ mehr

Walter Schmidt / 14.08.2010 / 13:14 / 0

German Google Angst

Ein Thema beherrscht z. Zt. nahezu alle Medien in Deutschland: “Google Street View.” Bis zum Jahresende soll dieser Dienst nun auch hierzulande im Internet abrufbar…/ mehr

Walter Schmidt / 18.07.2010 / 19:14 / 0

Ausgeolt

Mit Ole von Beust tritt der sechste CDU-Landesfürst in Folge ab. Seit Wochen schon war von Amtsmüdigkeit die Rede. Jetzt nutzte der Hamburger Bürgermeister die…/ mehr

Walter Schmidt / 21.03.2010 / 15:25 / 0

Fragen nicht erwünscht!

Anläßlich der Buchmesse zu Leipzig wurde im Stasi-Museum in der “Runden Ecke” u.a. das Buch von Sven-Felix Kellerhoff “Die Stasi und der Westen: Der Kurras-Komplex”…/ mehr

Walter Schmidt / 03.02.2010 / 22:43 / 0

“Neue Solidarische Moderne” oder die Renaissance des “demokratischen Sozialismus”

“Arbeit ist scheiße!” (APPD), “Umverteilung von Reichtum ist viel, viel besser!” (Andrea Ypsilanti) So oder ähnlich könnte man jenen Gründungsaufruf des “Instituts für Solidarische Moderne”…/ mehr

Walter Schmidt / 23.12.2009 / 11:52 / 0

Klima IMs im Einsatz

Noch vor gar nicht allzu langer Zeit schien es ein quasi ehernes Naturgesetz zu geben, demzufolge der Sohn eines KZ-Aufsehers mit schöner Regelmäßigkeit zum Öko…/ mehr

Walter Schmidt / 08.12.2009 / 23:44 / 0

Wir retten das Klima! Mach mit!

Heute Vormittag betrat während einer meiner Schulstunden einer unserer Hausmeister plötzlich und unangemeldet das Klassenzimmer, um die anwesenden Schüler sowie mich als Lehrer zu befragen,…/ mehr

Walter Schmidt / 22.11.2009 / 19:24 / 0

Hamburger wollen lernen

Die Elterninitiative “Wir wollen lernen!” hat in der vergangenen Woche der Hamburger Schulsenatorin Christa Goetsch insgesamt 184.500 Unterschriften gegen die Einführung der Primarschule mit Beginn…/ mehr

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com