Ohne Zweifel ist die Dekadenz unserer Gesellschaft verantwortlich für diese bizarre, kalte Reaktion auf die Ereignisse seit Herbst 2015 - ein Selbsthass, der in morbide, orgiastische Phantasien der Selbstauslöschung mündet. Zumindest bei den sog. “Eliten”. Das gemeine Volk, neuerdings gerne bezeichnet als “abgehängt”, “Pack” und “Pöbel” hätte vielleicht noch andere Vorstellungen, aber hier greift, was Hannah Arendt in “Elemente und Ursprünge totalitärer Herrschaft” als das Wesenelement eben dieser Herrschaft bezeichnet hat - den Terror. Terror nicht durch Bomben und Attentate, sondern durch Rede- und Meinungsverbote, Gedankenkontrolle der Obrigkeit, die Absonderung, Ausgrenzung, und Isolierung des Einzelnen bewirken. Kein Mensch kann dies auf Dauer aushalten, die Herrschaft ist perfekt. Nie war 1984 so aktuell ...
Wir wiederholen dauernd die bedingungslose Kapitulation!
Man könnte vermuten, daß die Menschen es extra “besonnen” achselzuckend hinnehmen, weil sie den Tätern und Attentätern nicht zugestehen wollen, wie tief sie ihre Aggressionen verstören. Motto: wenn wir jetzt zeigen, daß wir uns angegriffen fühlen, tun wir genau das, was sie beabsichtigen. Vielleicht ist es aber viel banaler - die Menschen in unserer Gesellschaft (zumindest die angestammten) sind inzwischen derart vereinzelt und jeglicher Solidarität entwöhnt, daß sie gar nicht mehr imstande sind, sich als große Gruppen zu Demonstrationen zusammenzufinden. So duckt sich jeder Einzelne weg und hofft, auch künftig verschont zu bleiben. Irgendjemand wird das Problem schon irgendwie lösen… Ähnlich verhält es sich doch mit der Masse der dem Prekariat zuzurechnenden Mitbürger - hier fehlt auch jeglicher Elan, sich zu wehren.
“Was bedeutet das Schweigen nach dem Attentat?” Da gibt es sicher viele Vermutungen. Meine ist, daß die “Polit-Elite” so kurz vor der Wahl wahrscheinlich froh ist, wenn das Thema nicht hoch gespielt wird und darum schweigt. Und die Menschen in diesem Land ? Jeder hat seine eigenen Probleme, die täglich nicht kleiner werden. Dazu die Krisen, die das Land belasten, das ist einfach zu viel. Wir wissen doch alle nicht genau, wie es weitergeht, vor allem mit den ganzen Flüchtlingen, wir wissen nicht genau, wieviele untergetauchte es gibt und vor allem, was planen sie. Der Anschlag in Berlin, so entsetzlich er war, er ist Vergangenheit. Für die Betroffenen und Hinterbliebenen natürlich nicht, denn die fragen sich, auch wie viele von uns, warum er nicht verhindert wurde. Trotzdem, so abgedroschen es kling, das Leben geht nun mal weiter. Wir alle können etwas tun, damit die Politik endlich mal Nägel mit Köpfen macht, nämlich die richtige Politik !! und kein Wahrheits-Abwehrzentrum, in dem wir alle wählen gehen. Wahlverweigerung ist die schlechteste Alternative.
Ich habe mich aufgrund dieser Problematik mi meiner halben Familie zerstritten. Das Phänomen des Wegducken ist wohl ein genuin deutsches. Ein Umdenken wird erst beginnen , wenn es den Leuten ans Bare geht . Insofern sind die angekündigten 35%Steuern auf deutsche Autos in den USA und ein höherer Mitgliedsbeitrag in der Nato schon zielführend. Die Bürger dieser Republik sind eben Bürger und nicht Untertanen . Freiheit und Selbstbestimmung hat immer mit Verantwortung und niemals mit Wegschauen zu tun . Freiheit muss in jeder Generation neu errungen werden und ist kein Konsumgut.
Je suis Berlin? Nein, es gab nicht einmal einen Besuch an den Krankenbetten der Verletzten. Dank für diesen Beitrag.
Warum niemand auf die Straße geht, kann ich Ihnen aus Sicht einer “kleinen Bürgerin” genau beschreiben. Angst. Angst wenn man demonstriert, Repressalien ausgesetzt zu werden. Nein, für eine Demo gehe ich in Deutschland nicht ins Gefängnis. Aber alles andere kann mir passieren. Die “rechte Schublade” sind doch nicht nur beleidigende Worte. Die “rechte Schublade” bedeutet doch, das man z.B. seinen Arbeitsplatz verlieren kann. Wie oft gab es diese Nachrichten schon in den letzten Wochen. Irgendwer “liked” eine Aussage eines AFD-Politikers und wird entlassen. Ein Bäcker kritisiert Merkels Flüchtlingspolitik und verliert seinen Großauftrag an einer Schule. Sobald man etwas öffentlich sagt, keine “Hassrede”, sondern sachliche Kritik, steht man am Pranger. Siehe auch dieser Blog. Es gab genug dieser Beispiele, das mir Angst und Bange wird. Auch ich arbeite im sozialen Bereich, wo es eine “bestimmte” Meinung gibt zur Flüchtlingspolitik. Also beiße ich mir auf die Zunge. Zeige nicht, das ein Pfefferspray in meiner Handtasche ist. Lächle, wenn man mir mal wieder die Mär vom “netten Flüchtling” erzählt. (Ich wohne zufälligerweise neben einer Flüchtlingsunterkunft und habe da einen anderen Blick auf die Dinge). Ich halte meinen Mund. Aber innerlich….da gärt es. Ich werde nichts Dummes oder Illegales tun. Um Himmels willen. Trotzdem werde ich einen Weg finden, dagegen anzugehen. Und wenn ich nicht falsch liege, geht es vielen meiner Mitbürgern genauso. Oder meinen Sie wirklich, das alle ängstlichen Frauen still und leise zuschauen, wie man ihnen die Freiheit nimmt? Und die Männer sich beiseite drehen und nichts tun? Sicher nicht! Nicht auf lange Dauer. Der Widerstand wächst, aber er wird intelligent sein. (Nicht schreiend wie Pegida)
Was soll man dieser Analyse dieser Gesellschaft noch hinzufügen? Sie ist für mich so erschreckend, weil sie sich mit meiner Erfahrung im Kollegen- und Bekanntenkreis absolut deckt. Berlin wurde nicht thematisiert, allenfalls kamen einige Kolleginnen nach ein paar Tagen mit einem verschämten “Ich traue mich nicht mehr alleine in die Stadt”. Mir scheint, die Gesellschaft ist - eingeschüchtert durch die Ideologie der partial-faktischen politischen Korrektheit - zu den drei Affen mutiert, die weder zu hören, zu sehen noch zu sprechen wagen. Ich habe Freunde und Familie in Frankreich, Großbritannien und in Taiwan. Hier wird noch(!) offen gesprochen. Aus ihren Aussagen zu uns Deutschen und dem was hier vorgeht spricht Unglaube, Verwirrung und auch Angst. Bezeichnend ist die Aussage eines Freundes aus London: “Was hat man Euch in Eurer Bier getan. Ihr habt sie nicht mehr alle!”
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