Walter Schmidt / 14.08.2010 / 13:14 / 0 / Seite ausdrucken

German Google Angst

Ein Thema beherrscht z. Zt. nahezu alle Medien in Deutschland: “Google Street View.”

Bis zum Jahresende soll dieser Dienst nun auch hierzulande im Internet abrufbar sein. Während sich einige schon darauf freuen, demnächst nicht mehr in einer Ferienwohnung in einem weitgehend maroden Haus an der Ostssee zu landen - schließlich kann man sich das Objekt schon vorher auf “Google Street View” anschauen - und während man z.B. in Leipzig auch ohne “Google Street View” selbst heute schon weiß, daß die Schönen und Reichen nicht in Anger-Crottendorf sondern eher im topsanierten Waldstraßenviertel wohnen, überwiegt doch bei weitem die Zahl der Bedenkenträger, denen z.B. “BILD” Leipzig wie auch die “LEIPZIGER VOLKSZEITUNG” in ihren heutigen Ausgaben breiten Raum geben.

Hier einige Äußerungen im Originalton:
Manuela Dunkel (36), Angestellte aus Halle/Saale trägt pechschwarz gefärbte Haare und sieht ziemlich unglücklich und ein bißchen so aus, wie sie heißt. Sie sagt:
“Die können nicht einfach mein Grundstück ins Netz setzen. Wenn ich mich auf meinen Rasen lege, möchte ich mich nicht im Internet wiederfinden.”

Wir glauben eher nicht, daß Frau Dunkel ein eigenes Grundstück in einer vornehmen Wohngegend an der Saale besitzt. Vermutlich möchte sie mal ganz gerne gefilmt werden, wenn sie sich im Bikini auf dem Balkon ihrer Plattenbauwohnung in Halle-Silberhöhe räkelt, doch welch ein Pech:

Schließlich kommt “Google Street View” in der Regel nur einmal bei Frau Dunkel in der Plattenbausiedlung vorbei und sollte sie dann gerade leicht bekleidet auf ihrem Balkon sitzen, würde “Google Street View” vermutlich sofort abblenden oder im Spätherbst noch einmal vorfahren, nur um sich diesen Anblick zu ersparen.

Juliane Winterberg (19), Sozialfachangestellte aus Gerstungen:
“Ich sonne mich oft im Bikini auf der Terrasse. Durch Google finden Spanner doch sofort mein Wohnhaus.”

Auch hier müssen wir unsere schwer besorgte Mitbürgerin leider enttäuschen. Zwar hat Juliane Winterberg verglichen mit Manuela Dunkel ein eher freundliches, durchaus hübsches Gesicht und sie mag darüberhinaus auch noch andere körperliche Reize zu bieten haben. Dennoch bleibt zu fragen, warum sie im Grunde ihres Herzens den voyeuristischen Wunsch hegt, per “Google Street View” permanent von irgendwelchen Spannern verfolgt zu werden. Vielleicht wäre hier eine psychotherapeutische Behandlung nicht von vornherein abzulehnen.

Bernd Sikora, ein älterer Herr, der im vornehmen Waldstraßenviertel zu Leipzig wohnt, hat Angst, daß nicht alle Hausbewohner Einspruch gegen die Abbildung seines Hauses durch “Google Street View” einlegen könnten:
“Schon jetzt ist der Dreck auf meinem Dachfenster mit Google Earth zu sehen!”

Nebenbei veröffentlich Sikora übrigens zahlreiche Bücher mit Photos, welche die gelungene Restauration von Gründerzeithäusern in Leipzig dokumentieren.
“Die Fotos werden deutlich über Augenhöhe aufgenommen, womit der Sichtschutz durch Hecken und Zäune umgangen wird. So wird Google Street View zu einem nützlichen Instrument für Einbrecher”, sagt Eckardt Nowak, Vizepräsident des sächsischen Landesverbandes “Haus und Grund”.

Na, da lassen Sie doch einfach Ihre schöne Hecke mal ein paar Meter höher wachsen, Herr Nowak. Das hält ihnen die Stasi-Spione von “Google Street View” im amerikanischen Schafspelz garantiert vom Leibe.

Aber wahrscheinlich haben wir in den vergangenen Jahren, spätestens seit der Erfindung von “Google Maps” nur verdrängt, wie weit wir schon bei der vollkommenen Durchdringung unserer Privatsphäre mit Hilfe dubioser amerikanischer Geheimdienstmethoden gekommen sind.

So veröffentlicht die “LEIPZIGER VOLKSZEITUNG” heute doch tatsächlich u.a. das Photo eines Pariser Hotels am Boulevard Raspail, auf dem nebenbei eine Straßenkreuzung detailgetreu zu erkennen ist. Vor dem Gebäude sieht man etwa zehn sog. “City-Bikes”, mit denen man die Metropole an der Seine gemütlich und noch dazu umweltfreundlich erkunden kann. Gut zu wissen, bevor man seine Herberge bucht, wären da nicht die zahlreichen Tauben auf dem Dach, die mit ihrem Gegurre nicht allein für ein vorzeitiges Ende der Nachtruhe sorgen, sondern auch womöglich das vor dem Hotel parkende deutsche Auto verunzieren.

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